Das Bundesverfassungsgericht hat heute sein Urteil über die Verfassungsbeschwerden von vier Sicherungsverwahrten verkündet, die sich gegen die Fortdauer ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der früher geltenden zehnjährigen Höchstfrist (Sicherungsverwahrung I) bzw. gegen die nachträgliche Anordnung ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Sicherungsverwahrung II) wenden und ist dabei auf die Linie der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte eingeschwenkt und hat gleichzeitig dem Gesetzgeber eine Anpassungsfrist von zwei Jahren gewährt.

Die gesetzliche Entwicklung der Sicherungsverwahrung[↑]
Die Sicherungsverwahrung wurde mit dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 19331 eingeführt. In § 20a des Reichsstrafgesetzbuchs (RStGB) wurde eine Strafschärfung für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ vorgesehen, die schon zweimal wegen eines Verbrechens oder eines vorsätzlichen Vergehens jeweils zu mindestens sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden waren und durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt oder aber – unabhängig von entsprechenden Vorstrafen – mindestens drei vorsätzliche Taten begangen hatten. Wurde jemand „als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt“, musste nach § 42e RStGB neben der Strafe obligatorisch die Sicherungsverwahrung angeordnet werden, wenn die öffentliche Sicherheit es erforderte. Die zeitliche Geltung des neu eingeführten Maßregelrechts wurde in § 2a RStGB dahingehend geregelt, dass über Maßregeln der Sicherung und Besserung nach dem Gesetz zu entscheiden war, das bei der Entscheidung galt. Für bereits rechtskräftig verurteilte und bei Inkrafttreten des Gesetzes in Strafhaft befindliche Täter wurde übergangsweise die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung zugelassen (Art. 5 des Gewohnheitsverbrechergesetzes). Bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht konnte zunächst nicht auf Sicherungsverwahrung erkannt werden (Art. 3 des Ausführungsgesetzes zum Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 19332).
Mit der Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher vom 4. Oktober 19393 und der Verordnung über die Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendstrafrechts vom 6. November 19434 wurde in weitem Umfang die Möglichkeit eröffnet, gegen jugendliche Straftäter das allgemeine Strafrecht anzuwenden und damit auch die Sicherungsverwahrung anzuordnen (§ 20 Reichsjugendgerichtsgesetz).
Unter dem Grundgesetz wurde mit dem Jugendgerichtsgesetz vom 4. August 1953 die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Jugendliche (§ 7 JGG) sowie gegen Heranwachsende bei Anwendung von Jugendstrafrecht wieder ausgeschlossen (§ 105 Abs. 1 JGG) und nur noch – fakultativ – bei Verurteilungen von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht zugelassen (§ 106 Abs. 2 JGG).
Im Übrigen blieben die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung im Wesentlichen unverändert, bis sie durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 19695 grundlegend umgestaltet wurden. Die in § 20a StGB enthaltene Strafschärfung für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ entfiel. Stattdessen wurde in § 42e StGB für die Anordnung der Sicherungsverwahrung die Gefährlichkeit des Täters für die Allgemeinheit „infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten“ vorausgesetzt. Zugleich wurden die formellen Anforderungen an Anlassverurteilung und Vorstrafen verschärft, für die obligatorische Anordnung der Sicherungsverwahrung das Erfordernis einer Vorverbüßung eingeführt, die Frist für die Überprüfung der Unterbringung verkürzt und deren Aussetzung zur Bewährung ermöglicht. Ferner wurde die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende auch bei deren Verurteilung nach allgemeinem Strafrecht ausgeschlossen.
Durch das Zweite Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 4. Juli 19696 wurden die Vorschriften zur Sicherungsverwahrung in die §§ 66 ff. StGB verlagert und die Dauer der Sicherungsverwahrung im Falle ihrer erstmaligen Anordnung in § 67d Abs. 1 StGB auf höchstens zehn Jahre begrenzt. Der Grundsatz, wonach über Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem im Entscheidungszeitpunkt geltenden Recht zu entscheiden ist, wurde mit dem Zusatz „wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ zum heutigen § 2 Abs. 6 StGB. Die seitdem unverändert geltende Vorschrift lautet:
„(6) Über Maßregeln der Sicherung und Besserung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.“
Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 19987 wurde in § 66 Abs. 3 StGB die Möglichkeit geschaffen, bei bestimmten Delikten bereits nach einer einschlägigen Wiederholungstat die Sicherungsverwahrung anzuordnen. Ferner wurde die Zehnjahreshöchstfrist für die erstmalig angeordnete Sicherungsverwahrung aufgehoben. Zugleich wurde in § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB eine Pflicht zur Überprüfung nach zehnjähriger Vollzugsdauer eingeführt. Die mit den ersten beiden Verfassungsbeschwerden8 mittelbar angegriffene Vorschrift lautete seitdem bis zur Streichung der Worte infolge seines Hanges, die mit Wirkung vom 1. Januar 2011 erfolgte:
„(3) Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.“
Gemäß Art. 1a Abs. 2 EGStGB war die Neuregelung des § 66 Abs. 3 StGB nur anzuwenden, wenn eine der dort bezeichneten Straftaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Januar 1998 begangen wurde, wohingegen die neue Fassung von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB gemäß Art. 1a Abs. 3 EGStGB in zeitlicher Hinsicht ausdrücklich uneingeschränkt – auch in Altfällen – Anwendung finden sollte.
Durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21. August 20029 wurde § 66 StGB dahingehend geändert, dass die Sicherungsverwahrung nunmehr nicht nur neben einer zeitigen, sondern auch neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe angeordnet werden konnte. Außerdem wurde ein neuer § 66a StGB hinzugefügt, demzufolge in den Fällen des § 66 Abs. 3 StGB die Sicherungsverwahrung im Urteil zunächst vorbehalten bleiben und über ihre Anordnung erst in einem Nachverfahren am Ende der Strafvollstreckung entschieden werden konnte. Dadurch sollte die Gefährlichkeitsprognose zeitlich nach hinten verlagert und durch Einbeziehung von Erkenntnissen aus dem Strafvollzug auf eine breitere Grundlage gestellt werden (vgl. BTDrucks 14/8586, S. 5). Flankiert wurde die Regelung durch eine Verfahrensvorschrift in § 275a StPO, die vorsah, dass das Gericht des ersten Rechtszuges nach Durchführung einer Hauptverhandlung über die im Urteil vorbehaltene Sicherungsverwahrung entscheidet.
Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 200310 dehnte mit einer Änderung von § 106 JGG den Anwendungsbereich der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung auf Heranwachsende aus, die nach allgemeinem Strafrecht abgeurteilt werden. Die Anwendbarkeit dieser Neuregelung wurde in Art. 1a EGStGB in zeitlicher Hinsicht dahingehend eingeschränkt, dass eine der Anlasstaten nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April 2004 begangen worden sein musste.
Mit Urteil vom 5. Februar 200411 erklärte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 für mit dem Grundgesetz vereinbar und wies die Verfassungsbeschwerde eines Untergebrachten – Herrn M. – zurück, gegen den vor Inkrafttreten des genannten Gesetzes erstmalig die Sicherungsverwahrung angeordnet und aufgrund der Neuregelungen über eine Dauer von zehn Jahren hinaus vollzogen worden war. Der Wegfall der zehnjährigen Höchstfrist verletze weder die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) oder das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. mit Art. 20 Abs. 3 GG).
Seit 2001 waren in einigen Bundesländern Straftäterunterbringungsgesetze erlassen worden, nach denen gegen rechtskräftig verurteilte Straftäter, deren Gefährlichkeit sich erst während des Strafvollzugs herausstellte, nachträglich die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt angeordnet werden konnte. Zwei dieser Landesgesetze, das Bayerische Gesetz zur Unterbringung von besonders rückfallgefährdeten hochgefährlichen Straftätern vom 24. Dezember 200112 und das Gesetz des Landes Sachsen-Anhalt über die Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Personen zur Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 6. März 200213, wurden durch Urteil des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Februar 200414 für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, weil es sich bei der geregelten Materie um Strafrecht im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG handele und der Bund mit der Regelung der Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch von seiner Gesetzgebungszuständigkeit zulässigerweise abschließend Gebrauch gemacht habe.
Mit dem Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 200415 machte der Bundesgesetzgeber von seiner in der Entscheidung des Zweiten Senats klargestellten Gesetzgebungskompetenz Gebrauch. In dem neu eingefügten § 66b StGB wurden drei Grundkonstellationen der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung geregelt. § 66b Abs. 1 StGB erfasste – wie durch einen Verweis auf die Voraussetzungen des § 66 StGB klargestellt wurde – ausschließlich Mehrfachtäter, während § 66b Abs. 2 StGB auch für Ersttäter galt, allerdings eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren verlangte. Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung waren jeweils neue, vor Ende des Strafvollzugs erkennbar gewordene Tatsachen, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinwiesen. § 66b Abs. 3 StGB regelte schließlich den Fall der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder vermindernde Zustand, auf dem die Unterbringung beruhte, nicht (mehr) bestand. Der Katalog der möglichen Anlasstaten wurde für jede der drei Konstellationen unterschiedlich gefasst. § 66b Abs. 3 StGB verwies auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Taten, zu denen neben den dort aufgeführten Vergehen sämtliche Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) zählen. In § 66b Abs. 1 StGB wurde der Anlasstatenkatalog auf die in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Vergehen sowie bestimmte Verbrechen beschränkt. Eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB war ausschließlich als Folge bestimmter Verbrechen, nicht aber bei Vergehen möglich. In allen drei Konstellationen war eine hohe Wahrscheinlichkeit erheblicher Straftaten vorausgesetzt, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Mit diesen gegenüber der primären und der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erhöhten Anforderungen an die Gefährlichkeitsprognose wollte der Gesetzgeber den Ausnahmecharakter der Vorschrift unterstreichen16.
§ 106 JGG wurde ebenfalls um die Möglichkeit einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Verurteilung von Heranwachsenden nach allgemeinem Strafrecht und bei Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus erweitert.
Mit dem Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13. April 200717 reagierte der Gesetzgeber auf eine restriktive Auslegung des § 66b Abs. 1 StGB durch die Rechtsprechung18. Der Bundesgerichtshof hatte es nicht als „neue“ – das heißt nach der Verurteilung erkennbar gewordene – Tatsache angesehen, wenn die Gefährlichkeit des Täters bereits bei Aburteilung der letzten Anlasstat bekannt war oder hätte erkannt werden können, das Tatgericht aber aus rechtlichen Gründen die Sicherungsverwahrung nicht verhängen konnte, weil es seinerzeit an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlte19. § 66b Abs. 1 StGB wurde daher ein Satz 2 hinzugefügt, mit dem Fälle, in denen im Zeitpunkt der Verurteilung die Sicherungsverwahrung aufgrund der alten Fassung des Art. 1a EGStGB nicht angeordnet werden konnte oder in denen die Möglichkeit der Anordnung unter den Voraussetzungen des im Jahre 1998 geschaffenen § 66 Abs. 3 StGB noch nicht gegeben war, in den Anwendungsbereich des § 66b StGB einbezogen wurden20. § 106 JGG und § 66b Abs. 2 StGB wurden entsprechend angeglichen. Die mittelbar mit der Verfassungsbeschwerde des vierten Beschwerdeführers21 angegriffene Vorschrift des § 66b Abs. 2 StGB lautete seitdem bis zu ihrer jüngsten, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Änderung:
„(2) Werden Tatsachen der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art nach einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder nach den §§ 250, 251, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255, erkennbar, so kann das Gericht die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nachträglich anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzugs ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden.“
Mit dem am 12. Juli 2008 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 200822 wurde der Anwendungsbereich der nachträglichen Sicherungsverwahrung auf das Jugendstrafrecht ausgedehnt. Die mit der Verfassungsbeschwerde des dritten Beschwerdeführers23mittelbar angegriffene Vorschrift des § 7 Abs. 2 JGG lautet:
„(2) Sind nach einer Verurteilung zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren wegen oder auch wegen eines Verbrechens
- gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
- 2. nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, vor Ende des Vollzugs dieser Jugendstrafe Tatsachen erkennbar, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Vollzugs der Jugendstrafe ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der vorbezeichneten Art begehen wird.“
In § 7 Abs. 4 JGG (in der bis 31. Dezember 2010 gültigen Fassung) wurde darüber hinaus die sinngemäße Geltung verschiedener verfahrensrechtlicher Vorschriften, unter anderem von § 275a Abs. 5 Satz 1 StPO, angeordnet. Danach konnte das Gericht bis zur Rechtskraft des Urteils einen Unterbringungsbefehl erlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden waren, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet werden würde.
Mit Urteil vom 17. Dezember 200924 gab eine Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte der Individualbeschwerde von Herrn M. – dem Beschwerdeführer des Verfahrens, in welchem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 200425 ergangen war – statt und stellte fest, Art. 5 Abs. 1 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit) und Art. 7 Abs. 1 EMRK (Keine Strafe ohne Gesetz) seien verletzt. Gleichzeitig verurteilte sie die Bundesrepublik zur Zahlung von 50.000 € an den Individualbeschwerdeführer. Mit der Ablehnung des Antrags der Bundesregierung auf Verweisung an die Große Kammer gemäß Art. 43 EMRK am 10. Mai 2010 wurde das Urteil rechtskräftig. Der Individualbeschwerdeführer M. wurde entlassen.
In der Folgezeit stellte die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention fest26.
Unter Berufung auf die Kammerentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 wurde von einigen Vollstreckungsgerichten in Fällen, in denen die Anlasstaten ebenfalls vor dem Wegfall der früheren Höchstfrist im Jahr 1998 begangen worden waren, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach mehr als zehnjähriger Vollzugsdauer für erledigt oder ihre weitere Vollstreckung für unzulässig erklärt. Andere Vollstreckungsgerichte lehnten eine Freilassung der Betroffenen ab. Die Rechtsprechung der zuständigen Oberlandesgerichte war ebenfalls uneinheitlich27.
Deshalb wurde im Rahmen des Vierten Gesetzes zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 24. Juli 201028 mit einer Ergänzung von § 121 Abs. 2 GVG eine Divergenzvorlagepflicht der Oberlandesgerichte bei Entscheidung über die Erledigung einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder über die Zulässigkeit ihrer weiteren Vollstreckung eingeführt. Auch die Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entwickelte sich allerdings uneinheitlich29. Eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen, der vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs angerufen worden ist, weil er von der Rechtsprechung des 4. Strafsenats abweichen möchte, steht noch aus.
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 201030, das am 1. Januar 2011 in Kraft getreten ist, wurde die Sicherungsverwahrung weitreichend umgestaltet. Der Anwendungsbereich der primären Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB wurde wesentlich enger gefasst, die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in § 66a StGB erweitert und die nachträgliche Sicherungsverwahrung nach § 66b StGB und § 106 JGG – abgesehen von den Fällen der Erledigung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus – gestrichen. Auch § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB wurde neu gefasst. Die neuen Vorschriften sind allerdings gemäß Art. 316e Abs. 1 EGStGB nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2011 begangen werden; für zuvor begangene Taten gilt das bisherige Recht weiter.
