Die erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft – und die getroffene Verständigung

Nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache ist das neue Tatgericht an die Verständigung und die darin genannten Strafrahmen nicht gebunden; die Bindungswirkung des § 257c Abs. 4 Satz 1 StPO gilt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers1 nur für das (Tat)Gericht, das die Verständigung vereinbart hat2.

Die erfolgreiche Revision der Staatsanwaltschaft – und die getroffene Verständigung

Nicht abschließend geklärt ist bislang allerdings die Frage, ob in diesen Fällen die im ersten Rechtsgang mit Blick auf die Verständigung abgegebenen Geständnisse verwertet werden dürfen, etwa durch Vernehmung der Tatrichter, die die Verständigung getroffen hatten.

In einem Fall, in dem nur der Angeklagte Revision eingelegt hatte, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass ein Beweisverwertungsverbot gemäß § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nicht anzunehmen sei, weil die Voraussetzungen der Vorschrift nicht vorlägen. Denn bei Einhaltung der auch vom Angeklagten im Rahmen der Verständigung akzeptierten Strafobergrenze werde diese durch das Verschlechterungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO für das weitere Verfahren perpetuiert3. Ein Verwertungsverbot sehe § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO nur in Fällen vor, in denen „die Vertragsgrundlage“ entfallen sei, weil sich das Gericht von der Verständigung lösen wolle bzw. wenn diese gescheitert sei, nicht aber schon dann, wenn die Verständigung den Schuldspruch zum Gegenstand gehabt habe und deshalb unzulässig gewesen4 oder wenn die Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO unterblieben sei5.

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Die lückenhafte Beweiswürdigung

Für den Fall, dass – wie hier – die Staatsanwaltschaft indes – jedenfalls auch – zu Ungunsten des Angeklagten erfolgreich ein Rechtsmittel eingelegt hat, entspricht es der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur, ein Verwertungsverbot anzunehmen6. Dies soll jedenfalls dann gelten, wenn das neue Tatgericht über die vom ersten Tatgericht zugesagte Strafrahmenobergrenze hinausgehen wolle7.

Auch der Bundesgerichtshof neigt der Auffassung zu, dass in diesen Fällen jedenfalls grundsätzlich ein Verwertungsverbot anzunehmen ist.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2016 – 3 StR 331/16

  1. BT-Drs. 16/11736, S. 13; 16/12310, S. 15[]
  2. BGH, Urteile vom 28.02.2013 – 4 StR 537/12, NStZ-RR 2013, 373; vom 26.01.2011 – 2 StR 446/10, JR 2012, 35, 36; LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 257c Rn. 57; MünchKomm-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 148; KK-Wenske/Moldenhauer, StPO, 7. Aufl., § 257c Rn. 37; Altvater, StraFo 2014, 221, 222; Schneider, NZWiSt 2015, 1, 2; Schlothauer/Weider, StV 2009, 600, 605; jeweils mwN[]
  3. BGH, Beschluss vom 24.02.2010 – 5 StR 38/10, StV 2010, 470 mit ablehnender Anmerkung Wattenberg, StV 2010, 471, 472 f.; zustimmend hingegen Knauer/Lickleder, NStZ 2012, 366, 377[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 01.03.2011 – 1 StR 52/11, NJW 2011, 1526, 1527[]
  5. BGH, Beschluss vom 19.08.2010 – 3 StR 226/10, StV 2011, 76, 77[]
  6. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.10.2010 – III4 RVs 60/10, StV 2011, 80, 81 mit zustimmender Anmerkung Kuhn, StV 2012, 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 07.03.2014 – 3 (6) Ss 642/13, NStZ 2014, 294, 295 mit zustimmender Anmerkung Moldenhauer, NStZ 2014, 493; MünchKomm-StPO/Jahn/Kudlich, § 257c Rn. 177 f.; Altvater, StraFo 2014, 221, 222; weitergehend – stets ein Verwertungsverbot annehmend – LR/Stuckenberg aaO Rn. 68; SK-StPO/Velten, 5. Aufl., § 257c Rn. 48; KMR/v. Heintschel-Heinegg, 56. EL, § 257c Rn. 53; HK-StPO-Temming, 5. Aufl., § 257c Rn. 37; aA möglicherweise BGH, Urteil vom 28.02.2013 – 4 StR 537/12, NStZ-RR 2013, 373, das eine Beschränkung der staatsanwaltschaftlichen Revision auf den Strafausspruch nach vorausgegangener Verständigung und Geständnis des Angeklagten für wirksam gehalten hat; offen gelassen von OLG Nürnberg, Beschluss vom 29.02.2012 – 1 St OLGSs 292/11, NStZ-RR 2012, 255, 256[]
  7. OLG Karlsruhe aaO; Schneider aaO S. 4; Wenske, NStZ 2015, 137, 141 f.; differenzierend El-Ghazi, JR 2012, 406, 413 f.[]
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