Wendet sich der der Angeklagte, der zuvor die Rücknahme seines Einspruchs gegen einen Strafbefehl erklärt hat, erneut gegen seine Bestrafung, ist dies regelmäßig, ungeachtet der Bezeichnung des Rechtsbehelfs, als Antrag auf Fortsetzung des Strafverfahrens auszulegen. Auf einen solchen Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss festzustellen, dass der Einspruch wirksam zurückgenommen ist, oder dem Strafverfahren seinen Fortgang zu geben. Stellt das Amtsgericht die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung fest, ist gegen diese Entscheidung das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde statthaft.

Im vorliegend vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall wendet sich der Angeklagte gegen die Höhe der ihm auferlegten Geldstrafe. Die Strafe ist allerdings nicht durch Urteil festgesetzt, das mit der Berufung angegriffen werden könnte, sondern durch einen Strafbefehl. Dieser wäre als Straferkenntnis wieder aufgelebt, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung am 27.11.2012 seinen Einspruch wirksam zurückgenommen hätte [1]. Sollte die Einspruchsrücknahme hingegen nicht wirksam geworden sein, wäre bislang noch keine das amtsgerichtliche Verfahren abschließende und gegebenenfalls vollstreckbare Entscheidung über den gegen den Angeklagten erhobenen Vorwurf ergangen.
Folglich kann der Angeklagte das bei Anbringung seines Antrags erstrebte Ziel einer Strafherabsetzung nur dann erreichen, wenn sein Einspruch gegen den Strafbefehl nicht wirksam zurückgenommen ist. Damit ist das Vorbringen des Angeklagten aber als Angriff auf die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung und als Antrag auf Fortsetzung des gegen ihn geführten Strafverfahrens vor dem Amtsgericht zu verstehen [2].
Die Entscheidung über diesen Antrag obliegt dem Amtsgericht Kirchheim. Wird die Wirksamkeit der Rücknahme eines Rechtsmittels von einem Verfahrensbeteiligten in Zweifel gezogen, ist anerkannt, dass das Gericht, gegebenenfalls nach Ermittlungen im Freibeweisverfahren, durch förmliche Entscheidung auszusprechen hat, dass das Rechtsmittel zurückgenommen ist [3]. Anderenfalls setzt es das Verfahren fort. Umstritten ist alleine, ob für diese Entscheidung das Rechtsmittelgericht oder der iudex a quo zuständig ist [4].
Entsprechendes gilt für den Fall, dass die Wirksamkeit der Rücknahme eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl angegriffen ist [5]. Der Einspruch nach § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO ist zwar ein Rechtsbehelf, über den im Gegensatz zu den Rechtsmitteln das Gericht, dessen Entscheidung angegriffen wurde und nicht ein Spruchkörper höherer Instanz (Devolutiveffekt) entscheidet. In beiden Fallkonstellationen bedarf es jedoch einer eindeutigen Entscheidung, ob das Strafverfahren durch ein rechtskräftiges und gegebenenfalls vollstreckbares Erkenntnis beendet ist. Damit wäre vorliegend das Amtsgericht Kirchheim berufen gewesen, sich mit der Frage der Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung und einer Fortsetzung des Strafverfahrens auseinanderzusetzen. Als Ergebnis der Prüfung hätte es entweder durch Beschluss feststellen müssen, dass der Einspruch des Angeklagten gegen den Strafbefehl vom 06.08.2012 wirksam zurückgenommen ist oder anderenfalls dem Strafverfahren seinen Fortgang geben und eine Entscheidung in der Sache treffen müssen.
Sollte das Amtsgericht feststellen, dass der Einspruch des Angeklagten wirksam zurückgenommen ist, wäre dieser Beschluss nicht mit der einfachen, sondern in entsprechender Anwendung des § 411 Abs. 1 Satz 1, 2.HS StPO mit der sofortigen Beschwerde angreifbar. Diese Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass anderenfalls in den Fällen, in denen ein Einspruch durch Beschluss als unzulässig verworfen worden ist, mangels Befristung des Rechtsmittels beliebig lang in der Schwebe bliebe, ob der Strafbefehl rechtskräftig und somit taugliche Vollstreckungsgrundlage geworden ist.
Bis zu einer Entscheidung des Rechtsmittelgerichts bliebe offen, ob der Strafbefehl vom 06.08.2012 in Rechtskraft erwachsen ist. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit rechtfertigt es, den feststellenden Beschluss des Amtsgerichts nicht dem Rechtsmittel der einfachen sondern der sofortigen Beschwerde zu unterwerfen. Dieses Ergebnis ist auch für den vergleichbaren Fall des Streits über die Wirksamkeit einer Berufungsrücknahme anerkannt. Der feststellende Beschluss des Berufungsgerichts, wonach das Rechtsmittel erledigt sei, ist in entsprechender Anwendung des § 322 Abs. 2 StPO mit der sofortigen Beschwerde angreifbar [6].
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 25. März 2013 – 2 Ws 21/13
- Meyer-Goßner, aaO., § 410 Rn. 2[↩]
- vgl. OLG Jena NStZ 2007, 56[↩]
- für die Revision BGH NStZ 2009, 51; NStZ-RR 2010, 55; BGH BeckRS 2010, 27859; Meyer-Goßner, aaO., § 302 Rn. 11a m. w. N.[↩]
- Meyer-Goßner, aaO., § 302 Rn. 11a m. w. N.[↩]
- OLG Jena aaO.[↩]
- OLG Frankfurt NStZ 1988, 328 m. w. N.; Meyer-Goßner, aaO., § 302 Rn. 11a[↩]