Darüber hinaus trat am 1. Januar 2011 – als Art. 5 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 – das Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG) in Kraft. Gemäß § 1 ThUG kann die Unterbringung einer Person in einer geeigneten geschlossenen Einrichtung angeordnet werden, wenn diese nicht länger in der Sicherungsverwahrung untergebracht werden kann, weil ein Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung zu berücksichtigen ist. Weitere Voraussetzung der Unterbringung ist, dass die Person an einer psychischen Störung leidet, mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird und die Unterbringung aus diesem Grund zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Unterbringung soll nach § 2 ThUG in einer räumlich und organisatorisch vom Strafvollzug getrennten Einrichtung vollzogen werden, die medizinisch-therapeutisch ausgerichtet sein und eine angemessene Behandlung der psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten soll.
Die Ausgangssachverhalte[↑]
Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts liegen insgesamt fünf Verfassungsbeschwerden zugrunde:
Sicherungsverwahrung nach Ablauf der früheren Höchstfrist
Dabei wenden sich zwei Sicherungsverwahrte in ihren Verfassungsbeschwerden gegen die Fortdauer ihrer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der nach früherem Recht für die Sicherungsverwahrung geltenden Höchstfrist von zehn Jahren.
Der erste Beschwerdeführer31 hat sich seit seinem 20. Lebensjahr nur für jeweils kurze Zeitspannen in Freiheit befunden. Seinen wiederholten Haftstrafen lagen unter anderem Verurteilungen wegen Diebstählen zugrunde, zu deren Durchführung er in Wohnungen alleinstehender Frauen eingedrungen war. Im Jahr 1978 hatte er in Tateinheit mit einem solchen Diebstahl eine Vergewaltigung begangen. Zuletzt wurde er im Jahr 1995 wegen Diebstahls in zwei Fällen verurteilt. Zugleich wurde seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Der zweite Beschwerdeführer32 wurde im Jahr 1984 wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexueller Nötigung und Körperverletzung, in einem Fall zusätzlich in Tateinheit mit Entführung gegen den Willen der Entführten und Freiheitsberaubung verurteilt. Nach voller Verbüßung der sechsjährigen Freiheitsstrafe wurde er 1989 entlassen. Anfang 1991 wurde er erneut wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem Raub und sexueller Nötigung, Vergewaltigung in Tateinheit mit sexueller Nötigung sowie wegen sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Zugleich wurde die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
Mit dem am 31. Januar 1998 in Kraft getretenen Art. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten wurde die bis dahin im Strafgesetzbuch für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmte Höchstfrist von zehn Jahren aufgehoben und eine Pflicht zur Überprüfung nach zehnjähriger Vollzugsdauer eingeführt. Gemäß § 67d Abs. 3 StGB erklärt das Vollstreckungsgericht nach Ablauf von 10 Jahren die Maßregel für erledigt, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Die Neuregelung ist gemäß § 2 Abs. 6 StGB auf alle zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens bereits angeordneten und noch nicht erledigten Fälle anzuwenden. Der Wegfall der Befristung betrifft damit auch die Sicherungsverwahrten, bei denen zum Zeitpunkt der Anlasstat und ihrer Verurteilung noch die Befristung der Sicherungsverwahrung auf höchstens zehn Jahre galt.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer Entscheidung vom 17. Dezember 200933, rechtskräftig seit dem 10. Mai 2010, der Individualbeschwerde eines Sicherungsverwahrten stattgegeben, der ebenfalls aus Anlass seiner vor Inkrafttreten der Neuregelung begangenen Straftaten seit über zehn Jahren in der Sicherungsverwahrung untergebracht war. Die Fortdauer der Sicherungsverwahrung – so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – verstoße sowohl gegen das Recht auf Freiheit aus Art. 5 EMRK als auch gegen das in Art. 7 EMRK normierte Rückwirkungsverbot. Denn die Verlängerung der Sicherungsverwahrung stelle eine zusätzliche Strafe dar, die nachträglich aufgrund eines erst nach der Tat in Kraft getretenen Gesetzes verhängt worden sei.
Im Mai bzw. im Oktober 2009 waren die Beschwerdeführer jeweils 10 Jahre in der Sicherungsverwahrung untergebracht und wären nach der früheren Regelung zu diesen Zeitpunkten zwingend zu entlassen gewesen. In beiden Fällen ordneten die Strafvollstreckungskammern jedoch aufgrund der Neuregelung die Fortdauer der Sicherungsverwahrung an. Die Beschwerdeführer blieben mit ihren hiergegen gerichteten Rechtsmitteln erfolglos.
Nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung
In zwei weiteren weiteren Verfassungsbeschwerden34 wendet sich der in der Sicherungsverwahrung Untergebrachte gegen die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung.
Mit dem am 29. Juli 2004 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung ist durch den neu eingefügten § 66b StGB die Möglichkeit geschaffen worden, unter bestimmten Voraussetzungen gegen Straftäter nachträglich, d. h. nach rechtskräftiger Verurteilung, noch ihre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anzuordnen. Am 12. Juli 2008 ist das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht in Kraft getreten, das durch die Neufassung des § 7 Abs. 2 JGG eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung auch gegen nach Jugendstrafrecht rechtskräftig verurteilte Straftäter ermöglicht. Gegen die Beschwerdeführer wurde nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung aufgrund der Neuregelungen angeordnet, die zum Zeitpunkt der von ihnen begangenen Anlasstaten noch nicht in Kraft getreten waren.
Der Beschwerdeführer wurde 1999 wegen eines im Alter von 19 Jahren begangenen Mordes zu einer Jugendstrafe von zehn Jahren verurteilt. Kurz vor der vollständigen Verbüßung dieser Strafe erließ das Landgericht gegen ihn einen Unterbringungsbefehl und ordnete durch Urteil vom 22. Juni 2009 wegen hoher Gefährlichkeit des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 2 JGG nachträglich seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an. Sowohl seine gegen die Anordnung der einstweiligen Unterbringung erhobene Beschwerde als auch seine Revision gegen das Urteil blieben erfolglos.
Und der fünfte Beschwerdeführer21 wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen seine einstweilige Unterbringung in der Sicherungsverwahrung:
Der Beschwerdeführer ist wegen zahlreicher schwerer Sexualdelikte, insbesondere wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs von Kindern und sexueller Nötigung vorbestraft und befindet sich seit 1973 – abgesehen von wenigen Monaten in Freiheit – fortlaufend in Haft oder im Maßregelvollzug. Zuletzt wurde er 1990 wegen versuchter Vergewaltigung und wegen Mordes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünfzehn Jahren verurteilt; zugleich wurde seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Letztere wurde 1993 für erledigt erklärt; die Freiheitsstrafe war am 5. August 2009 vollständig vollstreckt. Mit Urteil vom 18. August 2009 ordnete das Landgericht gemäß § 66b Abs. 2 StGB nachträglich die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung an. Seine Revision blieb ohne Erfolg.
Die Argumente der Beschwerdeführer
Sie rügen mit ihren Verfassungsbeschwerden im Wesentlichen eine Verletzung des Verbots der rückwirkenden Bestrafung aus Art. 103 Abs. 2 GG, des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebotes (Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) sowie ihres Freiheitsgrundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG. In diesem Zusammenhang berufen sie sich auf die Entscheidung des EGMR vom 17. Dezember 2009. Die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat es mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 abgelehnt, den Beschwerdeführer im Verfahren 2 BvR 2365/09 im Wege einer einstweiligen Anordnung sofort freizulassen (vgl. die Pressemitteilung
Nr. 142/2009 vom 22. Dezember 2009).
In den Verfassungsbeschwerden wegen nachträglicher Anordnung der Sicherungsverfahren machen die Beschwerdeführer mit ihren Verfassungsbeschwerden zudem eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbots aus Art. 103 Abs. 3 GG geltend. Auch sie berufen sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Dezember 2009.
Keine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Die von zwei der Beschwerdeführer35 zusammen mit der Verfassungsbeschwerde gestellten Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel einer sofortige Entlassung der Beschwerdeführer aus der Sicherungsverwahrung hat das Bundesverfassungsgericht abgelehnt.
Mit Beschluss vom 22. Dezember 2009 hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts den – zusammen mit der Verfassungsbeschwerde gestellten – Antrag des Beschwerdeführers zu I. abgelehnt. Einen entsprechenden Antrag des Beschwerdeführers zu IV. hat die 2. Kammer des Zweiten Senats mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts[↑]
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat jetzt entschieden, dass alle Vorschriften des Strafgesetzbuches und des Jugendgerichtsgesetzes über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG nicht vereinbar sind, weil sie den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots nicht genügen.
Überdies verletzen die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 31. Mai 2013, hat das Bundesverfassungsgericht die weitere Anwendbarkeit der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften angeordnet, und im Wesentlichen folgende Übergangsregelungen getroffen:
- In den sog. Altfällen, in denen die Unterbringung der Sicherungsverwahrten über die frühere Zehnjahresfrist hinaus fortdauert, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung darf die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bzw. deren Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Absatz 1 Nr. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG) leidet. Die Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich das Vorliegen dieser Voraussetzungen der Fortdauer der Sicherungsverwahrung zu prüfen und anderenfalls die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens zum 31. Dezember 2011 anzuordnen.
- Die übrigen Vorschriften über die Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung dürfen während der Übergangszeit nur nach Maßgabe einer strikten Prüfung der Verhältnismäßigkeit angewandt werden, die in der Regel nur gewahrt ist, wenn die Gefahr künftiger schwerer Gewalt- oder Sexualstraftaten des Betroffenen besteht.
Das Bundesverfassungsgericht hat die mit den Verfassungsbeschwerden angefochtenen Entscheidungen, die auf den verfassungswidrigen Vorschriften beruhen, aufgehoben, weil sie die Beschwerdeführer in ihrem Freiheitsgrundrecht und ihren verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzbelangen verletzen, und die Sachen an die Fachgerichte zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Europäische Menschenrechtskonvention und die völkerrechtsfreundliche Auslegung des Grundgesetzes [↑]
Die Rechtskraft der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01 -, durch die die Aufhebung der früher für die Sicherungsverwahrung geltenden zehnjährigen Höchstgrenze und die Anwendung dieser Neuregelung auf die sog. Altfälle für verfassungsgemäß erklärt worden sind, stellt kein der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden entgegenstehendes Prozesshindernis dar. Denn die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthalten, stehen rechtserheblichen Änderungen gleich, die zu einer Überwindung der Rechtskraft einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen können. So verhält es sich hier im Hinblick auf das Urteil des EGMR vom 17. Dezember 2009, durch das dieser festgestellt hat, dass die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung sowohl gegen das Recht auf Freiheit aus Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) als auch gegen das in Art. 7 EMRK normierte Rückwirkungsverbot verstoßen.
Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz. Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind jedoch völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes.
Die völkerrechtsfreundliche Auslegung erfordert keine schematische Angleichung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen ihrer Wertungen, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetztes vereinbar ist.
Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die neue Aspekte für die Auslegung des Grundgesetzes enthalten, stehen rechtserheblichen Änderungen gleich, die zu einer Überwindung der Rechtskraft einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen können.
Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang unter dem Grundgesetz. Die Bestimmungen des Grundgesetzes sind jedoch völkerrechtsfreundlich auszulegen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes36.
Die völkerrechtsfreundliche Auslegung erfordert keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention37.
Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Die Berücksichtigung der Europäischen Menschenrechtskonvention darf nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das „Mehr“ an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger“ für den anderen bedeutet. Die Möglichkeiten einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint.
Soweit zwei der Verfassungsbeschwerden8 mittelbar gegen § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.19987 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB gerichtet sind, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen, dass die Verfassungsmäßigkeit von § 67d Abs. 3 StGB und Art. 1a Abs. 3 EGStGB – dem § 2 Abs. 6 StGB insoweit inhaltlich entspricht – bereits im Tenor des Urteils des Bundesverfassungsgerichts 5. Februar 200438 bestätigt wurde.
Zwar stellt die Rechtskraft einer Vereinbarkeitserklärung im Tenor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf eine erneute Normenkontrolle grundsätzlich ein Prozesshindernis dar39. Das Prozesshindernis entgegenstehender Rechts- und Gesetzeskraft entfällt jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten40. Auch wenn Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als feststellende Judikate keine unmittelbare Änderung der Rechtslage, zumal auf der Ebene des Verfassungsrechts, herbeiführen, können sie gleichwohl für die Auslegung des Grundgesetzes rechtserhebliche Bedeutung erlangen. Soweit verfassungsrechtlich entsprechende Auslegungsspielräume eröffnet sind, versucht das Bundesverfassungsgericht wegen des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, Konventionsverstöße zu vermeiden41. Vor diesem Hintergrund können Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einer rechtserheblichen Änderung gleichstehen.
Die den angefochtenen Entscheidungen zugrunde liegenden, mittelbar angegriffenen Vorschriften sind mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.
Die hier einschlägigen Grundrechte des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sind völkerrechtsfreundlich auszulegen. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht zwar innerstaatlich im Rang eines Bundesgesetzes und damit unter dem Grundgesetz. Sie ist jedoch als Auslegungshilfe bei der Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes heranzuziehen. Dies gilt auch für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Diese verfassungsrechtliche Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beruht auf der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes und seiner inhaltlichen Ausrichtung auf die Menschenrechte. Ihre Heranziehung als Auslegungshilfe verlangt allerdings keine schematische Parallelisierung der Aussagen des Grundgesetzes mit denen der Europäischen Menschenrechtskonvention, sondern ein Aufnehmen der Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention, soweit dies methodisch vertretbar und mit den Vorgaben des Grundgesetzes vereinbar ist.
Der innerstaatliche Rang der Europäischen Menschenrechtskonvention entspricht dem eines Bundesgesetzes. Die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle sind völkerrechtliche Verträge. Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen42. Der Bundesgesetzgeber hat den genannten Übereinkommen jeweils mit förmlichem Gesetz gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zugestimmt43. Damit hat er einen entsprechenden Rechtsanwendungsbefehl erteilt. Innerhalb der deutschen Rechtsordnung stehen die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle – soweit sie für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten sind – im Rang eines Bundesgesetzes44. Ein Beschwerdeführer kann daher vor dem Bundesverfassungsgericht nicht unmittelbar die Verletzung eines in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Menschenrechts mit einer Verfassungsbeschwerde rügen45.
Gleichwohl besitzen die Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verfassungsrechtliche Bedeutung, indem sie die Auslegung der Grundrechte und rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes beeinflussen. Der Konventionstext und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dienen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf der Ebene des Verfassungsrechts als Auslegungshilfen für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite von Grundrechten und rechtsstaatlichen Grundsätzen des Grundgesetzes, sofern dies nicht zu einer – von der Konvention selbst nicht gewollten46 – Einschränkung oder Minderung des Grundrechtsschutzes nach dem Grundgesetz führt47.
