Die Erpressung des Uli H. – und die sorgfältige Vermeidung von Tatspuren

Sie erinnern sich noch an die Erpressung des ehemaligen FCB-Präsidenten nachdem dieser wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden war?

Die Erpressung des Uli H. – und die sorgfältige Vermeidung von Tatspuren

Der Erpresser hatte die Medienberichterstattung über das Strafverfahren verfolgt und war zu der Auffassung gelangt, gegen diesen sei eine zu milde Strafe ausgesprochen worden. In einem längeren an Uli H. gerichteten Schreiben schilderte der hafterfahrene Erpresser detailliert die Abläufe in einer Justizvollzugsanstalt aus Sicht eines Inhaftierten. Er spiegelte dem kurz vor Haftantritt stehenden Adressaten seines Schreibens vor, er könne tatsächlich auf dessen Haftverlauf – etwa die Gewährung von Vollzugslockerungen oder Besuchsmöglichkeiten – einwirken und habe bei seinem Vorgehen Mittäter oder Helfer. Wenn H. an einem „normalen“ Haftverlauf liege, solle er 215.000 € in bestimmter Stückelung in einer Tüte verstauen und diese zu einem benannten Zeitpunkt an einer bestimmten Bushaltestelle in den Mülleimer werfen.

Nachdem das Schreiben bei der Familie H. angekommen war, schaltete diese die Polizei ein; die Drohungen nahmen H. und seine Frau sehr ernst, beide waren hierdurch angesichts des bevorstehenden Haftantritts erheblich belastet. Die Polizei deponierte eine Plastiktüte, in der sich kein Geld befand, in dem bezeichneten Mülleimer und observierte den Übergabeort. Etwa zwanzig Minuten vor dem von ihm genannten Übergabezeitpunkt fuhr der Erpresser mit dem Fahrrad an dem Mülleimer vorbei und hielt in umliegenden Straßen Ausschau nach Polizeibeamten. Einige Zeit später fuhr er mit dem Fahrrad erneut zum Mülleimer, entnahm diesem die dort deponierte Plastiktüte und fuhr – in dem Glauben, das Geld erhalten zu haben – davon. Als er von einem Polizeibeamten mit „Halt! Polizei!“ angesprochen wurde, ließ er die Plastiktüte fallen, beschleunigte und entfernte sich mit hoher Geschwindigkeit. Ein weiterer Polizist hielt den Erpresser dann zwangsweise an, wobei dieser vom Fahrrad stürzte und sich eine Kopfplatzwunde, einen Schlüsselbeinbruch und diverse Schürfwunden zuzog. Ob H. zur Zahlung des von dem Angeklagten geforderten Betrages in der Lage gewesen wäre, war nach den Feststellungen im Strafurteil zum Tatzeitpunkt wegen eines noch ausstehenden Steuerbescheides für ihn selbst noch nicht absehbar.

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Wegen dieser Erpressung verurteilte ihn das Landgericht München – II zu einer Haftstrafe von 3 Jahren 9 Monaten. Auf die Revision des Erpressers bestätigte der Bundesgerichtshof nun den Schuldspruch, hob das Münchener Urteil jedoch wegen Fehler in der Strafzumessung auf:

Das Landgericht hat einen unbenannten besonders schweren Fall der (versuchten) Erpressung nach § 253 Abs. 4 Satz 1 StGB angenommen und den so bestimmten Strafrahmen nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert. Die Strafzumessung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Bei der Wahl des Strafrahmens und – aufgrund vollumfänglicher Bezugnahme – bei der konkreten Strafzumessung hat das Landgericht eine Reihe von Erwägungen zu Lasten des Erpressers angestellt, die sich als nicht tragfähig erweisen:

Als maßgeblich zu Lasten des Erpressers gewerteten Ausdruck „erheblicher krimineller Energie“ wertet die Strafkammer u.a., der Erpresser habe die Datei mit dem Erpresserschreiben bewusst nicht auf seinem Computer abgespeichert, um ein späteres Auffinden zu vermeiden (aktiv gelöscht wurde die Datei hingegen nicht); weil er auch das Aufbringen seiner Fingerabdruckspuren durch Tragen von Handschuhen und Verwenden eines Geschirrspültuchs vermieden habe, wäre eine Ermittlung des Erpressers als Täter durch die Ermittlungsbehörden ohne die Observation der Geldübergabe „nicht ohne weiteres gelungen“. Die Bedrohungslage sei gerade wegen der Diffusität der Drohungen erheblich gewesen und durch den Umstand, dass der Erpresser in dem Schreiben anonym als „MisterX“ aufgetreten sei, noch verstärkt worden.

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In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zwar anerkannt, dass die sorgfältig geplante Vermeidung von Tatspuren oder deren Beseitigung vor der Tat als die Tat prägende Umstände strafschärfend herangezogen werden dürfen1. Dem Erpresser darf aber nicht straferschwerend zur Last gelegt werden, er habe den Ermittlungsbehörden seine Überführung nicht erleichtert, indem er keine auf ihn hindeutenden Hinweise geschaffen habe2. Dies wäre aber der Fall, wenn man einem Erpresser anlastet, er trete nicht unter seinem Namen, sondern anonym auf, und er habe ein Erpresserschreiben nicht abgespeichert, sondern ohne Speicherung auf seinem Computer erstellt.

Ganz maßgeblich zu Lasten des Erpressers hat das Landgericht zudem die Höhe des von ihm angestrebten Vermögensvorteils gewertet, auch weil der Erpresste diesen Betrag nicht ohne weiteres, sondern nur abhängig von dem Ergebnis eines noch ausstehenden Steuerbescheids habe aufbringen können. Ob der Erpresser damit rechnete oder damit rechnen konnte, dass die erpresste Summe von H. nur unter Schwierigkeiten hätte aufgebracht werden können, teilt das Landgericht nicht mit; dieser für die Frage der Vorwerfbarkeit des genannten Straferschwerungsgrundes mitbestimmende Umstand versteht sich vorliegend aber nicht von selbst und hätte deshalb näherer Darlegung bedurft.

Nicht unbedenklich erscheint zudem die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, die Tat sei nach Vorstellung des Erpressers bereits vollendet gewesen („subjektive Vollendungsnähe“). Denn der Versuch ist grundsätzlich davon gekennzeichnet, dass der subjektive Tatbestand vollständig erfüllt wird, während die Tat objektiv unvollständig bleibt3. Die Verwertung von Umständen, die für die Durchführung der Tat (hier des Versuchs) typisch sind und diese nicht über den Tatbestand hinaus besonders kennzeichnen oder die regelmäßige Begleiterscheinungen eines Delikts sind, ist regelmäßig fehlerhaft4.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 1 StR 200/15

  1. vgl. Theune in LK, 12. Aufl., § 46 Rn.201; Detter NStZ 1997, 476, 477 f., je mwN; vgl. zuletzt auch BGH, Beschluss vom 26.03.2015 – 2 StR 489/14[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 17.01.2006 – 4 StR 422/05; zur einfachen Spurenverhinderung auch Theune aaO Rn.202[]
  3. vgl. Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 22 Rn. 2[]
  4. vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 46 Rn. 45c mwN[]