Die absolute Fahruntüchtigkeit beim Pedelec

Auf die Fahrer eines handelsüblichen Elektrofahrrades (Pedelec) ist der Grenzwert zur absoluten Fahruntüchtigkeit von einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille nicht anzuwenden.

Die absolute Fahruntüchtigkeit beim Pedelec

So das Oberlandesgericht Karlsruhe in dem hier vorliegenden Fall eines  Verfahrens wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 Strafgesetzbuch).  Der Angeklagte war als Fahrer eines „Pedelecs“ mit einer auf seinen Fahrweg einbiegenden Fahrradfahrerin, die seine Vorfahrt missachtet hatte, kollidiert. Dabei hatte er nach den Feststellungen der Vorinstanz eine Alkoholkonzentration von maximal 1,59 Promille im Blut. Die vorhandenen Beweise reichen nicht für die einzelfallbezogene Feststellung aus, dass der Angeklagte deshalb alkoholbedingt nicht mehr zum Führen des Fahrzeugs in der Lage war. Eine Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem Gesichtspunkt der relativen Fahruntüchtigkeit (Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,3 Promille bei Hinzutreten alkoholtypischer Ausfallerscheinungen) kommt deshalb nicht in Betracht. Eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Straßenverkehrsgesetz (Führen eines Kraftfahrzeugs mit mindestens 0,25 Milligramm/Liter Alkohol in der Atemluft oder mindestens 0,5 Promille Alkohol im Blut) liegt ebenfalls nicht vor, weil handelsübliche „Pedelecs“ mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h keine Kraftfahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsrechts sind (§ 1 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz).

Das Amtsgericht Staufen und das Landgericht Freiburg haben den Angeklagten freigesprochen. Gegen das freisprechende Urteil des Landgerichts hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, die jetzt dem Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung vorliegt.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe bestehen derzeit keine gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass Fahrer von handelsüblichen Elektrofahrrädern („Pedelecs“) mit einer Begrenzung der motorunterstützten Geschwindigkeit auf 25 km/h bereits unterhalb der für Fahrradfahrer geltenden Grenze von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration absolut fahruntüchtig sind. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Führer eines Kraftfahrzeugs bereits von einem Blutalkoholgehalt von 1,1 Promille an unwiderleglich fahruntüchtig und wegen Trunkenheit im Verkehr zu bestrafen ist, findet daher auf solche „Pedelecs“ nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Forschung keine Anwendung.

Diesem Hinweisbeschluss liegt nur eine vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage zugrunde. Eine endgültige Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe ist noch nicht ergangen.

Oberlandesgericht Karlsruhe, Beschluss vom 14. Juli 2020 – 2 Rv 35 Ss 175/20

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