Im Rahmen der Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe berücksichtigt das Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auch dann, wenn sie nicht denselben Streitgegenstand betreffen. Dies beruht auf der jedenfalls faktischen Orientierungs- und Leitfunktion, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention auch über den konkret entschiedenen Einzelfall hinaus zukommt48. Die innerstaatlichen Wirkungen der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte erschöpfen sich insoweit nicht in einer aus Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG abzuleitenden und auf die den konkreten Entscheidungen zugrundeliegenden Lebenssachverhalte begrenzten Berücksichtigungspflicht, denn das Grundgesetz will vor dem Hintergrund der zumindest faktischen Präzedenzwirkung der Entscheidungen internationaler Gerichte Konflikte zwischen den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland und dem nationalen Recht nach Möglichkeit vermeiden49. Die Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist damit Ausdruck eines Souveränitätsverständnisses, das einer Einbindung in inter- und supranationale Zusammenhänge sowie deren Weiterentwicklung nicht nur nicht entgegensteht, sondern diese voraussetzt und erwartet. Vor diesem Hintergrund steht auch das „letzte Wort“ der deutschen Verfassung einem internationalen und europäischen Dialog der Gerichte nicht entgegen, sondern ist dessen normative Grundlage.
Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte als Auslegungshilfe auf der Ebene des Verfassungsrechts über den Einzelfall hinaus dient dazu, den Garantien der Menschenrechtskonvention in der Bundesrepublik Deutschland möglichst umfassend Geltung zu verschaffen, und kann darüber hinaus Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland vermeiden helfen. Die inhaltliche Ausrichtung des Grundgesetzes auf die Menschenrechte kommt insbesondere in dem Bekenntnis des deutschen Volkes zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 GG zum Ausdruck. Das Grundgesetz weist mit Art. 1 Abs. 2 GG dem Kernbestand an Menschenrechten einen besonderen Schutz zu. Dieser ist in Verbindung mit Art. 59 Abs. 2 GG die Grundlage für die verfassungsrechtliche Pflicht, auch bei der Anwendung der deutschen Grundrechte die Europäische Menschenrechtskonvention in ihrer konkreten Ausgestaltung als Auslegungshilfe heranzuziehen. Art. 1 Abs. 2 GG ist daher zwar kein Einfallstor für einen unmittelbaren Verfassungsrang der Europäischen Menschenrechtskonvention, die Vorschrift ist aber mehr als ein unverbindlicher Programmsatz, indem sie eine Maxime für die Auslegung des Grundgesetzes vorgibt und verdeutlicht, dass die Grundrechte auch als Ausprägung der Menschenrechte zu verstehen sind und diese als Mindeststandard in sich aufgenommen haben50.
Die Heranziehung der Europäischen Menschenrechtskonvention als Auslegungshilfe für die Bestimmungen des Grundgesetzes ist – wie die Europäische Menschenrechtskonvention selbst im Hinblick auf ihre innerstaatliche Durchsetzung – ergebnisorientiert: Sie zielt nicht auf eine schematische Parallelisierung einzelner verfassungsrechtlicher Begriffe, sondern dient der Vermeidung von Völkerrechtsverletzungen. Die Beseitigung oder Vermeidung einer Völkerrechtsverletzung wird zwar vielfach leichter zu erreichen sein, wenn das innerstaatliche Recht mit der Konvention harmonisiert wird. Völkerrechtlich betrachtet ist das jedoch nicht zwingend: Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen51.
Vor diesem Hintergrund gilt auch für die völkerrechtsfreundliche Auslegung der Begriffe des Grundgesetzes ähnlich wie für eine verfassungsvergleichende Auslegung, dass Ähnlichkeiten im Normtext nicht über Unterschiede, die sich aus dem Kontext der Rechtsordnungen ergeben, hinwegtäuschen dürfen: Die menschenrechtlichen Gehalte des jeweils in Rede stehenden völkerrechtlichen Vertrags müssen im Rahmen eines aktiven (Rezeptions-)Vorgangs in den Kontext der aufnehmenden Verfassungsordnung „umgedacht“ werden52.
Grenzen der völkerrechtsfreundlichen Auslegung ergeben sich aus dem Grundgesetz. Sie darf zunächst nicht dazu führen, dass der Grundrechtsschutz nach dem Grundgesetz eingeschränkt wird; das schließt auch die Europäische Menschenrechtskonvention selbst aus (vgl. Art. 53 EMRK53). Dieses Rezeptionshemmnis kann vor allem in mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen relevant werden, in denen das „Mehr“ an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger“ für einen anderen bedeutet54. Die Möglichkeiten einer konventionsfreundlichen Auslegung enden dort, wo diese nach den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und Verfassungsinterpretation nicht mehr vertretbar erscheint55.
Im Übrigen ist auch im Rahmen der konventionsfreundlichen Auslegung des Grundgesetzes – ebenso wie bei der Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf der Ebene des einfachen Rechts – die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte möglichst schonend in das vorhandene, dogmatisch ausdifferenzierte nationale Rechtssystem einzupassen56, weshalb sich eine unreflektierte Adaption völkerrechtlicher Begriffe verbietet. In der Perspektive des Grundgesetzes kommt insbesondere – gerade wenn ein autonom gebildeter Begriff des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bei textlich ähnlichen Garantien anders ausfällt als der entsprechende Begriff des Grundgesetzes – das Verhältnismäßigkeitsprinzip als verfassungsimmanenter Grundsatz in Betracht, um Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu berücksichtigen: „Heranziehung als Auslegungshilfe“ kann vor diesem Hintergrund bedeuten, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen57.
Verletzung des Freiheitsgrundrechts – Abstandsgebot[↑]
Der in der Sicherungsverwahrung liegende schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrunde liegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen. Die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung erfüllen nicht die verfassungsrechtlichen (Mindest-)Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs.
Die grundlegend unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung erfordern einen deutlichen Abstand des Freiheitsentzugs durch Sicherungsverwahrung zum Strafvollzug (sog. Abstandsgebot). Während die Freiheitsstrafe der Vergeltung schuldhaft begangener Straftaten dient, verfolgt der Freiheitsentzug des Sicherungsverwahrten allein präventive Zwecke, nämlich die Verhinderung zukünftiger Straftaten. Er beruht nur auf einer Gefährlichkeitsprognose und legt dem Betroffenen im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auf. Die Sicherungsverwahrung ist daher nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren“ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Hierzu bedarf es eines Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren. Die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit muss sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmen. Diese freiheitsorientierte Wahrung des Abstandsgebots trägt auch den Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 EMRK Rechnung, der in seinem Urteil vom 17. Dezember 2009 der Sicherungsverwahrung aufgrund des fehlenden Abstands zum Strafvollzug Strafcharakter beigemessen und auf die Notwendigkeit besonderer individueller Unterstützung des Sicherungsverwahrten abgestellt hat.
Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Dieses muss zumindest folgende Aspekte umfassen: Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet und vollzogen werden. Etwa erforderliche therapeutische Behandlungen müssen schon während des vorangehenden Strafvollzugs so zeitig beginnen und intensiv durchgeführt werden, dass sie möglichst schon vor dem Strafende abgeschlossen werden. Spätestens zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hat eine umfassende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden, auf deren Grundlage ein Vollzugsplan zu erstellen und eine intensive therapeutische Betreuung des Sicherungsverwahrten durch qualifizierte Fachkräfte stattzufinden hat, die eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet. Hierzu ist die Mitwirkung des Betroffenen durch gezielte Motivationsarbeit zu fördern. Das Leben in der Sicherungsverwahrung ist, um ihrem spezialpräventiven Charakter Rechnung zu tragen, den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen. Dies erfordert zwar keine vollständige räumliche Loslösung vom Strafvollzug, aber eine davon getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden und Abteilungen, die den therapeutischen Erfordernissen entsprechen, familiäre und soziale Außenkontakte ermöglichen und über ausreichende Personalkapazitäten verfügen. Ferner muss das gesetzliche Konzept der Sicherungsverwahrung Vorgaben zu Vollzugslockerungen und zur Entlassungsvorbereitung enthalten. Dem Untergebrachten muss zudem ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung der seine Gefährlichkeit reduzierenden Maßnahmen eingeräumt werden. Schließlich ist die Fortdauer der Sicherungsverwahrung in mindestens jährlichen Abständen gerichtlich zu prüfen.
Diesen Anforderungen genügen die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung und folglich auch deren tatsächlicher Vollzug nicht. Vielmehr hat der Gesetzgeber die Sicherungsverwahrung immer mehr ausgeweitet, ohne dem bereits im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004 konkretisierten Abstandsgebot Rechnung zu tragen. Das Institut der Sicherungsverwahrung ist ohne Wahrung des Abstandsgebots insgesamt mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht zu vereinbaren. Bundes- und Landesgesetzgeber stehen gemeinsam in der Pflicht, ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln, das keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen bestimmt.
Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen. Dabei sind auch die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK zu berücksichtigen.
Die Sicherungsverwahrung ist nur zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren“ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug („Abstandsgebot“58 – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.
Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben. Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen determiniert.
Die Ausgestaltung des Abstandsgebots muss bestimmten verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen genügen.
Der in der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und in der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises ist angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig. Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 EMRK verstärkt.
§ 66b Abs. 2, § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind – unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe – mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs.1 Satz 1 GG unvereinbar.
Die Vorschriften tasten dieses Grundrecht zwar nicht in seinem Wesensgehalt an59. Sie genügen jedoch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht. Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen. Die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung gewährleisten strukturell die Wahrung der verfassungsrechtlichen (Mindest-)Anforderungen an die Ausgestaltung des Vollzugs nicht.
Der in der Sicherungsverwahrung liegende, schwerwiegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung und unter Wahrung strenger Anforderungen an die zugrundeliegenden Entscheidungen und die Ausgestaltung des Vollzugs zu rechtfertigen.
Die Freiheit der Person nimmt – als Grundlage und Voraussetzung der Entfaltungsmöglichkeiten des Bürgers – einen hohen Rang unter den Grundrechten ein. Das kommt darin zum Ausdruck, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG sie als „unverletzlich“ bezeichnet, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ihre Beschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes zulässt und Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG besondere Verfahrensgarantien statuiert60. Präventive Eingriffe in das Freiheitsgrundrecht, die – wie die Sicherungsverwahrung – nicht dem Schuldausgleich dienen, sind nur zulässig, wenn der Schutz hochwertiger Rechtsgüter dies unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erfordert. Dem Freiheitsanspruch des Untergebrachten ist das Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit entgegenzuhalten; beide sind im Einzelfall abzuwägen61. Dabei müssen die Grenzen der Zumutbarkeit gewahrt bleiben; das Freiheitsgrundrecht der Betroffenen ist sowohl auf der Ebene des Verfahrensrechts als auch materiellrechtlich abzusichern62. Das Bundesverfassungsgericht hält insoweit an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Sicherungsverwahrung im Sinne der §§ 66 ff. StGB, wie sie bereits in dem Urteil vom 5. Februar 2004 dargelegt wurden63, fest.
Die prozeduralen und materiellrechtlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips64 gelten in gleicher Weise für die Sicherungsverwahrung im Jugendstrafrecht gemäß § 7 Abs. 2 JGG. Auch in diesem Zusammenhang beseitigen die bestehenden Unsicherheiten der Prognose, die Grundlage der Unterbringung ist, weder die Eignung noch die Erforderlichkeit des Freiheitseingriffs, sie haben aber Auswirkungen auf die Mindestanforderungen an Prognosegutachten und deren Bewertung im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot65. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, lässt sich für die Tauglichkeit von Gefährlichkeitsprognosen für Jugendliche und Heranwachsende keine klare Altersgrenze benennen, unterhalb derer eine Prognoseentscheidung bei dieser Personengruppe von vornherein ausgeschlossen wäre. Die Tauglichkeit einer Prognose – die das Gericht auf der Grundlage eines mit Blick auf das junge Alter des Betreffenden besonders qualifizierten ärztlichen Gutachtens eigenständig zu treffen hat66 – hängt vielmehr von dem individuellen Entwicklungsverlauf des Betreffenden ab, auf den jeweils besonderes Augenmerk zu legen ist. Trotz der damit verbundenen besonderen Schwierigkeiten können daher grundsätzlich auch für jugendliche und heranwachsende Straftäter unter Berücksichtigung ihres Entwicklungspotentials Gefährlichkeitsprognosen erstellt werden, die eine taugliche Grundlage für die Entscheidung über die (nachträgliche) Anordnung der Sicherungsverwahrung bilden; insbesondere können bestimmte psychische Störungen bereits in relativ jungem Alter diagnostizierbar sein. So hat der in der mündlichen Verhandlung angehörte Sachverständige Prof. Dr. Dittmann dargelegt, dass namentlich schwere sexuelle Devianzen schon in vergleichsweise jungem Alter diagnostizierbar sind.
Darüber hinaus veranlassen die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK, die ohnehin geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung eines schuldunabhängigen präventiven Freiheitsentzugs, der sich von einer „Strafe“ qualitativ unterscheidet, zu präzisieren (sog. Abstandsgebot).
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Urteil vom 5. Februar 2004 ausgeführt, dass nicht die Schuld, sondern die in der Tat zutage getretene Gefährlichkeit bestimmend ist für Anordnung, zeitliche Dauer und vor allem die Ausgestaltung der Maßregel der Sicherungsverwahrung67. Die Anlasstat ist bloßer Anknüpfungspunkt für das Merkmal der „Gefährlichkeit“ im Sinne der Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung, nicht deren Grund. Nach der Konzeption, die dem zweispurigen Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs zugrunde liegt, dient der Freiheitsentzug des Sicherungsverwahrten nicht der Vergeltung zurückliegender Rechtsgutsverletzungen, sondern der Verhinderung zukünftiger Straftaten, deren Eintritt sich zwar sorgfältig, aber regelmäßig nicht sicher prognostizieren lässt. Der in der Sicherungsverwahrung liegende Eingriff in das Freiheitsgrundrecht ist daher auch deshalb äußerst schwerwiegend, weil er ausschließlich präventiven Zwecken dient und dem Betroffenen – da der Freiheitsentzug stets nur auf einer Gefährlichkeitsprognose, nicht aber auf dem Beweis begangener Straftaten beruht – im Interesse der Allgemeinheit gleichsam ein Sonderopfer auferlegt. Die Sicherungsverwahrung ist daher überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der „äußeren“ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht. Die Freiheitsentziehung ist – in deutlichem Abstand zum Strafvollzug („Abstandsgebot“58) – so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt. Hierzu bedarf es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.
Gemäß Art. 7 Abs. 1 EMRK darf niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war; es darf auch keine „schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe“ verhängt werden. Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 200968 verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt69, so dass auch die nachträgliche Verlängerung die Auferlegung einer zusätzlichen „Strafe“ darstellt, die gegen den Untergebrachten nachträglich nach einem Gesetz verhängt wurde, das erst in Kraft getreten war, nachdem er seine Straftat begangen hatte70. Zur Begründung des Strafcharakters der Sicherungsverwahrung verweist die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge habe und in regulären Justizvollzugsanstalten vollzogen werde. Auch sei mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Insbesondere sei festzustellen, dass es anscheinend keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei71. Diese Wertung hat Einfluss nicht nur auf die Auslegung des Vertrauensschutzgebots, sondern auch auf die allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung.
