Der Streit mit dem Dealer ums Wechselgeld

Mit der Rechtswidrigkeit der erstrebten Bereicherung in Fällen, in denen der Käufer von Betäubungsmitteln gegen den Verkäufer die Zahlung von Wechselgeld mit Nötigungsmitteln durchzusetzen sucht, hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen.

Der Streit mit dem Dealer ums Wechselgeld

Dabei betonte der Bundesgerichtshof zunächst, dass zu einer Verurteilung wegen versuchter räuberischer Erpressung bereits die Feststellung ausreicht, dass der Angeklagte es für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, dass die von ihm geltend gemachte Forderung nicht bestand oder von der Rechtsordnung nicht geschützt war1. Denn selbst bei Bestehen eines Anspruchs auf Zahlung des Wechselgelds kommt die Strafbarkeit wegen eines (untauglichen) Versuchs der räuberischen Erpressung jedenfalls dann in Betracht, wenn der Angeklagte das Bestehen eines Anspruchs verkannt hätte2.

Dabei steht dem Tatentschluss des Nötigenden nicht entgegen, wenn er sich nach den Anschauungen der einschlägig kriminellen Kreise als berechtigter Inhaber eines Anspruchs gegen das Opfer fühlt. Entscheidend ist, ob er sich vorstellt, dass dieser Anspruch auch von der Rechtsordnung gedeckt ist und er seine Forderung demgemäß mit gerichtlicher Hilfe in einem Zivilprozess durchsetzen könnte3.

Insoweit hat der Bundesgerichtshof auch grundlegende Bedenkten gegen die Wertung des Landgerichts Berlin, objektiv sei die Tat nicht auf die Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils gerichtet gewesen, weil dem Angeklagten und seinem Bekannten ein Anspruch auf das (noch fehlende) Wechselgeld in Höhe von fünf Euro zugestanden habe4:

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Aus dem gesetzlichen Verbot des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) folgt nach § 134 BGB die Nichtigkeit sämtlicher zur Durchführung eines solchen Geschäfts getroffenen schuldrechtlich und dinglich wirkenden Willenserklärungen5. Diese erfasste damit neben der schuldrechtlichen Vereinbarung des Geschäfts auch die der – Zugum-Zug vereinbarten – Erfüllung des verbotenen Rechtsgeschäfts dienende Übergabe der Betäubungsmittel und die Hingabe des 20-Euro-Scheins zur vermeintlichen Kaufpreiszahlung6.

Die Nichtigkeit erstreckte sich hier – entgegen der Auffassung des Landgerichts Berlin – auch auf die Vereinbarung und Erfüllung eines Anspruchs auf Zahlung des Wechselgelds. Ein Fall der Teilnichtigkeit, der diesen Anspruch unberührt lassen würde, liegt nicht vor. Nach § 139 BGB gilt im Fall, dass ein Unwirksamkeitsgrund nur einen Teil eines Rechtsgeschäfts berührt, dass im Zweifel auch der Rest des Rechtsgeschäfts unwirksam ist7. Ist Grund für die Unwirksamkeit der Verstoß gegen ein Schutzgesetz im Sinne des § 134 BGB, entscheidet über die Aufrechterhaltung des restlichen Rechtsgeschäfts – insoweit ist § 139 BGB subsidiär – nicht der hypothetische Parteiwille, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Schutzzweck des betreffenden Verbotsgesetzes8. Nach diesem soll – wie dargelegt mit der Folge der Nichtigkeit aller ihr dienenden Vereinbarungen – die Erfüllung des verbotenen Betäubungsmittelgeschäfts unterbunden werden. Mit dieser untrennbar verbunden ist aber auch ein etwaiger infolge einer Überzahlung entstehender Anspruch auf Zahlung von Wechselgeld und zwar unabhängig von der Frage, ob dieser als Bedingung für die Übereignung des den Kaufpreis nicht nur unwesentlich übersteigenden Geldwertzeichens9, als zum Kauf hinzutretender Tauschvertrag im Sinne von § 480 BGB10 oder als im Rahmen der Vertragsfreiheit zu vereinbarende Wechselgeldabrede anzusehen wäre.

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Dingliche Ansprüche auf Herausgabe des Wechselgelds in Höhe von fünf Euro bestanden zugunsten des Angeklagten und seines Bekannten nicht. Einen – nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gemäß § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossenen11 – Herausgabeanspruch aus § 985 BGB auf den von dem Bekannten hingegebenen 20-EuroSchein, der infolge der Unwirksamkeit der Übereignung theoretisch noch in dessen Eigentum stehen könnte, machten sie gegenüber dem Geschädigten nicht geltend. Wäre der konkrete Geldschein nicht mehr individualisierbar im Besitz des Geschädigten vorhanden gewesen – wozu das Landgericht indes keine Feststellungen getroffen hat, hätte ein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB ohnehin nicht mehr bestanden; eine sogenannte Geldwertvindikation ist ausgeschlossen12. Im Fall der Vermengung des Geldes hätte der Bekannte des Angeklagten zudem nach § 948 Abs. 1, § 947 Abs. 1 BGB allenfalls einen Aufhebungsanspruch aus § 749 BGB erworben haben können13, nicht aber einen fälligen Zahlungsanspruch.

