Der Weidener Flutkanal-Prozess

Der Bundesgerichtshof hat die Urteile im Weidener „Flutkanal-Prozess“ bestätigt.

Der Weidener Flutkanal-Prozess

Das Landgericht Weiden i.d. Opf. hat den Angeklagten G und die Angeklagte jeweils wegen Aussetzung mit Todesfolge zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und sechs Monaten bzw. vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Go hat es wegen unterlassener Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt1.

Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhren der 22-jährige Geschädigte und die etwa gleichaltrigen Angeklagten in eine Shisha-Bar nach Weiden i.d. OPf. Mit Ausnahme des als Fahrer fungierenden Angeklagten Go konsumierten alle erhebliche Mengen an Alkohol. Beim Verlassen der Bar mussten sein bester Freund, der Angeklagte G, und die Angeklagte dem zudem mit einem synthetischen Cannabinoid intoxikierten Geschädigten beim Anziehen der Jacke und beim Laufen helfen. Der Angeklagte Go blieb insoweit untätig. Er wurde durch den Geschädigten auf dem Weg zum Parkhaus kurzzeitig verbal und körperlich angegriffen, woraufhin er Distanz zu diesem wahrte. Am Parkhaus angekommen verließ der Geschädigte unbemerkt die Gruppe und stürzte eine Böschung am nahegelegenen Flutkanal hinab. Dort fanden ihn die Angeklagten wenig später bäuchlings am Ufer liegend, schluchzend und um Hilfe bittend. Während der Angeklagte Go oberhalb der Böschung blieb, stiegen die anderen beiden zum Ufer hinab. Obwohl allen Angeklagten bewusst war, dass sich ihr Freund und Bekannter in diesem Zustand nicht mehr selbständig würde helfen können, leisteten sie ihm keinen Beistand und riefen keine Hilfe; stattdessen filmte die Angeklagte einige Szenen mit dem Mobiltelefon. Daraufhin versuchte der Geschädigte über mehrere Sekunden hinweg, sich selbst aufzurichten, wobei er schließlich begleitet von dem Lachen der Angeklagten in den Flutkanal fiel. Mit unkoordinierten Bewegungen entfernte er sich aus deren Sichtfeld und ertrank innerhalb der nächsten Minuten. Nach einigem Suchen traten die Angeklagten den Heimweg an. Sie schrieben noch in der Nacht und am Morgen des Folgetages Nachrichten an den Geschädigten und erkundigten sich nach dessen Verbleib und Wohlergehen.

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Das Verhalten des Angeklagten G und der Angeklagten hat das Landgericht als Aussetzung mit Todesfolge (§ 221 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 StGB) gewertet. Es vermochte sich nicht davon zu überzeugen, dass sie auch mit dem Eintritt des Todes rechneten und sich damit abfanden (§ 212 Abs. 1, § 13 Abs. 1 StGB). Bezüglich des Angeklagten Go hat es nur eine unterlassene Hilfeleistung (§ 323c Abs. 1 StGB) als erfüllt angesehen, weil diesen keine spezifischen Obhuts- und Beistandspflichten trafen.

Die auf die Revisionen des Angeklagten G und der Angeklagten sowie der Nebenkläger erfolgte rechtliche Überprüfung durch den Bundesgerichtshof hat keine durchgreifenden Rechtsfehler zum Vor- oder Nachteil der Angeklagten ergeben. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. September 2022 – 6 StR 47/22

  1. LG Weiden i.d. Opf. – Urteil vom 20.08.2021 – 1 Ks 21 Js 8059/20[]

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