Das Abstandsgebot beruht auf den unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung:
Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung unterscheiden sich grundlegend in ihrer verfassungsrechtlichen Legitimation. Die Berechtigung des Staates, Freiheitsstrafen zu verhängen und zu vollziehen, beruht wesentlich auf der schuldhaften Begehung der Straftat. Nur weil der Täter in vorwerfbarer Weise Unrecht begangen hat, darf er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und deren Vollzug unterworfen werden. Dem liegt das Menschenbild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde, dem mit dem in der Menschenwürde wurzelnden Schuldprinzip Rechnung zu tragen ist72. Das Schuldprinzip begrenzt in seiner strafzumessungsleitenden Funktion die Dauer der Freiheitsstrafe auf das der Tatschuld Angemessene. Die Schuld ist einer der legitimierenden Gründe und äußerste Grenze der Anordnung und des Vollzugs der Freiheitsstrafe. Die Berechtigung zur Anordnung und zum Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln wie der Sicherungsverwahrung folgt demgegenüber aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses73. Anordnung und Vollzug sind nur dann legitim, wenn das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Betroffenen im Einzelfall überwiegt74.
Der Zweck der Freiheitsstrafe besteht dementsprechend vornehmlich in einer repressiven Übelszufügung als Reaktion auf schuldhaftes Verhalten, welche – jenseits anderer denkbarer zusätzlicher Strafzwecke, die die Verfassung nicht ausschließt – dem Schuldausgleich dient75. Dagegen liegt der Zweck der Maßregel allein in der zukünftigen Sicherung der Gesellschaft und ihrer Mitglieder vor einzelnen, aufgrund ihres bisherigen Verhaltens als hochgefährlich eingeschätzten Tätern.
Die kategorial unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen und Zwecksetzungen des Vollzugs der Freiheitsstrafe und des Vollzugs der Sicherungsverwahrung führen insbesondere zu Differenzierungen auf zwei Ebenen:
Da sich der Maßregelvollzug allein aus dem Prinzip des überwiegenden Interesses rechtfertigt, muss er umgehend beendet werden, wenn die Schutzinteressen der Allgemeinheit das Freiheitsrecht des Untergebrachten nicht länger überwiegen. Dabei trifft den Staat die Verpflichtung, im Vollzug von Anfang an geeignete Konzepte bereitzustellen, um die Gefährlichkeit des Verwahrten nach Möglichkeit zu beseitigen.
Die Vollzugsmodalitäten sind außerdem an der Leitlinie zu orientieren, dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind. Das Resozialisierungsgebot, dem das Bild des Grundgesetzes von einem zu freier Selbstbestimmung befähigten Menschen zugrunde liegt76, gilt gleichermaßen für den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung77. Dies mag der Ausfüllung des Abstandsgebots gewisse faktische Grenzen setzen, ändert aber nichts an der Verschiedenartigkeit der Zielsetzungen von Strafhaft und Sicherungsverwahrung. Das gesamte System der Sicherungsverwahrung ist so auszugestalten, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Praxis der Unterbringung bestimmt.
Eine freiheitsorientierte Wahrung des Abstandsgebots trägt auch den Wertungen Rechnung, die der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 7 Abs. 1 EMRK zugrunde liegen. Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass angesichts der unbestimmten Dauer der Sicherungsverwahrung besondere Anstrengungen zur Unterstützung der Untergebrachten erforderlich seien, die in der Regel nicht in der Lage seien, durch eigene Bemühungen Fortschritte in Richtung Entlassung zu erzielen. Notwendig seien ein hohes Maß an Betreuung durch ein multidisziplinäres Team sowie intensive und individuelle Arbeit mit den Untergebrachten anhand unverzüglich zu erstellender, individueller Pläne. Dies müsse in einem kohärenten Rahmen stattfinden, der Fortschritte in Richtung Entlassung ermögliche, wobei die Entlassung eine realistische Möglichkeit sein solle78.
Das verfassungsrechtliche Abstandsgebot ist für alle staatliche Gewalt verbindlich und richtet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem aufgegeben ist, ein entsprechendes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben79. Der Gesetzgeber ist dabei von Verfassungs wegen nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festgelegt, sondern er verfügt über einen Gestaltungsspielraum, den er unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse auszufüllen hat80. Die zentrale Bedeutung, die diesem Konzept für die Verwirklichung des Freiheitsrechts des Untergebrachten zukommt, gebietet jedoch eine gesetzliche Regelungsdichte, die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert81.
Das durch den Gesetzgeber auszugestaltende Regelungskonzept für die Sicherungsverwahrung muss daher umfassend als Gesamtkonzept ausgestaltet sein und zumindest folgende Aspekte umfassen:
Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen. Diesem ultima-ratio-Prinzip bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung folgt der Gedanke, dass auch der Vollzug diesem Prinzip entsprechen muss. Kommt Sicherungsverwahrung in Betracht, müssen schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren. Insbesondere muss gewährleistet sein, dass etwa erforderliche psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen, die oftmals auch bei günstigem Verlauf mehrere Jahre in Anspruch nehmen, zeitig beginnen, mit der gebotenen hohen Intensität durchgeführt und möglichst vor dem Strafende abgeschlossen werden (ultima-ratio-Prinzip).
Spätestens zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hat unverzüglich eine umfassende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden. Dabei sind die individuellen Faktoren, die für die Gefährlichkeit des Untergebrachten maßgeblich sind, eingehend zu analysieren. Auf dieser Grundlage ist ein Vollzugsplan zu erstellen, aus dem sich detailliert ergibt, ob und gegebenenfalls mit welchen Maßnahmen vorhandene Risikofaktoren minimiert oder durch Stärkung schützender Faktoren kompensiert werden können, um die Gefährlichkeit des Untergebrachten zu mindern, dadurch Fortschritte in Richtung einer Entlassung zu ermöglichen und dem Untergebrachten eine realistische Perspektive auf Wiedererlangung der Freiheit zu eröffnen. In Betracht zu ziehen sind etwa berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen sowie Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen und familiären Verhältnisse und zur Vorbereitung eines geeigneten sozialen Empfangsraums. Der Vollzugsplan ist fortlaufend zu aktualisieren und der Entwicklung des Untergebrachten anzupassen. Die plangemäß gebotenen Maßnahmen sind zügig und konsequent umzusetzen. Hierzu bedarf es einer individuellen und intensiven Betreuung des Untergebrachten durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte82. Insbesondere im therapeutischen Bereich müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden. Dabei muss – insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer – sichergestellt sein, dass mögliche Therapien nicht nur deshalb unterbleiben, weil sie im Hinblick auf Aufwand und Kosten über das standardisierte Angebot der Anstalten hinausgehen (Individualisierungs- und Intensivierungsgebot).
Die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung kann schwerwiegende psychische Auswirkungen haben, den Untergebrachten demotivieren und ihn in Lethargie und Passivität führen. Dem ist zunächst durch ein Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen, das nach Möglichkeit eine realistische Entlassungsperspektive eröffnet83. Darüber hinaus ist die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern. Unterstützend könnte insofern ein Anreizsystem wirken, das aktive Mitarbeit mit besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten honoriert oder auch solche entzieht, um Motivation und Mitarbeit zu erreichen (Motivierungsgebot).
Die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens hat dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung zu tragen und muss einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen. Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen. Dies erfordert zwar eine vom Strafvollzug getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen, aber keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug (Trennungsgebot). Wie der Sachverständige Rösch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht erläutert hat, kann eine Anbindung an große Einrichtungen sinnvoll sein, um deren Infrastruktur und Sicherheitsmanagement nutzbar machen und ein differenziertes Arbeits- und Freizeitangebot gewährleisten zu können, das den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Untergebrachten hinreichend Rechnung trägt. Die Gegebenheiten innerhalb der Einrichtung müssen den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten. Ferner muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.
Vollzugslockerungen zum Zwecke der Erprobung sind von besonderer Bedeutung für die Prognose, weil sie deren Basis erweitern und stabilisieren; sie können eine Erledigung der Sicherungsverwahrung vorbereiten. Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. So muss sichergestellt werden, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund – etwa auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr – versagt werden können84. Sind unbeaufsichtigte Lockerungen wie Freigang, Ausgang oder Urlaub gleichwohl nicht möglich, müssen begleitete Ausführungen gewährt werden; diese können nur dann unterbleiben, wenn sie trotz der Beaufsichtigung des Untergebrachten zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren führen. Um sicherzustellen, dass Lockerungsentscheidungen auf der Grundlage objektiver, realistischer Risikobewertungen getroffen werden, und der Gefahr übervorsichtiger oder voreingenommener Beurteilungen vorzubeugen, kann sich zum Beispiel die Einrichtung unabhängiger Gremien aus vollzugserfahrenen Fachleuten anbieten, die – etwa nach dem Vorbild der Schweizer Fachkommissionen zur Überprüfung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern85 – beratend tätig werden und entsprechende Empfehlungen aussprechen können. Die Entlassungsvorbereitung ist mit planmäßigen Hilfen für die Phase nach der Entlassung zu verzahnen. Insbesondere muss ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen (forensische Ambulanzen, Einrichtungen des betreuten Wohnens u.ä.) gewährleistet sein, die entlassene Untergebrachte aufnehmen, die erforderliche Betreuung sicherstellen und damit einen geeigneten sozialen Empfangsraum bieten können (Minimierungsgebot).
Dem Untergebrachten muss ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung der Maßnahmen eingeräumt werden, die zur Reduktion seiner Gefährlichkeit geboten sind. Ihm sind ein geeigneter Beistand beizuordnen oder andere Hilfestellungen anzubieten, die ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstützen (Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot).
Verfahrensrechtlich muss gewährleistet sein, dass die Fortdauer der Sicherungsverwahrung in mindestens jährlichen Abständen gerichtlich überprüft wird. Die Vollzugsbehörde hat der zuständigen Strafvollstreckungskammer regelmäßig Sachstandsbericht zu erstatten. Ergeben sich Anhaltspunkte für die Aussetzungsreife der Maßregel, ist von Amts wegen unverzüglich eine gesonderte Überprüfung durchzuführen (Kontrollgebot). Die strengere Kontrolle durch die Gerichte trägt dem allein präventiven Charakter der Maßregel Rechnung. Sie ist mit zunehmender Dauer des Vollzugs weiter zu intensivieren. Das gilt sowohl für die Zeitdauer der Intervalle zwischen den gerichtlichen Überprüfungen als auch für die von Amts wegen erforderliche Kontrolle der Vollzugsbehörden und die qualitativen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf deren inhaltliche Substantiierung86.
Diesen Anforderungen genügen die vorhandenen Regelungen über die Sicherungsverwahrung nicht.
Seit 1998 hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Einführung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung vom 21.08.20029, das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27.12. 200310, das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23.07.200415, das Gesetz zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.04.200717 und das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 08.07.200822 die Sicherungsverwahrung immer mehr ausgeweitet, ohne jedoch – entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 5. Februar 200487 – ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept für die Unterbringung zu entwickeln, das dem Abstandsgebot gerecht geworden wäre. Das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 201030 revidiert diese Entwicklung ansatzweise in § 2 ThUG. Weiterhin gilt aber die alte Rechtslage, wenn die jeweilige Anlasstat vor dem 1. Januar 2011 begangen worden ist (Art. 316e Abs. 1 EGStGB).
Das Strafvollzugsgesetz des Bundes, das nach dem Wegfall der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Bereich des Strafvollzugs im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 200688 in den meisten Bundesländern noch gemäß Art. 125a Abs. 1 GG fortgilt, enthält ebenso wie die Strafvollzugsgesetze der Länder Bayern, Hamburg und Hessen, das baden-württembergische Justizvollzugsgesetzbuch und das niedersächsische Justizvollzugsgesetz nur rudimentäre Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung, die Randbereiche wie Ausstattung der Hafträume, Kleidung und Taschengeld betreffen, und erklärt im Übrigen die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe für entsprechend anwendbar (§§ 129 ff. StVollzG). Diese Vorschriften sind ungeeignet, die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots zu erfüllen. Sie eröffnen in wesentlichen Kernbereichen – hinsichtlich Behandlung, Betreuung und Motivation des Untergebrachten und der Gewährung von Vollzugslockerungen – zu weite Beurteilungs- und Ermessensspielräume, ohne das Handeln der Vollzugsanstalten durch klare normative Vorgaben wirksam auf einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug der Sicherungsverwahrung zu verpflichten. Hinsichtlich des vorangehenden Strafvollzugs fehlt es an Regelungen zur Vermeidung der Sicherungsverwahrung. Vor allem ist die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt nur bei bestimmten Sexualdelikten zwingend vorgeschrieben (§ 9 Abs. 1 StVollzG), im Übrigen steht sie – auch bei angeordneter Sicherungsverwahrung – im Ermessen der Vollzugsanstalt und bedarf zudem der Zustimmung des Leiters der sozialtherapeutischen Anstalt (§ 9 Abs. 2 StVollzG). Eine räumliche Trennung der Unterbringung vom Strafvollzug ist ebenso wenig vorgeschrieben wie die Beiordnung eines Beistands. Hinzu treten weitere normative Defizite. Das normative Gesamtkonzept muss zum Vollzug der Maßregel qualitative Anforderungen an die personelle und sachliche Ausstattung enthalten, die vom Landeshaushaltsgesetzgeber Beachtung verlangen und der Exekutive keine wesentlichen Gestaltungsspielräume überlassen. Ferner ist die gesetzliche Höchstfrist für die Überprüfung der Sicherungsverwahrung – abgesehen von der Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht, für die jährliche Regelüberprüfungen vorgesehen sind (§ 7 Abs. 4 JGG) – in § 67e Abs. 2 StGB mit zwei Jahren zu lang bemessen.
Auch wegen des normativen Defizits trägt der tatsächliche Vollzug der Sicherungsverwahrung den aus dem Abstandsgebot folgenden Anforderungen nicht hinreichend Rechnung, wie neuere wissenschaftliche Erkenntnisse belegen und die Anhörung der Sachverständigen Rösch und Prof. Dr. Dessecker in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat. Dabei bestehen Defizite nicht nur während der Sicherungsverwahrung als solcher. Bereits in dem der Sicherungsverwahrung vorangehenden Strafvollzug zeigen sich erhebliche Mängel, die Auswirkungen auf Vollzug und Dauer der Sicherungsverwahrung und damit auf die Chance zur Wiedererlangung der Freiheit haben. Hinzu kommt, dass es vielerorts an einer ausreichenden Entlassungsvorbereitung und Schaffung eines geeigneten sozialen Empfangsraums fehlt, der den Untergebrachten nach seiner Entlassung aufnehmen kann.
