Die Akten des Strafverfahrens wegen der Tötung des Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und die Überlassung an den Untersuchungsausschuss

Wenn der Untersuchungsausschuss, der bezüglich der Tötung des Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke das Handeln der hessischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der Beobachtung der Angeklagten Stephan E. und Markus H. durch das Landesamt für Verfassungsschutz aufklären soll, die Akten schon während der laufenden Beweisaufnahme erhält, kann die Wahrheitsermittlung durch das Gericht gefährdet sein. Außerdem ist dem Untersuchungsausschuss zuzumuten, das nach gegenwärtiger Planung voraussichtlich auf Dezember 2020 zu prognostizierende Ende der Hauptverhandlung abzuwarten.

Die Akten des Strafverfahrens wegen der Tötung des Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke und die Überlassung an den Untersuchungsausschuss

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in dem hier vorliegenden Fall den Antrag des Untersuchungsausschusses abgelehnt. Vom Ausschuss ist der Antrag gestellt worden, ihm die Akten noch während des laufenden Verfahrens zu überlassen. Dem ist der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof entgegengetreten.

In seiner Entscheidungsbegründung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ausgeführt, dass die Wahrheitsermittlung durch das Gericht gefährdet werden könne, wenn der Untersuchungsausschuss die Akten schon während der laufenden Beweisaufnahme erhalte. Insbesondere könnten Zeugen vor ihrer Vernehmung durch das Gericht durch Medienberichte über die Arbeit des Untersuchungsausschusses in ihrem Aussageverhalten beeinflusst werden.

Weiter erläuterte das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, dass es gegenwärtig mit der Aufklärung des Kerngeschehens befasst sei. Der Angeklagte Stephan E. habe in seinen bisherigen Einlassungen unterschiedliche Versionen des Tatgeschehens geschildert. Es komme deshalb bei der Wahrheitsfindung auf jedes Detail an.

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Der Gefahr einer möglichen Beeinflussung könne nach Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. weder durch die Einstufung der Akten als vertraulich noch den Ausschluss der Öffentlichkeit von den Sitzungen des Untersuchungsausschusses begegnet werden. Denn der Inhalt solcher nichtöffentlichen Sitzungen sei bereits in der Vergangenheit Gegenstand medialer Berichterstattung gewesen. Dies lasse besorgen, dass auch weiterhin Sachverhalte aus nichtöffentlichen Sitzungen in die Öffentlichkeit getragen werden.

Das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. ist deshalb der Meinung, es sei dem Untersuchungsausschuss zuzumuten – auch unter Berücksichtigung der Dauer der gegenwärtigen Legislaturperiode des Hessischen Landtages bis 2024, das nach gegenwärtiger Planung voraussichtlich auf Dezember 2020 zu prognostizierende Ende der Hauptverhandlung abzuwarten.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 28. September 2020 – 5-2 StE 1/20-5a – 3/20

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