Bei Nichtigkeit aller vertraglichen Vereinbarungen ergeben sich hier auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf Zahlung von fünf Euro aus §§ 812 ff. BGB, denn diesen steht die Regelung des § 817 Satz 2 BGB entgegen: Nicht nur der Geschädigte verstieß bei Entgegennahme des Kaufpreises gegen das gesetzliche Verbot des Betäubungsmittelhandels aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 BtMG, auch der Angeklagte und sein Bekannter begingen bei der Zahlung für den Erhalt des Marihuanas einen solchen Verstoß, weshalb sie das Geleistete nicht zurückverlangen konnten14. Anders als offenbar das Landgericht angenommen hat, ließ sich die Leistungshandlung, die in der Übergabe des 20-Euro-Scheins bestand, nicht in einen bemakelten Teil, der auf den Betäubungsmittelerwerb gerichtet war, und einen unbemakelten, lediglich zu dem Geldwechsel führenden Teil aufspalten. Denn der Geldwechsel war – wie dargelegt – mit dem Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts so eng verknüpft, dass er auch dem Zustandekommen des gemäß § 3 Abs. 1 BtMG verbotenen Handels mit Betäubungsmitteln diente.

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Auf der Grundlage der Feststellungen ist auch nicht von einem Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, etwa nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, auszugehen15. Die Strafkammer hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Geschädigte bewusst einen zu geringwertigen Geldschein übergab und den Bekannten des Angeklagten mithin vorsätzlich täuschte.

Im vorliegenden Fall erwies sich das Berliner Urteil hinsichtlich der Verurteilung wegen versuchter Nötigung aber auch zum Nachteil des Angeklagten als rechtsfehlerhaft, weil das Landgericht die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts nicht erkennbar in den Blick genommen hat. Die Strafkammer hat zwar festgestellt, dass der Angeklagte beim Eintreffen an der S-Bahn-Unterführung den Versuch der Erlangung von fünf Euro mittels Gewalt für „gescheitert“ hielt. Offen bleibt aber, was er sich im maßgeblichen Zeitpunkt nach seiner letzten Ausführungshandlung vorstellte, die nach den Feststellungen des Landgerichts in dem nachdrücklichen Einfordern des Geldes, bevor der Geschädigte sich mit einem abgebrochenen Flaschenhals zur Wehr setzte, zu sehen ist (sogenannter Rücktrittshorizont; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 18.07.2019 – 5 StR 235/19; Rn. 5 mwN). Der Bundesgerichtshof kann deshalb nicht abschließend beurteilen, ob der Angeklagte und sein Bekannter durch einvernehmliches Absehen von der Tatvollendung16 gemäß § 24 Abs. 2 StGB strafbefreiend vom Versuch hätten zurücktreten können oder ob dies wegen eines Fehlschlags ausgeschlossen war.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. April 2021 – 5 StR 371/20

  1. vgl. nur BGH, Urteil vom 07.08.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 328 mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2007 – 3 StR 274/07, NStZ 2008, 214[]
  3. BGH, Urteil vom 07.08.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 329[]
  4. LG Berlin, Urteil vom  14.04.2020 – 265 Js 1216/19 (510 KLs) (36/19) 161 Ss 96/20[]
  5. st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 11.06.1985 – 5 StR 275/85, BGHSt 33, 233; vom 29.02.2000 – 1 StR 46/00‚ NStZ-RR 2000, 234; vom 02.10.2012 – 3 StR 320/12, Rn. 3; Urteile vom 04.11.1982 – 4 StR 451/82, BGHSt 31, 145, 146 f.; vom 07.08.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 325 f.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 04.11.1982 – 4 StR 451/82, BGHSt 31, 145, 147; Staudinger/Sack/Seibl, BGB, 2017, § 134 Rn. 222 mwN[]
  7. Staudinger/Roth, BGB, 2020, § 139 Rn. 1[]
  8. Staudinger/Roth, BGB, 2020, § 139 Rn. 17 mwN[]
  9. vgl. OLG Saarbrücken, NJW 1976, 65, 66; BeckOGK/Klinck, 1.01.2021, BGB, § 929 Rn. 65.1[]
  10. vgl. Staudinger/Omlor, BGB, 2016, vor § 244 Rn. A182[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1951 – IV ZR 37/50, NJW 1951, 643; aA Buck-Heeb in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 817 Rn. 11 mwN zur im Schrifttum vertretenen Gegenauffassung[]
  12. vgl. Ebbing in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 985 Rn. 3 mwN[]
  13. vgl. Ebbing in: Erman, BGB, 16. Aufl., § 948 Rn. 9[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 07.08.2003 – 3 StR 137/03, BGHSt 48, 322, 326[]
  15. vgl. zu einer solchen Konstellation BGH, Beschluss vom 12.05.2002 – 3 StR 4/02, NStZ 2003, 151[]
  16. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25.04.2017 – 4 StR 244/16, NStZ-RR 2017, 207, 208[]
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