Die psychologische oder psychiatrische Betreuung der Sicherungsverwahrten ist in der Praxis unzureichend. Studien zufolge befinden sich durchschnittlich nur etwa 30 % der Sicherungsverwahrten in einer Therapie, obwohl der Anteil der Untergebrachten mit einer behandlungsbedürftigen Auffälligkeit mit 79,3 % deutlich höher liegt89. Die Ursache hierfür kann nur begrenzt der Sphäre der Betroffenen zugerechnet werden. Zurückzuführen ist die geringe Anzahl der in therapeutischer Behandlung befindlichen Sicherungsverwahrten gerade auch auf eine unzureichende personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtungen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass eine erfolgreiche freiheitsorientierte therapeutische Behandlung regelmäßig einen erhöhten personellen Aufwand, etwa auch für die Motivation Therapieunwilliger, erfordern wird90.
Obwohl Vollzugspraktiker in den Therapiemöglichkeiten der sozialtherapeutischen Anstalten ein großes Potential sehen, den Sicherungsverwahrten die Chance auf eine Wiedererlangung der Freiheit zu geben und eine lebenslange Verwahrung zu verhindern, bestehen erhebliche Probleme bei der Unterbringung von Sicherungsverwahrten in sozialtherapeutischen Einrichtungen. Dies ist zum einen dadurch bedingt, dass häufig nicht genügend Plätze für Sicherungsverwahrte in den sozialtherapeutischen Anstalten vorhanden sind. Zum anderen besteht mancherorts eine äußerst geringe Bereitschaft der sozialtherapeutischen Einrichtungen, Sicherungsverwahrte aufzunehmen91. Besonders anschaulich wird dies an der geringen Zahl der in einer sozialtherapeutischen Einrichtung befindlichen Betroffenen: Im März 2010 befanden sich von insgesamt 536 Personen, bei denen eine Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nur 83 Personen in der Sozialtherapie92. Hinzu kommt, dass eine gemeinsame sozialtherapeutische Behandlung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen oftmals nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten zugeschnitten ist und daher nicht selten Fehlentwicklungen auslöst91.
Überdies wird während der Strafhaft solcher Strafgefangener, bei denen bereits im Urteil die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet wurde, nicht in ausreichendem Umfang auf eine Aussetzung des Maßregelvollzugs zur Bewährung hingearbeitet. Obwohl § 67c Abs. 1 StGB für den Fall des nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe liegenden Beginns einer Maßregel eine erneute Prüfung vorschreibt, ob der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert, verstreicht die Zeit des Strafvollzugs für die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung häufig ungenutzt. So werden den Betroffenen zum einen Vollzugslockerungen wie Ausgang und Urlaub oder die Unterbringung im offenen Vollzug regelmäßig nicht gewährt. Zum anderen werden die Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsverwahrung von den Anstalten häufig nicht oder nur zweitrangig zu den notwendigen Therapien zugelassen93. Gerade der frühzeitige Beginn einer Therapie – bereits in der Strafhaft – ist jedoch entscheidend, um die anschließende Sicherungsverwahrung zu vermeiden oder zumindest so kurz wie möglich zu halten.
Darüber hinaus wird von der Möglichkeit der Gewährung von Vollzugslockerungen, die gerade auch der Vorbereitung der Entlassung dienen und zudem von besonderer Bedeutung im Hinblick auf die Prognose hinsichtlich der Gefährlichkeit des Betroffenen sind94, nur äußerst restriktiv Gebrauch gemacht. Vor allem unbegleitet durchgeführte Maßnahmen wie Ausgang, Freigang und Urlaub werden nur in den seltensten Fällen gewährt95.
Eine weitere Hürde, die der Entlassung des Sicherungsverwahrten entgegensteht, ist schließlich, dass es häufig an strukturierten Kooperationen der Anstalten mit Nachsorgeeinrichtungen sowie der Schaffung eines gesicherten sozialen Empfangsraums nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlt. So besteht insbesondere ein deutlicher Mangel an Plätzen in betreuten Wohneinrichtungen, in die der Sicherungsverwahrte nach der Entlassung aufgenommen werden kann96. Ferner bestehen Probleme beim Übergang der Behandlung vom Vollzug in spätere ambulante Therapien. Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, ist daher insbesondere der Aufbau von Netzwerken und geeigneten Organisationsstrukturen vonnöten, um eine durchgängige nachsorgende Betreuung des entlassenen Sicherungsverwahrten gewährleisten zu können.
Das Fehlen eines dem verfassungsrechtlichen Abstandsgebot entsprechenden gesetzlichen Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung führt zur Verfassungswidrigkeit der mittelbar angegriffenen Vorschriften. Der Gesetzgeber darf Regelungen über die Anordnung und Dauer dieser Maßregel von Verfassungs wegen nur als integrale Bestandteile eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts treffen. Insbesondere entspricht es nicht dem hohen Rang des Freiheitsrechts, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung isoliert gestattet wird, obwohl die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung dieser Maßregel aufgrund eines normativen Regelungsdefizits strukturell nicht gewahrt sind. Die Betroffenen werden gleichsam „sehenden Auges“ einer verfassungswidrigen Freiheitsentziehung unterworfen.
Aus Sicht des Freiheitsschutzes spielt es insoweit keine Rolle, dass der Bundesgesetzgeber seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 nicht mehr über die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug verfügt. Wenn er sich im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG für ein zweispuriges Sanktionensystem und den Einsatz einer so einschneidenden freiheitsentziehenden Maßnahme wie der Sicherungsverwahrung entscheidet, muss er die wesentlichen Leitlinien des freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts, das der Sicherungsverwahrung von Verfassungs wegen zugrundezulegen ist, selbst regeln und sicherstellen, dass diese konzeptionelle Ausrichtung der Sicherungsverwahrung nicht durch landesrechtliche Regelungen unterlaufen werden kann.
Bundes- und Landesgesetzgeber stehen gemeinsam in der Pflicht, ein normatives Regelungskonzept zu schaffen, welches den dargelegten Anforderungen genügt. Ihre Aufgabe ist es, unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Kompetenzgefüges ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln. Dabei ist der Bundesgesetzgeber angesichts seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für den Bereich des Strafrechts nach § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG darauf beschränkt – aber, wenn er am Institut der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festhalten will, auch gehalten – die wesentlichen Leitlinien vorzugeben. Vorgaben in diesem Sinn finden sich etwa in § 2 ThUG. Darüber hinaus ist er zuständig für die Regelungen zur gerichtlichen Überprüfung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung und für Verfahrensvorschriften. Die Landesgesetzgeber wiederum haben im Rahmen ihrer Gesetzgebungszuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten. Dabei ist vor allem sicherzustellen, dass die genannten Anforderungen nicht durch Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft. Ohne Wahrung des Abstandsgebots ist das Institut der Sicherungsverwahrung mit dem Freiheitsgrundrecht der Untergebrachten nicht vereinbar.
Verletzung des Vertrauensschutzgebotes[↑]
Zudem verletzten die mit den Verfassungsbeschwerden angegriffenen Vorschriften zur nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus und zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
Die Vorschriften enthalten einen schwerwiegenden Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (in den sog. Altfällen) bzw. auf ein Unterbleiben der Anordnung der Sicherungsverwahrung (in den Fällen ihrer nachträglichen Anordnung). Angesichts des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in das Freiheitsgrundrecht kommt den betroffenen Vertrauensschutzbelangen verfassungsrechtlich ein besonders hohes Gewicht zu, das durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention noch verstärkt wird. Nach der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK hat der unzureichende Abstand des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von dem der Freiheitsstrafe zur Folge, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert. Des Weiteren sind auf Seiten der betroffenen Sicherungsverwahrten die Wertungen von Art. 5 EMRK zu berücksichtigen. Danach kommt – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR – eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den hier in Rede stehenden Fällen der nachträglich verlängerten bzw. angeordneten Sicherungsverwahrung praktisch nur unter den Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht. Die Vorschrift verlangt das Vorliegen einer zuverlässig nachgewiesenen und fortdauernden psychischen Störung. Die gesetzlichen Regelungen müssen ihre Feststellung als ausdrückliche Tatbestandsvoraussetzung vorsehen. Die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung setzt zudem eine Ausgestaltung der Unterbringung des Betroffenen voraus, die der Tatsache Rechnung trägt, dass er aufgrund einer psychischen Störung untergebracht ist.
Unter Berücksichtigung dieser Wertungen und in Anbetracht des erheblichen Eingriffs in das Vertrauen der in ihrem Freiheitsgrundrecht betroffenen Sicherungsverwahrten tritt der legitime gesetzgeberische Zweck der angegriffenen Vorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen des betroffenen Personenkreises zurück. Eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung kann daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK erfüllt sind. Lediglich in solchen Ausnahmefällen kann noch von einem Überwiegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen ausgegangen werden. Diesen Anforderungen genügen die hier in Rede stehenden Vorschriften nicht. Sie können auch nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist.
§ 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB – soweit er zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus auch bei Verurteilten ermächtigt, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26.01.19987 begangen wurden – sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG sind darüber hinaus auch mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.
Der mit den zur Überprüfung gestellten Vorschriften verbundene Eingriff in das Vertrauen des betroffenen Personenkreises auf ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (§ 67d Abs. 3 StGB) beziehungsweise in das Vertrauen auf ein Unterbleiben der Anordnung einer Sicherungsverwahrung (§ 66b StGB; § 7 Abs. 2 JGG) ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Freiheitsrecht dieses Personenkreises (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchster Verfassungsgüter zulässig. Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt mit der Folge, dass eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung nur noch als zulässig angesehen werden kann, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EMRK erfüllt sind.
Der in den Vorschriften enthaltene Eingriff in das Vertrauen der Betroffenen ist angesichts des damit verbundenen Eingriffs in das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) verfassungsrechtlich nur nach Maßgabe strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung und zum Schutz höchstwertiger Rechtsgüter zulässig.
Die Vorschriften enthalten jeweils einen erheblichen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, der für einen bestimmten Personenkreis – dem auch die Beschwerdeführer angehören – eine zusätzliche Verschärfung erfährt, indem die Sicherungsverwahrung nachträglich entgegen der früheren, im Zeitpunkt der Anlasstaten geltenden Rechtslage über zehn Jahre hinaus unbefristet verlängert werden kann (so in der Konstellation von § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB), oder indem gegen sie nachträglich eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, obwohl im Urteil des erkennenden Gerichts davon abgesehen und dies auch nicht vorbehalten wurde (so in der Konstellation von § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG). Hierin liegt ein Eingriff in das Vertrauen der in ihrem Freiheitsgrundrecht betroffenen Grundrechtsträger, unabhängig davon, ob man insoweit von einer „echten“ oder einer „unechten“ Rückwirkung beziehungsweise von einer Rückbewirkung von Rechtsfolgen oder einer tatbestandlichen Rückanknüpfung ausgeht97.
Nach Maßgabe des Vertrauensschutzgebots – das im Zusammenhang mit dem Gewährleistungsgehalt des in seinem Schutzbereich berührten Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG Wirkung entfaltet98 – ergeben sich die Grenzen gesetzgeberischer Regelungsbefugnis aus einer Abwägung zwischen dem Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange und der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Gemeinwohl99. Dabei erhöht sich die Bedeutung der berührten Vertrauensschutzbelange in Abhängigkeit von der Schwere des Eingriffs in das sachlich berührte Grundrecht100.
Dies zugrundegelegt ist hier von einem besonders hohen Gewicht der betroffenen Vertrauensschutzbelange auszugehen, denn die in Rede stehenden Vorschriften enthalten, indem sie zur Anordnung beziehungsweise Verlängerung einer unbefristeten Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung ermächtigen, einen schweren – wenn nicht gar den schwersten vorstellbaren – Eingriff in das sachlich berührte Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) und damit in ein Recht, dem unter den grundrechtlich verbürgten Rechten bereits für sich genommen besonderes Gewicht zukommt101. Der mit der Sicherungsverwahrung angeordnete Eingriff in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG ist selbst bei Wahrung des Abstandsgebots im Hinblick auf die mit der Sicherungsverwahrung unvermeidlich verbundene, dauerhafte Entziehung der äußeren Freiheit mit der Freiheitsstrafe vergleichbar. Damit gewinnt die Erwartung des Untergebrachten, die Freiheit zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zu erlangen, besondere Bedeutung102.
Das Gewicht der berührten Vertrauensschutzbelange wird überdies durch die Wertungen der Europäischen Menschenrechtskonvention verstärkt.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Verletzung des Abstandsgebots gemäß der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK zur Folge hat, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 EMRK in den hier in Rede stehenden Fällen des § 67d Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB sowie des § 7 Abs. 2 JGG ausschließlich unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht kommt.
Nach der Wertung von Art. 7 Abs. 1 EMRK hat der unzureichende Abstand des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von dem der Freiheitsstrafe zur Folge, dass sich das Gewicht des Vertrauens der Betroffenen einem absoluten Vertrauensschutz annähert.
Ausweislich des Urteils der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12. 2009103 verletzt die nachträgliche Verlängerung der früheren Zehnjahreshöchstfrist des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB Art. 7 Abs. 1 EMRK, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Strafe im Sinne von Art. 7 EMRK handelt69. Die konventionsrechtliche Einordnung der Sicherungsverwahrung stützt sich unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge hat und in regulären Strafvollzugsanstalten vollzogen wird. Auch sei, so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, mit Blick auf die tatsächliche Situation der Sicherungsverwahrten nicht nachvollziehbar, dass der Sicherungsverwahrung lediglich eine präventive Funktion zukomme und sie keinem Strafzweck diene. Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte verweist insoweit darauf, dass es keine besonderen, auf Sicherungsverwahrte gerichteten Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen gebe, die zum Ziel hätten, ihre Gefährlichkeit zu verringern und damit ihre Haft auf die Dauer zu beschränken, die unbedingt erforderlich sei, um sie von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Ferner verweist der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte auf weitere Kriterien, etwa das Verfahren zur Anordnung der Unterbringung und die Schwere der Maßnahme, die aber nicht allein entscheidend sei71.
Diese Interpretation des Art. 7 Abs. 1 EMRK spricht dafür, das Abstandsgebot noch deutlicher zu konturieren, sie verpflichtet aber nicht dazu, die Auslegung des Art. 103 Abs. 2 GG der des Art. 7 Abs. 1 EMRK vollständig anzugleichen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in seiner Entscheidung vom 05.02.2004 den Aspekt der faktischen Wirkung einer Maßnahme zwar nicht als begrifflich relevant für das Tatbestandsmerkmal der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG angesehen, aber eine Berücksichtigungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG aufgezeigt104. Das gilt auch für den Aspekt der Schwere der Maßnahme – hier: eine unbefristete Freiheitsentziehung –, die zwar kein geeignetes Definitionsmerkmal für den Begriff der Strafe im Sinne von Art. 103 GG105, im Rahmen der Prüfung des Freiheitsgrundrechts jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein zu berücksichtigendes Element darstellt106. Zwar rechtfertigen diesbezügliche Ähnlichkeiten keine Einbeziehung der Sicherungsverwahrung in den Begriff der Strafe im Sinne des Art. 103 GG107. Bereits das Grundgesetz selbst enthält nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedoch auch im Rahmen der Prüfung einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG bei langjährigen, mit Freiheitsentzug verbundenen Maßregeln das Gebot zu berücksichtigen, ob beziehungsweise dass „der Untergebrachte die Sicherungsverwahrung […] auch im Hinblick auf ihren tatsächlichen Vollzug als der Strafe vergleichbar empfinden dürfte“104. Das Vertrauensschutzgebot besitzt insoweit eine enge Verwandtschaft und Strukturähnlichkeit mit dem „nulla-poena-Prinzip“108.
