Der Begriff „wegen derselben Tat“ im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO weicht vom Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO ab. Er ist mit Rücksicht auf den Schutzzweck der Norm weit auszulegen und erfasst alle Taten des Beschuldigten von dem Zeitpunkt an, in dem sie im Sinne eines dringenden Tatverdachts bekannt geworden sind und in den bestehenden Haftbefehl hätten aufgenommen werden können.

Dadurch wird eine sog. Reservehaltung von Tatvorwürfen vermieden, die darin bestünde, dass von Anfang an bekannte oder im Laufe der Ermittlungen bekannt werdende Taten zunächst zurückgehalten und erst kurz vor Ablauf der Sechsmonatsfrist zum Gegenstand eines neuen oder erweiterten Haftbefehls gemacht werden mit dem Ziel, eine neue Sechsmonatsfrist zu eröffnen1.
So auch bei der hier vom Bundesgerichtshof vorgenommenen Haftprüfung: Hier beschränkte sich der ursprünglich gegen die Beschuldigte ergangene Haftbefehl vom 24.09.2015 auf den Vorwurf, die jugendliche Beschuldigte habe sich spätestens seit Anfang 2014 in Syrien als Mitglied am IS und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und deren Tätigkeiten darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB i.V.m. § 3 JGG). Die der Erweiterung des Tatvorwurfs durch den Haftbefehl vom 14.03.2019 zugrunde liegenden Umstände waren schon bei der Inhaftnahme der Beschuldigten bekannt. Die neuen Tatvorwürfe hätten mithin bereits zu diesem Zeitpunkt in den bestehenden Haftbefehl aufgenommen werden können.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. April 2019 – AK 12/19
- vgl. BGH, Beschluss vom 06.04.2017 AK 14/17 6 mwN[↩]
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