Die deutsche Tochter – und die verweigerte Ausreise aus Syrien

Eine Freiheitsberaubung kann – unabhängig davon, ob dies überhaupt als Tathandlung im Sinne des § 239 Abs. 1 StGB einzustufen ist – nicht in der nach syrischem Recht erforderlichen Verweigerung der Zustimmung des Vaters zur Ausreise seiner Tochter aus Syrien gesehen werden.

Die deutsche Tochter – und die verweigerte Ausreise aus Syrien

Zwar erfasst der Schutzzweck des § 239 StGB auch Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit, durch die das Opfer gehindert wird, ein größeres Areal wie etwa das Gelände eines Krankenhauses oder einer geschlossenen Anstalt zu verlassen1. Das Gebiet, aus dem sich das Opfer aufgrund der Tathandlung nicht entfernen kann, darf aber nicht beliebig weiträumig sein; ansonsten würde der Tatbestand in einer dem Schutzzweck der Norm widerstreitenden Weise überdehnt. Danach ist eine vollständige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit jedenfalls dann nicht mehr anzunehmen, wenn sich der verbleibende räumliche Entfaltungsbereich der betroffenen Person auf ein mehrere tausend – im Falle Syriens zur Tatzeit rund 185.000 – Quadratkilometer umfassendes Staatsgebiet erstreckt2.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 StR 410/14

  1. Fischer, StGB, 62. Aufl., § 239 Rn. 2; Amelung/Brauer JR 1985, 474, 475; Schumacher, Festschrift für Stree/Wessels, 1993 S. 431, 440 ff.[]
  2. aA MünchKomm-StGB/Wieck-Noodt aaO, § 239 Rn.20; SK-StGB/Horn/Wolters aaO, § 239 Rn. 4a[]
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