Zur Anpassung des grundgesetzlichen Begriffs der Strafe in Art. 103 Abs. 2 GG – und damit zugleich des Art. 103 Abs. 3 GG – an den Strafbegriff des Art. 7 Abs. 1 EMRK besteht demzufolge kein Anlass. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte selbst führt insoweit aus, der Begriff der „Strafe“ im Sinne von Art. 7 EMRK sei „autonom“ auszulegen; er – der Europäische Gerichtshof für Menschenreche – sei an die Einordnung einer Maßnahme nach nationalem Recht nicht gebunden109. Diese Art der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat für die Zwecke der Europäischen Menschenrechtskonvention ihre Berechtigung. Die Unabhängigkeit der Begriffsbildung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und die damit notwendig verbundene Flexibilität und Unschärfe tragen der rechtlichen, sprachlichen und kulturellen Vielfalt der Mitgliedstaaten des Europarates Rechnung110. Für die gewachsene Verfassungsordnung des Grundgesetzes ist dagegen an dem Begriff der Strafe in Art. 103 GG, wie er in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. Februar 2004111 zum Ausdruck gekommen ist, festzuhalten.
Des Weiteren sind auf Seiten der betroffenen Sicherungsverwahrten die Wertungen von Art. 5 EMRK zu berücksichtigen. Danach kommt eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den von den mittelbar angegriffenen Vorschriften des § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 19987 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB und des § 66b Abs. 2 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Führungsaufsicht und zur Änderung der Vorschriften über die nachträgliche Sicherungsverwahrung vom 13.04.200717 sowie des § 7 Abs. 2 JGG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bei Verurteilungen nach Jugendstrafrecht vom 8. Juli 200822 umfassten Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht.
Art. 5 EMRK enthält in Abs. 1 eine abschließende Auflistung zulässiger Gründe für eine Freiheitsentziehung112. Für die Rechtfertigung der hier in Rede stehenden Konstellationen scheidet Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als Haftgrund aus. Auch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK kommt regelmäßig nicht in Betracht, so dass die Sicherungsverwahrung in den hier in Rede stehenden Konstellationen allenfalls unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Einklang mit Art. 5 EMRK gebracht werden kann.
Im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach dieser Bestimmung in den hier in Rede stehenden Konstellationen angesichts der jüngeren Rechtsprechung der Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr in Betracht kommt113.
Im Fall der betroffenen Individualbeschwerdeführer war die nachträglich verlängerte Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus nicht mehr nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK als „rechtmäßige Freiheitsentziehung nach Verurteilung durch ein zuständiges Gericht“ gerechtfertigt, weil – so die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichthofs für Menschenrechte in ihren Urteilen – kein ausreichender Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung und der fortgesetzten Freiheitsentziehung über zehn Jahre hinaus bestanden habe, da diese ausschließlich aufgrund der Gesetzesänderung 1998 möglich geworden sei114.
Darüber hinaus hat die Kammer der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einem weiteren Urteil vom 13. Januar 2011115 eine Rechtfertigung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK im Fall eines Individualbeschwerdeführers abgelehnt, der nach Verbüßung seiner Freiheitsstrafe auf der Grundlage des Bayerischen Straftäterunterbringungsgesetzes116 wegen seiner Gefährlichkeit nachträglich in einer Justizvollzugsanstalt untergebracht worden war. Bei dieser Gelegenheit hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte nochmals darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung eines Strafvollstreckungsgerichts, der betreffenden Person weiter die Freiheit zu entziehen, nicht das Erfordernis der „Verurteilung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a erfülle, weil sie „keine Schuldfeststellung“ mehr enthalte117.
Das Bundesverfassungsgericht geht daher davon aus, dass in sämtlichen sogenannten Altfällen, in denen die Betroffenen wegen ihrer Anlasstaten bereits vor Inkrafttreten der jeweils einschlägigen Neuregelungen verurteilt waren – also in allen von der rückwirkenden Anwendung der Verlängerung der Zehnjahresfrist gemäß § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB erfassten Fällen ebenso wie in sämtlichen Fällen der rückwirkenden nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG – eine Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK generell ausgeschlossen sein wird.
Dies gilt für die nachträgliche Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG überdies unabhängig von dem rückwirkenden zeitlichen Anwendungsbereich der Vorschriften, also auch in sogenannten Neufällen, denn diese Vorschriften ermöglichen bereits tatbestandlich eine nachträgliche Anordnung einer Freiheitsentziehung. Diese erfolgt zwar – anders als in den bislang vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entschiedenen „Altfällen“ – durch ein eigenständiges (zweites) Urteil und nicht lediglich durch einen Beschluss einer Strafvollstreckungskammer. Das (zweite) Urteil enthält jedoch keine neuerliche Schuldfeststellung, sondern setzt eine solche voraus.
Auch die Wertung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen. Nach dieser Vorschrift ist eine Freiheitsentziehung zur Vorführung „vor die zuständige Gerichtsbehörde“ zu rechtfertigen, „wenn begründeter Anlass zu der Annahme besteht, dass es notwendig ist, die Person an der Begehung einer Straftat zu hindern“. Zwar bietet dieser Haftgrund in seiner Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte lediglich ein Mittel zur Verhütung einer konkreten und spezifischen Straftat („a means of preventing a concrete and specific offence“118) und steht unter formellen Voraussetzungen („zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde“), die im Rahmen der Sicherungsverwahrung – jedenfalls unter normalen Umständen – regelmäßig nicht vorliegen werden. Gleichwohl bestätigt die Existenz von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe c EMRK auf der Wertungsebene, dass die Europäische Menschenrechtskonvention eine präventive Freiheitsentziehung zulässt, wenn eine Gefahr konkret und spezifisch genug ist. Eine solche Gefahr dürfte in den hier zu betrachtenden Fällen indes nur ganz ausnahmsweise festzustellen sein.
Nach alledem kommt eine konventionsrechtliche Rechtfertigung der Freiheitsentziehung in den hier in Rede stehenden Fällen praktisch nur unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in Betracht119.
Das für diese Gewährleistung, soweit hier von Belang, zentrale Tatbestandsmerkmal des „unsound mind“ setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte voraus, dass es sich um eine zuverlässig nachgewiesene psychische Störung („true mental disorder“) handelt, die eine zwangsweise Unterbringung erfordert („warranting compulsory confinement“), und die fortdauert („the validity of continued confinement must depend upon the persistence of such a disorder“)120. Eine abschließende Definition des Begriffs „true mental disorder“ existiert nicht121. Lediglich sozial abweichendes Verhalten stellt allerdings keine Störung im Sinne dieser Vorschrift dar122. Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung oder eine Psychopathie („anti-social personality“ oder „psychopathic disorder“) können jedoch darunter fallen123. Bei der Beurteilung der Frage, ob das Erfordernis der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK und ihrer Fortdauer erfüllt ist, besitzen die Mitgliedstaaten zudem einen Beurteilungsspielraum („margin of appreciation“)124. Die Vorschrift verweist auf das nationale Recht125.
Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK verlangt darüber hinaus, dass die gesetzlichen Regelungen des betreffenden Anordnungs- oder Überprüfungsverfahrens die Feststellung einer psychischen Störung im Sinne einer ausdrücklichen Tatbestandsvoraussetzung vorsehen126.
Weiterhin ist das in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK enthaltene zusätzliche Erfordernis der sonstigen Rechtmäßigkeit („lawfulness“) der Freiheitsentziehung127 zu berücksichtigen, das der Vermeidung von Willkür dient und daher insbesondere die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung verlangt. Die Anforderungen des Willkürverbots hängen von der Art der Freiheitsentziehung beziehungsweise dem einschlägigen Rechtfertigungsgrund innerhalb der Systematik des Art. 5 Abs. 1 EMRK ab128. Danach wird als maßgeblicher Zeitpunkt für die Vorhersehbarkeit der Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK insbesondere der Zeitpunkt der Begehung der Straftat als derjenigen Handlung in Betracht zu ziehen sein, an die die Freiheitsentziehung anknüpft. Dagegen geht es im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK im Kern nicht – wie etwa bei Art. 7 und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a EMRK – um die Freiheitsentziehung wegen einer in der Vergangenheit liegenden Handlung sowie einer daran anknüpfenden Verurteilung, sondern um die Freiheitsentziehung wegen eines gegenwärtigen Zustandes (hier: einer psychischen Störung und der darauf beruhenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit)129.
Dem Erfordernis der Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entspringt darüber hinaus die Notwendigkeit eines Zusammenhangs zwischen dem Zweck der Freiheitsentziehung und der Einrichtung, in der der Betreffende untergebracht ist130. Die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK setzt daher nicht zuletzt voraus, dass der Betroffene an einem Ort und unter Umständen untergebracht ist, die der Tatsache Rechnung tragen, dass er (auch) aufgrund einer psychischen Störung untergebracht ist131.
Unter Berücksichtigung dieser Wertungen und in Anbetracht des erheblichen Eingriffs in das Vertrauen der in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG betroffenen Sicherungsverwahrten tritt der legitime gesetzgeberische Zweck der angegriffenen Vorschriften, die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen, weitgehend hinter das grundrechtlich geschützte Vertrauen in ein Ende der Sicherungsverwahrung nach Ablauf von zehn Jahren (so in den „Altfällen“ im Anwendungsbereich des § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 6 StGB) beziehungsweise in das Unterbleiben einer Anordnung der Sicherungsverwahrung (so in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) zurück. Eine rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung durch Sicherungsverwahrung kann daher nur noch als verhältnismäßig angesehen werden, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt wird, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist132 und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in der hier zugrundegelegten Auslegung erfüllt sind. Lediglich in solchen Ausnahmefällen kann noch von einem Überwiegen der öffentlichen Sicherheitsinteressen ausgegangen werden.
Hieran gemessen sind § 67d Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB sowie § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar. Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist.
Die Vorschriften sind mit dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot unvereinbar, weil der Abstand zur Strafe generell nicht gewahrt ist und der Einfluss von Art. 7 EMRK deshalb ein Ausmaß erreicht, das jede rückwirkende Anwendung der Vorschriften verbietet. Hinzu kommt, dass die Vorschriften in ihren gegenwärtigen Fassungen nicht sicherstellen, dass nur hochgefährliche Straftäter, deren Freiheitsentziehung gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK gerechtfertigt ist, erfasst sind.
Die Vorschriften können nicht in einer Weise ausgelegt werden, dass ihre Verfassungsmäßigkeit noch gewahrt ist.
Im Wege der verfassungskonformen Interpretation darf der normative Gehalt einer Regelung nicht neu bestimmt werden133. Die zur Vermeidung eines Nichtigkeitsausspruchs gefundene Interpretation muss daher eine nach anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige Auslegung sein134. Die Grenzen verfassungskonformer Auslegung ergeben sich grundsätzlich aus dem ordnungsgemäßen Gebrauch der anerkannten Auslegungsmethoden. Der Respekt vor der gesetzgebenden Gewalt gebietet es dabei, in den Grenzen der Verfassung das Maximum dessen aufrechtzuerhalten, was der Gesetzgeber gewollt hat. Er fordert mithin eine Auslegung der Norm, die durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt ist und die prinzipielle Zielsetzung des Gesetzgebers wahrt135. Die Deutung darf nicht dazu führen, dass das gesetzgeberische Ziel in einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht wird136.
Vor diesem Hintergrund lässt keine der zur Überprüfung gestellten Vorschriften eine verfassungskonforme Auslegung zu.
Dies gilt nicht nur für § 67d Abs. 3 Satz 1 StGB, der schon nach seinem Wortlaut keine Ansatzpunkte für eine entsprechende Auslegung erkennen lässt, sondern auch für § 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG. Die letztgenannten Vorschriften räumen zwar den Fachgerichten einen Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite ein, der in der Formulierung „kann“ zum Ausdruck kommt. Dieses Ermessen besteht jedoch nur innerhalb des Zwecks der Ermächtigung. Die Fachgerichte dürfen danach zwar trotz Vorliegens der Voraussetzungen im Einzelfall mit guten Gründen von einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung absehen, es ist ihnen jedoch verwehrt, die vom Gesetzgeber vorgesehene Rechtsfolge generell unangewendet zu lassen, die Vorschriften also gänzlich leerlaufen zu lassen und damit an Stelle des Gesetzgebers die grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob die nachträgliche Sicherungsverwahrung vollständig abgeschafft werden soll. Es obliegt allein dem Gesetzgeber festzulegen, ob sämtliche von der Rückwirkungsproblematik betroffenen Sicherungsverwahrten freizulassen sind oder lediglich diejenigen, in deren Fall dies verfassungsrechtlich zwingend ist.
Ebenso wenig ist es möglich, im Wege verfassungskonformer Auslegung der Ermessensermächtigung die vorhandenen gesetzlichen Regelungen auf ihren noch verfassungskonformen Teil zu reduzieren. Denn das zur Herstellung verfassungskonformer Verhältnisse im Recht der Sicherungsverwahrung erforderliche normative Instrumentarium steht den Fachgerichten derzeit nicht zur Verfügung. Die Verfassungsmäßigkeit der nachträglichen Sicherungsverwahrung (§ 66b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) sowie der nachträglichen Verlängerung der Sicherungsverwahrung über die frühere Zehnjahreshöchstfrist hinaus (§ 67d Abs. 3 Satz 1 StGB) setzt den Erlass zusätzlicher, umfangreicher Vorschriften – insbesondere die Normierung der Anforderungen zur Wahrung des Abstandsgebots sowie der Voraussetzungen zur Feststellung der psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK – voraus, die bislang im Recht der Sicherungsverwahrung nicht vorhanden sind. Allein der Gesetzgeber ist in der Lage, unter Ausschöpfung seiner Gestaltungsmöglichkeiten und mit der notwendigen Detailliertheit die Voraussetzungen dafür zu normieren, unter denen eine weitere Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich zulässig ist. Ihm steht es dabei insbesondere auch frei, die Sicherungsverwahrung ganz oder teilweise durch eine Therapieunterbringung zu ersetzen, jedoch muss er deren Anwendungsbereich mit dem Recht der Sicherungsverwahrung in einer Weise verzahnen, die keinen Zweifel darüber lässt, ob ein Anwendungsbereich der hier in Rede stehenden Vorschriften verbleiben soll oder diese aufgehoben werden.
