Grundsätzlich ist in einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren der Betreuer nicht zu beteiligen. Die funktionsbedingte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten, für den ein Betreuer bestellt ist, legt das Strafverfahrensrecht allein in die Hände des Verteidigers.

Eine Betreuerin ist auch nicht aufgrund ihrer Stellung als Betreuerin des Untergebrachten zur Rechtsmitteleinlegung befugt.
Das eigene Recht eines gesetzlichen Vertreters zur Rechtsmitteleinlegung gemäß § 298 StPO setzt für den Betreuer voraus, dass sich dessen Aufgabenbereich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang der Bestellung auf eine Betreuung als Vertreter im Strafverfahren bezieht1. Grundsätzlich ist in einem gegen den Betreuten durchgeführten Straf- oder Sicherungsverfahren der Betreuer nicht zu beteiligen. Die funktionsbedingte Wahrnehmung der Interessen eines Beschuldigten, für den ein Betreuer bestellt ist, legt das Strafverfahrensrecht allein in die Hände des – notwendigen – Verteidigers2. Für das Strafvollstreckungsverfahren gilt nichts anderes.
Gemäß § 1902 BGB vertritt der Betreuer in seinem Aufgabenkreis den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich, so dass in der Betreuerbestellung ausdrücklich auch für einen Aufgabenkreis der „Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten“ im Regelfall lediglich eine entbehrliche, aber unschädliche Klarstellung hinsichtlich der sich aus der Vorschrift ergebenden Vertretungsberechtigung des Betreuers liegt, es sei denn, der Betreute neige krankheitsbedingt dazu, sich durch das Betreiben einer Vielzahl von sinnlosen Verfahren zu schädigen3. Anderenfalls muss in der Bestimmung des Aufgabenkreises ein konkreter Bezug zu einer bestimmten Angelegenheit oder einem bestimmten behördlichen oder gerichtlichen Verfahren hergestellt werden, für den die Notwendigkeit der Bestellung eines Betreuers besteht4. Fehlt es hieran, ist im Hinblick auf die Notwendigkeit einer hinreichenden Bestimmtheit des Aufgabenkreises eine Vertretungsbefugnis des Betreuers in dem konkreten Gerichtsverfahren nicht gegeben5.
Nach diesen Maßstäben zählte die Vertretung des Untergebrachten im Verfahren über die Überprüfung, ob die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB fortzudauern hat, im vorliegenden Fall nicht zu den Aufgabenkreisen der Betreuerin. Im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung war die Betreuerin nach dem Inhalt ihres Betreuerausweises und dem Beschluss des Amtsgerichts – Betreuungsgericht- für die Aufgabenkreise der „Vermögenssorge“ sowie „Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern“ bestellt. Während der erstere bereits von vornherein als Grundlage ausscheidet, kommt der letztere mangels Bezugs zu dieser konkreten Rechtssache nicht in Betracht, abgesehen davon, dass die Vertretung in Gerichtsverfahren nicht einmal als solche erwähnt ist. Gerichte sind als Teil der dritten Staatsgewalt keine Behörden im Sinne von Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG); in der Aufzählung neben Versicherungen und Renten- und Sozialleistungsträgern sind nur solche Behörden gemeint.
Die im vorliegenden Fall nachträgliche – nach Einlegung der sofortigen Beschwerde – mit Beschluss des Amtsgerichts ‑Betreuungsgericht- vorgenommene Erweiterung des Aufgabenkreises hinsichtlich des Beschwerdeverfahrens gegen den angefochtenen Beschluss vor dem Oberlandesgericht ändert nichts an diesem Befund. Zum einen wirkt die Entscheidung nicht auf den Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung zurück (vgl. § 287 Abs. 1, 2 FamFG), zum anderen wäre mit der Erweiterung des Umfangs der Betreuerbestellung auf eine „Vertretung in dem Beschwerdeverfahren“ nicht die Befugnis begründet, durch Rechtsmitteleinlegung ein Beschwerdeverfahren überhaupt erst herbeizuführen.
Die nachträgliche Erweiterung des Aufgabenkreises hat auch im übrigen keine Heilung des Handelns ohne Vertretungsmacht der Beschwerdeführerin bei Rechtsmitteleinlegung bewirkt.
Zwar kann auch ein Vertreter, der nicht Verteidiger oder Betreuer ist, für den Beschuldigten Rechtsmittel einlegen; dann bedarf es aber des Nachweises einer Vollmacht, die bei der Rechtsmitteleinlegung erteilt gewesen sein muss6. An einem solchen – auch noch nach Ablauf der Einlegungsfrist möglichen – Nachweis fehlt es hier aber. Die Erklärung der Rechtsanwältin mit Schreiben vom 14.01.2021, sie zeige die rechtliche Vertretung für den Betroffenen an, sollte das Gericht weiterhin die Vorlage einer Vollmacht erbitten, stellte den Umständen nach bereits inhaltlich keine anwaltliche Versicherung dar, eine Vollmacht sei erteilt.
Eine nachträgliche Genehmigung des Berechtigten kann die Unwirksamkeit nicht mehr beheben7. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob in der Mitteilung der Rechtsanwältin vom 19.01.2021 bezüglich der Erweiterung des Aufgabenkreises verbunden mit der Erklärung, es werde die Vertretung für das gegenständliche Verfahren angezeigt, zugleich auch eine Genehmigung namens des Untergebrachten in Bezug auf ihre Rechtsmitteleinlegung erblickt werden könnte. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fordernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangen einen zweifelsfreien Bestand der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung; hiermit ist ein Schwebezustand unvereinbar8.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 5. Februar 2021 – 2 Ws 4/21 – 2 Ws 4/21 – 5 OBL 2/21
- OLG Hamburg, Beschluss vom 17.06.2013 – 2 Ws 23–25/13; OLG Hamm NStZ 2008, 119; LR/Jesse, § 298 Rn. 3[↩]
- vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 17.06.2013, a.a.O.; BGH NStZ 1996, 610[↩]
- BGH NJW-RR 2016, 387; KG FamRZ 2008, 919[↩]
- OLG Hamburg, Beschluss vom 17.06.2013, a.a.O.; BGH a.a.O.; OLG Hamm NStZ 2008, 119; OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1166[↩]
- OLG Brandenburg a.a.O.[↩]
- vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, § 297 Rn. 4; KK/Paul, § 298 Rn. 3; LR/Jesse, § 298 Rn. 9[↩]
- OLG Hamburg, Beschluss vom 28.02.2003 – 2 Ws 44/03; RGSt 66, 265; LR/Jesse, § 298 Rn. 5[↩]
- vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 28.02.2003 und RG, jeweils a.a.O.; vgl. auch § 180 S. 1 BGB[↩]
Bildnachweis:
- Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg: Christoph Braun | CC0 1.0 Universal