Aus den entsprechenden Gründen scheidet auch eine Auslegung von § 2 Abs. 6 StGB aus, nach der Art. 5 und Art. 7 EMRK eine „andere gesetzliche Bestimmung“ im Sinne dieser Vorschrift darstellen137. Es liefe bereits dem gesetzgeberischen Regelungskonzept grundlegend zuwider, bei der Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB den allgemeinen Bestimmungen der Art. 5 und Art. 7 EMRK den Vorrang vor den speziellen und hinsichtlich der Frage der Rückwirkung eindeutigen Vorschriften des Strafgesetzbuches über die Sicherungsverwahrung einzuräumen. Genau diese hatte der Gesetzgeber beim Erlass der Normen im Blick. Aus den Materialien zu § 2 Abs. 6 StGB ergibt sich, dass der Gesetzgeber in § 2 Abs. 6 StGB von vornherein gerade keinen Verstoß gegen Art. 7 EMRK sah138. Die mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 19987 eingeführten Neuerungen des § 67d StGB beabsichtigte der Gesetzgeber ausweislich des zugleich erlassenen Art. 1a Abs. 3 EGStGB „uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen“139. Zudem verstößt die Fiktion, eine Einzelfallentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte stelle ein innerstaatliches (Parlaments-)Gesetz dar, gegen die grundgesetzlich vorgegebene Art und Weise der innerstaatlichen Wirkung der Europäischen Menschenrechtskonvention ebenso wie gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung. Die Europäische Menschenrechtskonvention ist kein Gesetz, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag, der als solcher nicht unmittelbar in die staatliche Rechtsordnung eingreifen kann140. Auch nach Erlass des Zustimmungsgesetzes handelt es sich weiterhin der Rechtsnatur nach um einen völkerrechtlichen Vertrag, dessen innerstaatliche Geltung lediglich durch den Vollzugsbefehl bewirkt wird141. Die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte besitzen ihrerseits ebenfalls keine Gesetzesqualität, vielmehr spricht Art. 46 Abs. 1 EMRK nur eine Bindung der beteiligten Vertragspartei an das endgültige Urteil in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand aus („res iudicata“142).
Auch aus sonstigen Konventionsbestimmungen kann keine über den Einzelfall hinausgehende, strenge Präjudizienbindung der mitgliedstaatlichen Gerichte hergeleitet werden. In der kontinentalen Rechtstradition steht es – solange nicht eine ausdrückliche Regelung wie § 31 BVerfGG etwas anderes anordnet – innerhalb der Willkürgrenzen jedem Gericht jederzeit frei, eine Vorschrift anders auszulegen, als andere Gerichte dies zuvor getan haben143. Nichts anderes gilt für die Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention, auch wenn der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte insoweit eine besondere Bedeutung zukommt, weil sich in ihr der aktuelle Entwicklungsstand der Konvention und ihrer Protokolle widerspiegelt144.
Sind nach alledem die angefochtenen Vorschriften wegen der Verletzung des Abstandsgebots mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG unvereinbar, gilt dies auch für sämtliche Regelungen über die Anordnung und die Dauer der Sicherungsverwahrung sowie entsprechende Nachfolgeregelungen. Insoweit liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das Bundesverfassungsgericht gemäß § 78 Satz 2 BVerfGG seinen Ausspruch auf weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes ausdehnen kann. Die genannte Vorschrift ist im Verfassungsbeschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden145.
Die Übergangsregelung[↑]
Zur Vermeidung eines „rechtlichen Vakuums“ hat das Bundesverfassungsgericht die verfassungswidrigen Vorschriften nicht für nichtig erklärt, sondern deren zeitlich befristete Weitergeltung angeordnet. Denn die Nichtigerklärung der einschlägigen Normen hätte zur Folge, dass es für die weitere Sicherungsverwahrung an einer Rechtsgrundlage fehlte und alle in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen sofort freigelassen werden müssten, was Gerichte, Verwaltung und Polizei vor kaum lösbare Probleme stellen würde.
Die Weitergeltungsanordnung muss im Hinblick auf den Umfang des vom Gesetzgeber zu erarbeitenden Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung, die notwendige Schaffung zusätzlicher Personalkapazitäten sowie die Durchführung der für eine räumliche Trennung von Maßregel- und Strafvollzug erforderlichen Maßnahmen zwei Jahre betragen. Angesichts des mit der Sicherungsverwahrung verbundenen Grundrechtseingriffs ist es jedoch geboten, eine Übergangsregelung zu treffen, die die Wahrung verfassungsrechtlicher Mindestanforderungen sicherstellt. Im Hinblick auf die Vorschriften, die mit dem Vertrauensschutzgebot unvereinbar sind, ist dabei auf das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Therapieunterbringungsgesetz zurückzugreifen. Mit diesem Gesetz hat der deutsche Gesetzgeber unter Berücksichtung der besonderen Voraussetzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention eine weitere Kategorie für die Unterbringung psychisch gestörter und aufgrund ihrer Straftaten potentiell gefährlicher Personen geschaffen, die auf den aktuellen psychischen Zustand der Betroffenen und ihre daraus resultierende Gefährlichkeit abstellt.
Gemäß § 35 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht wird angeordnet:
- § § 66 StGB, § § 66a StGB, § 66b StGB, § 67d Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 StGB sowie § 7 Absatz 2 JGG und § 106 Abs. 3 S. 2, 3, Abs. 5, 6 JGG bleiben bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, nach Maßgabe der Gründe weiter anwendbar.
- § 67d Absatz 3 Satz 1 StGB in Verbindung mit § 2 Absatz 6 StGB sowie § 7 Absatz 2 JGG bleiben ebenfalls bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31. Mai 2013, weiter anwendbar, jedoch nach folgender Maßgabe:
- In den von § 67d Abs. 3 S. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 6 StGB erfassten Fällen, in denen die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über zehn Jahre hinaus Sicherungsverwahrte betrifft, deren Anlasstaten vor Inkrafttreten von Artikel 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998146 begangen wurden, sowie in den Fällen der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66b Absatz 2 StGB und des § 7 Absatz 2 JGG dürfen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung beziehungsweise ihre Fortdauer nur noch angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist und dieser an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. ThUG147 leidet.
- Die zuständigen Vollstreckungsgerichte haben unverzüglich nach Verkündung dieses Urteils zu überprüfen, ob die Voraussetzungen der Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nach Buchstabe a) gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, ordnen die Vollstreckungsgerichte die Freilassung der betroffenen Sicherungsverwahrten spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 an.
- Die Überprüfungsfrist für die Aussetzung oder Erledigung der Sicherungsverwahrung beträgt in den Fällen des § 7 Absatz 2 JGG abweichend von § 7 Absatz 4 JGG sechs Monate, in den übrigen Fällen des Buchstaben a) abweichend von § 67e Absatz 2 StGB ein Jahr.
Sämtliche von der Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz betroffenen Vorschriften gelten trotz ihrer Verfassungswidrigkeit bis zu einer Neuregelung des Gesetzgebers, längstens bis zum 31. Mai 2013 weiter fort. Bis dahin sind sie jedoch nur nach den näheren, vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vorgegebenen Maßgaben anzuwenden.
Steht eine Norm mit dem Grundgesetz nicht in Einklang, so ist sie grundsätzlich für nichtig zu erklären (§ 95 Abs. 3 Satz 1, § 78 Satz 1 BVerfGG). Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen die Nichtigerklärung einer Norm zu einem Zustand führt, „welcher der verfassungsmäßigen Ordnung noch weniger entsprechen würde“148, weil ein „rechtliches Vakuum“ entstünde149 beziehungsweise Regelungslücken zu einem „Chaos“ führen würden150. Das Bundesverfassungsgericht belässt es hier in aller Regel bei einer Unvereinbarkeitserklärung und ordnet gleichzeitig die Weitergeltung der entsprechenden Normen für einen bestimmten Zeitraum an.
Vorliegend hätte die Nichtigerklärung der einschlägigen Normen zur Folge, dass es für die weitere Sicherungsverwahrung an einer Rechtsgrundlage fehlte und die Funktionsfähigkeit des bestehenden zweispurigen deutschen Maßregel- und Strafrechtssystems nachhaltig gestört wäre. Alle in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Personen müssten sofort freigelassen werden, was Gerichte, Verwaltung und Polizei vor kaum lösbare Probleme stellen würde. Mit einzubeziehen in die Folgeerwägungen sind sämtliche potentiellen Sicherungsverwahrten, in deren Fall die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zwar angeordnet wurde, die sich aber noch im Vollzug der Freiheitsstrafe befinden, und deren Antritt in die Sicherungsverwahrung trotz ihrer etwaigen hochgradigen Gefährlichkeit nicht möglich wäre.
Im Hinblick auf den Umfang der Maßnahmen, die zur praktischen Umsetzung des Abstandsgebots erforderlich sind, muss sich die Weitergeltungsanordnung auf zwei Jahre erstrecken, damit das erforderliche Gesamtkonzept erarbeitet, die notwendigen zusätzlichen Personalkapazitäten geschaffen und die für eine räumliche Trennung von Maßregel- und Strafvollzug erforderlichen Maßnahmen durchgeführt werden können.
Angesichts des mit der Sicherungsverwahrung verbundenen – verfassungswidrigen – Grundrechtseingriffs ist es geboten, für die Zeit bis zu einer detaillierten gesetzlichen Neuregelung eine Übergangsregelung zu treffen, die zwar zur Vermeidung eines rechtlichen Vakuums eine weitere Anwendung der bisherigen Vorschriften und eine Fortsetzung der anhängigen Überprüfungsverfahren erlaubt151, jedoch die Wahrung verfassungsrechtlicher Mindestanforderungen sicherstellt. Die bestehenden Regelungen sind daher während der Weitergeltung mit den tenorierten Maßgaben anzuwenden (§ 35 BVerfGG).
Was die Vorschriften betrifft, die allein aufgrund einer Verletzung des Abstandsgebots mit dem Grundgesetz unvereinbar sind, muss während der Dauer ihrer Weitergeltung bei der Rechtsanwendung der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung in ihrer derzeitigen Ausgestaltung um einen verfassungswidrigen Eingriff in das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG handelt. Der hohe Wert des Freiheitsgrundrechts beschränkt das übergangsweise zulässige Eingriffsspektrum. Während der Übergangszeit dürfen Eingriffe nur soweit reichen, wie sie unerlässlich sind, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten. Dabei ist gegebenenfalls eine verfassungskonforme Auslegung des Normgehalts zu beachten152. Die Regelungen dürfen nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung angewandt werden153. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Gefahrprognose und die gefährdeten Rechtsgüter. In der Regel wird der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur unter der Voraussetzung gewahrt sein, dass eine Gefahr schwerer Gewalt- oder Sexualstrafen aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist.
Im Hinblick auf die Vorschriften, die mit dem Vertrauensschutzgebot unvereinbar sind, ist eine modifizierte Anwendung der vorübergehend weiter geltenden Vorschriften geboten. Angesichts dessen, dass die Bestimmung der Voraussetzungen einer psychischen Störung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK in erster Linie dem Gesetzgeber obliegt154, ist insoweit auf das am 1. Januar 2011 in Kraft getretene Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz) zurückzugreifen. Mit diesem hat der Gesetzgeber in Abweichung von der bisherigen Rechtslage, in der lediglich zwischen der Unterbringung gefährlicher Straftäter in einer Justizvollzugsanstalt zu Präventionszwecken auf der einen und der Unterbringung psychisch Kranker, die im Zustand der Schuldunfähigkeit oder der verminderten Schuldfähigkeit Straftaten begangen hatten (§§ 20, 21, 63 StGB), auf der anderen Seite unterschieden wurde, erstmals die besonderen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe e EMRK konkretisiert und eine weitere Unterbringungsart für psychisch gestörte, für die Allgemeinheit gefährliche Personen geschaffen, bei der im Rahmen des Verfahrens eine psychische Störung festgestellt und die Unterbringung sodann nicht in einer Justizvollzugsanstalt, sondern in einer therapeutischen Anstalt vollzogen wird. Das Therapieunterbringungsgesetz ist im vorliegenden Zusammenhang keiner verfassungsrechtlichen Überprüfung zu unterziehen. Angesichts der dort entwickelten Konzeption ist jedoch davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber mit diesem Gesetz eine weitere Kategorie für die Unterbringung psychisch gestörter Personen mit durch ihre Straftaten indiziertem Gefährdungspotential schaffen wollte, die nicht an die Schuldfähigkeit im vergangenen Zeitpunkt der Begehung der Straftaten geknüpft ist, sondern auf den aktuellen psychischen (Dauer-)Zustand der Betreffenden und ihre daraus resultierende künftige Gefährlichkeit abstellt155. Diesem Anliegen des Gesetzgebers trägt die getroffene Übergangsregelung, soweit möglich und geboten, Rechnung.
Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09, 2 BvR 740/10, 2 BvR 2333/08, 2 BvR 571/10 und 2 BvR 1152/10 (Sicherungsverwahrung II)
- RGBl I S. 995[↩]
- RGBl I S. 1000[↩]
- RGBl I S. 2000[↩]
- RGBl I S. 635[↩]
- BGBl I S. 645[↩]
- BGBl I S. 717[↩]
- BGBl I S. 160[↩][↩][↩][↩][↩]
- 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 740/10[↩][↩]
- BGBl I S. 3344[↩][↩]
- BGBl I S. 3007[↩][↩]
- BVerfG, Urteil vom 05.02.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133[↩]
- GVBl S. 978[↩]
- GVBl S. 80[↩]
- BVerfG, Urteil vom 10.02.2004 – 2 BvR 834/02, 1588/02, BVerfGE 109, 190[↩]
- BGBl I S. 1838[↩][↩]
- vgl. BT-Drucks 15/2887, S. 13[↩]
- BGBl I S. 513[↩][↩][↩]
- vgl. BTDrucks 16/4740, S. 22[↩]
- vgl. BGHSt 50, 284, 293 ff.; BGH, Beschluss vom 25.07.2006 – 1 StR 274/06, NJW 2006, 3154 f.[↩]
- vgl. BT-Drucks 16/4740, S. 1[↩]
- 2 BvR 571/10[↩][↩]
- BGBl I S. 1212[↩][↩][↩]
- 2 BvR 1152/10[↩]
- EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr.19359/04 [M. ./. Deutschland][↩]
- BVerfG, Urteil vom 05.02.004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133[↩]
- EGMR, Urteile vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 17792/07 [Ka. ./. Deutschland]; Beschwerde-Nr. 20008/07 [Ma. ./. Deutschland]; Beschwerde-Nrn. 27360/04 und 42225/07 [Sch. ./. Deutschland][↩]
- vgl. einerseits OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.06.2010 – 3 Ws 485/10, NStZ 2010, S. 573; OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2010 – 4 Ws 157/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 04.08.2010 – 2 Ws 227/10, NStZ-RR 2010, 322; andererseits OLG Celle, Beschluss vom 25.05.2010 – 2 Ws 169/10, 170/10, NStZ-RR 2010, 322; OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.06.2010 – 1 Ws 57/10, RuP 2010, 157; OLG Koblenz, Beschluss vom 07.06.2010 – 1 Ws 108/10, RuP 2010, S. 154; OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.06.2010 – 1 Ws 315/10; OLG Köln, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 Ws 431/10[↩]
- BGBl I S. 976[↩]
- vgl. einerseits BGH, Beschlüsse vom 12.05.2010 – 4 StR 577/09, NStZ 2010, 567; vom 18.01.2011 – 4 ARs 27/10, Rn. 4 ff.; und vom 17.02.2011 – 3 ARs 35/10; andererseits BGH, Beschlüsse vom 09.11.2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10, NJW 2011, 240; vom 15.12.2010 – 1 ARs 22/10; vom 22.12.2010 – 2 ARs 456/10; und vom 21.07.2010 – 5 StR 60/10, NStZ 2010, 565[↩]
- BGBl I S. 2300[↩][↩]
- 2 BvR 2365/09[↩]
- 2 BvR 740/10[↩]
- EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – 19359/04[↩]
- 2 BvR 2333/08 und 2 BvR 1152/10[↩]
- 2 BvR 2365/09 und 2 BvR 571/10[↩]
- BVerfGE 74, 358, 370; ständige Rechtsprechung[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 323 ff.[↩]
- BVerfGE 109, 133[↩]
- vgl. speziell für die Unzulässigkeit auch einer erneuten inzidenten Normenkontrollentscheidung BVerfGE 69, 92, 102 f.; 109, 64, 84[↩]
- vgl. BVerfGE 82, 198, 207 f.; 87, 341, 346; 109, 64, 84[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 83, 119, 128; 111, 307, 317; 120, 180, 200 f.; BVerfGK 3, 4, 7 f.; 9, 174, 190; 10, 66, 77 f.; 10, 234, 239; 11, 153, 159 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 316 m.w.N.[↩]
- Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 07.08.1952, BGBl II S. 685; die Konvention ist gemäß der Bekanntmachung vom 15.12. 1953, BGBl II 1954 S. 14 am 03.09. 1953 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten; Neubekanntmachung der Konvention in der Fassung des 11. Zusatzprotokolls in BGBl II 2002 S. 1054[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 82, 106, 120; 111, 307, 316 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 102, 128 m.w.N.; 111, 307, 317; BVerfGK 3, 4, 8[↩]
- vgl. Art. 53 EMRK[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 83, 119, 128; 111, 307, 317; 120, 180, 200 f.; BVerfGK 3, 4, 7 f.; 9, 174, 190 f.; 10, 66, 77 f.; 10, 234, 239; 11, 153, 159 ff.; 12, 37, 40; BVerfG, Beschlüsse vom 20.12.2000 – 2 BvR 591/00, NJW 2001, 2245 ff.; vom 21.11.2002 – 1 BvR 1965/02, NJW 2003, 344, 345; vom 02.07.2008 – 1 BvR 3006/07, NJW 2008, 2978, 2981; vom 18.12.2008 – 1 BvR 2604/06, NJW 2009, 1133 f.; und vom 04.02.2010 – 2 BvR 2307/06, EuGRZ 2010, 145, 147[↩]
- vgl. zur Orientierungswirkung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte bereits BVerfGE 111, 307, 320; BVerfGK 10, 66, 77 f.; 10, 234, 239; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 13, 23 f.; 109, 38, 50; 111, 307, 318; 328; 112, 1, 25; 123, 267, 344 ff., 347; BVerfGK 9, 174, 193[↩]
- vgl. BVerfGE 74, 358, 370; 111, 307, 329; Sommermann, AöR 114, 1989, S. 391, 406 f.; Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 259; Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 2, Rn. 47 m.w.N. (2004); Giegerich, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 2 Rn. 67 ff.; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 3 Rn. 6[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 316 m.w.N. und, 322; siehe auch zum Grundsatz, dass ein verurteilter Mitgliedstaat in der Wahl der Mittel frei bleibt, wie er seine Verpflichtungen nach Art. 46 EMRK erfüllen will: EGMR, Urteil vom 13.07.2000 – Beschwerde-Nr. 39221/98 u. Nr. 41963/98 [Scozzari u. Giunta ./. Italien], Rn. 249; Tomuschat, German Law Journal, Volume 5 (2011), S. 513, 517 f.[↩]
- vgl. Häberle, Europäische Verfassungslehre, 7. Aufl. 2011, S. 255 f.; vgl. auch Dreier, GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Abs. 2, Rn. 20[↩]
- siehe BVerfGE 111, 307, 317 m.w.N.[↩]
- vgl. Wahl/Masing, JZ 1990, S. 553 ff.; Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, S. 492; Calliess, in: Merten/Papier, HGR, Bd. II, 2006, § 44 Rn. 18 ff. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 329; s. auch Bernhardt, in: Festschrift für Helmut Steinberger, 2002, S. 391, 397; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. II, 2. Aufl. 2007, S. 148, Rn. 184; zur absoluten Grenze des Kerngehalts der Verfassungsidentität des Grundgesetzes gemäß Art. 79 Abs. 3 GG, vgl. BVerfGE 123, 267, 344; s. auch A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3, 59 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 327[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 324; BVerfGK 3, 4, 8 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 166[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 156[↩]
- vgl. BVerfGE 35, 185, 190; 109, 133, 157[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 157[↩]
- BVerfGE 70, 297, 311; 109, 133, 159[↩]
- BVerfGE 109, 133, 157 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 157 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 158 ff.; 164 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 164[↩]
- BVerfGE 109, 133, 174[↩]
- EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland][↩]
- EGMR, a.a.O., Rn. 133[↩][↩]
- EGMR, a.a.O., Rn. 135[↩]
- EGMR, a.a.O., Rn. 127 ff.[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 123, 267, 413[↩]
- vgl. Radtke, in: Münchener Kommentar zum StGB, Bd. 1, 1. Aufl. 2003, Vor §§ 38 ff. Rn. 68[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 159[↩]
- BVerfGE 109, 133, 173[↩]
- BVerfGE 98, 169, 200[↩]
- BVerfGE 109, 133, 151[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 17.12. 2009, Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland, Rn. 129[↩]
- vgl. zum Erfordernis eines gesetzlichen Resozialisierungskonzepts für den Strafvollzug BVerfGE 98, 169, 201; 116, 69, 89[↩]
- vgl. BVerfG, a.a.O.[↩]
- vgl. BVerfGE 83, 130, 142[↩]
- so auch EGMR, Urteil vom 17.12.2009, Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 129[↩]
- so auch EGMR, a.a.O., Rn. 77 und Rn. 129[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 166; 117, 71, 108[↩]
- vgl. Art. 62d Abs. 2, Art. 64b Abs. 2, Art. 75a des Schweizerischen Strafgesetzbuchs[↩]
- vgl. schon BVerfGE 109, 133, 162[↩]
- BVerfGE 109, 133, 166 f.[↩]
- Art. 1 Nr. 7 Buchstabe a des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006, BGBl I S. 2034[↩]
- vgl. Bartsch, Sicherungsverwahrung, 2010, S. 228; Habermeyer, Die Maßregel der Sicherungsverwahrung, 2008, S. 54[↩]
- Bartsch, a.a.O., S. 228 ff.[↩]
- Bartsch, a.a.O., S. 232 ff.[↩][↩]
- Niemz, Kriminologische Zentralstelle e.V., Sozialtherapie im Strafvollzug, 2010, S. 13[↩]
- Bartsch, a.a.O., S. 245 ff.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 165 f., m.w.N.[↩]
- Bartsch, a.a.O., S. 220 ff.[↩]
- Bartsch, a.a.O., S. 242 ff.[↩]
- vgl. dazu bereits mit Blick auf § 67d Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 1a Abs. 3 EGStGB a.F.: BVerfGE 109, 133, 182 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 72, 200, 242[↩]
- vgl. BVerfGE 14, 288, 300; 25, 142, 154; 43, 242, 286; 43, 291, 391; 75, 246, 280; 109, 133, 182[↩]
- vgl. bereits BVerfGE 109, 133, 186 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 65, 317, 322[↩]
- vgl. bereits BVerfGE 109, 133, 185[↩]
- Beschwerde-Nr. 19359/04, M. ./. Deutschland[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 185[↩][↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 175[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 160 f.; 70, 297, 314 f.[↩]
- BVerfGE 109, 133, 176[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 133, 171 f.[↩]
- EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 126[↩]
- vgl. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 4. Aufl. 2009, § 5 Rn. 9 ff.[↩]
- BVerfGE 109, 133, 167 ff.[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 86[↩]
- vgl. insbesondere EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland]; sowie die Urteile vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 17792/07 [Kallweit ./. Deutschland]; und Beschwerde-Nrn. 27360/04, 42225/07, [Schummer ./. Deutschland][↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 17.12. 2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 97 ff., Rn. 100[↩]
- EMGR, Urteil vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 6587/04 [Haidn ./. Deutschland][↩]
- BayStrUGB[↩]
- EGMR, Urteil vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 6587/04 [Haidn ./. Deutschland], Rn. 84[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 89[↩]
- vgl. zum Verhältnis von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a zu Buchstabe e EMRK unter anderem EGMR, Urteile vom 05.11.1981 – Beschwerde-Nr. 7215/75 [X. ./. Vereinigtes Königreich], Rn. 39 und Rn. 46 f.; vom 22.10.2009 – Beschwerde-Nr. 1431/03 [Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien], Rn. 30; und vom 17.12.2009 – Beschwerde-Nr. 19359/04 [M. ./. Deutschland], Rn. 103[↩]
- vgl. grundlegend EGMR, Urteil vom 24.10.1979 – Beschwerde-Nr. 6301/73 [Winterwerp ./. Niederlande], Rn. 39; siehe zuletzt EGMR, Urteil vom 21.06.2005 – Beschwerde-Nr. 517/02 [Kolanis ./. Vereinigtes Königreich], Rn. 67[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 24.10.1979 – Beschwerde-Nr. 6301/73 [Winterwerp ./. Niederlande], Rn. 37[↩]
- vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 37[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 20.02.2003 – Beschwerde-Nr. 50272/99 [Hutchison Reid ./. Vereinigtes Königreich], Rn. 19; s. auch Prior, Mentally disordered offenders and the European Court of Human Rights, International Journal of Law and Psychiatry 30 (2007), S. 546, 548; Bartlett/Lewis/Thorold, Mental Disability and the European Convention on Human Rights, 2007, S. 43[↩]
- vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 22.10.2009 – Beschwerde-Nr. 1431/03 [Stojanovski ./. Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien], Rn. 34 m.w.N.[↩]
- vgl. Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 17792/07 [Kallweit ./. Deutschland], Rn. 56[↩]
- vgl. dazu zuletzt ausführlich EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 09.07.2009 – Beschwerde-Nr. 11364/03 [Mooren ./. Deutschland], Rn. 72 m.w.N.[↩]
- vgl. EGMR, a.a.O., Rn. 76 f.; Urteil der Großen Kammer vom 29.01.2008 – Beschwerde-Nr. 13229/03 [Saadi ./. Vereinigtes Königreich], NVwZ 2009, S. 375, 377, Rn. 67 ff.[↩]
- vgl. auch Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, 3. Aufl. 2009, Art. 5 Rn. 76[↩]
- vgl. zuletzt EGMR, Urteil der Großen Kammer vom 29.01.2008 – Beschwerde-Nr. 13229/03 [Saadi ./. Vereinigtes Königreich], Rn. 69 a.E.; EGMR, Urteil vom 30.07.1998 – Beschwerde-Nr. 61/1997/845/1051 [Aerts ./. Belgien], Rn. 46[↩]
- vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 17792/07 [Kallweit ./. Deutschland], Rn. 46: „einem Krankenhaus, einer Klinik oder einer anderen geeigneten Einrichtung“[↩]
- vgl. auch bereits BGH, Beschluss vom 09.11.2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10, NJW 2011, 240, 243[↩]
- vgl. BVerfGE 8, 71, 78 f.[↩]
- BVerfGE 69, 1, 55[↩]
- BVerfGE 86, 288, 320[↩]
- vgl. BVerfGE 8, 28, 34; 54, 277, 299 f. m.w.N.; 78, 20, 24 m.w.N.; 119, 247, 274[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 12.05.2010 – 4 StR 577/09, NStZ 2010, 567; vom 18.01.2011 – 4 ARs 27/10; und vom 17.02.2011 – 3 ARs 35/10; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 24.06.2010 – 3 Ws 485/10, NStZ 2010, 573; OLG Hamm, Beschluss vom 06.07.2010 – 4 Ws 157/10; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 15.07.2010 – 1 OJs 3/10 u.a.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.07.2010 – 2 Ws 458/09; OLG Hamm, Beschluss vom 22.07.2010 – 4 Ws 180/10; a.A. BGH, Beschluss vom 09.11.2010 – 5 StR 394/10, 440/10, 474/10, NJW 2011, 240[↩]
- BT-Drucks IV/650, S. 108; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.06.2010 – 1 Ws 57/10, RuP 2010, S. 157[↩]
- vgl. auch BT-Drucks 13/9062, S. 12[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 322[↩]
- vgl. BVerfGE 90, 286, 364; und BVerfGE 104, 151, 209; s. auch BVerfG, Beschluss vom 08.06.2010 – 2 BvR 432/07, 2 BvR 507/08[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 320[↩]
- vgl. nur BVerfGE 78, 123, 126; 84, 212, 227; 87, 273, 278; Müller/Christensen, Juristische Methodik, Bd. I, 10. Aufl. 2009, Rn. 539 f.; Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 334; Röhl/Röhl, Allgemeine Rechtslehre, 3. Aufl. 2008, S. 565 ff.; siehe auch Ress, ZaöRV 2009, S. 289, 293[↩]
- vgl. BVerfGE 111, 307, 319; vgl. auch Cremer, in: Grote/Marauhn, EMRK/GG, Konkordanzkommentar, 2006, Kap. 32 Rn. 90[↩]
- BVerfGE 18, 288, 300; 40, 296, 328 f.; 91, 1, 25; 92, 53, 73; 94, 241, 265 f.; 98, 365, 401; 104, 126, 150; 110, 94, 140[↩]
- BGBl. I S. 160[↩]
- Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz – ThUG) — Artikel 5 des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010, BGBl. I S. 2300[↩]
- BVerfGE 116, 69, 93[↩]
- BVerfGE 37, 217, 260 f.[↩]
- BVerfGE 73, 40, 42, 101 f.[↩]
- vgl. BVerfGE 73, 40, 101 f. m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 190, 239 m.w.N.[↩]
- vgl. BVerfGE 109, 190, 240[↩]
- vgl. zuletzt EGMR, Urteil vom 13.01.2011 – Beschwerde-Nr. 17792/07 [Kallweit ./. Deutschland], Rn. 55[↩]
- vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU, BT-Drucks 17/3403, S. 53 f.[↩]