Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrages zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, macht sich der Untreue in der Variante des Treuebruchtatbestandes (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) strafbar1.

Für den Mandanten oder einen von diesem bestimmten Empfänger eingehende Gelder hat er unverzüglich zu übermitteln oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür besorgt zu sein, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht2.
Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war das verwendete Geschäftskonto des Rechtsanwalts häufig überzogen, so dass eingehende Fremdgelder unmittelbar mit Eingang auf dem Konto dem Ausgleich des Solls dienten; teilweise verwendete der Angeklagte die Gelder zum Ausgleich anderer Verbindlichkeiten. Beides reicht für die Annahme einer Untreue in der Form des Treuebruchs aus.
Diese Feststellungen belegen damit allerdings nicht nur den Eintritt einer schadensgleichen Vermögensgefährdung. Mit der Kontokorrentbuchung der Bank oder dem Abfluss des Zahlungseingangs vom Konto ist bei dem Berechtigten bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten3.
Soweit sich die Tathandlung des Rechtsanwalts in einer einmaligen Zahlungsaufforderung unter Angabe seines Geschäftskontos für zu leistende Zahlungen erschöpft, rechtfertigt dies allerdings ungeachtet der Anzahl der daraufhin erhaltenen Zahlungen nicht die Annahme von Tatmehrheit rechtfertigen4.
Untreue kann durch den Rechtsanwalt durch aktives Tun wie auch durch Unterlassen begangen werden. Verwirklicht er den Tatbestand ausschließlich dadurch, dass er pflichtwidrig dem Mandanten oder einem Dritten zustehende Gelder nicht weiterleitet, sondern auf seinem Geschäftskonto belässt, so ist hierauf die Strafmilderungsvorschrift des § 13 Abs. 2 StGB anwendbar, denn der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt hier in einem Unterlassen5. Die Unterscheidung zwischen den Begehungsformen hat sich daran zu orientieren, ob zu dem bloßen Gelderhalt ein Tätigwerden des Rechtsanwalts (Anfordern des Geldes, Verwenden des Geldes zu eigenen Zwecken, Ableugnen des Zahlungseingangs) hinzutritt oder sich der Vorwurf in dem bloßen Untätigbleiben nach Zahlungserhalt erschöpft.
Die Bewertung der Konkurrenzen bleibt von der Begehungsform allerdings unberührt. Der Verwirklichung des Treuebruchtatbestands (§ 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB) durch Unterlassen stünde die fortgesetzte Leistungsunfähigkeit des Angeklagten zum Zeitpunkt der Entstehung der jeweiligen Zahlungspflicht nicht entgegen, denn er ist verpflichtet, für seine Leistungsfähigkeit zu den verschiedenen Zahlungszeitpunkten Sorge zu tragen (Rechtsgedanke der omissio libera in causa)6.
Bei der Prüfung der Regelwirkung der § 266 Abs. 2, § 243 Abs. 2, § 248a StGB ist nicht auf die Höhe des tatsächlichen Schadens, sondern auf die Vorstellung des Rechtsanwalts abzustellen7.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14
- vgl. BGH, Urteile vom 16.12 1960 – 4 StR 401/60, BGHSt 15, 342, 344; und vom 27.01.1988 – 3 StR 61/87, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Nachteil 8; Beschlüsse vom 25.07.1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; vom 30.10.2003 – 3 StR 276/03, NStZ-RR 2004, 54; und vom 24.07.2014 – 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1960 – 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323, 336 ff.[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 25.07.1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357; und vom 24.07.2014 – 2 StR 221/14, wistra 2015, 27, 28[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.07.1997 – 3 StR 179/97, NStZ-RR 1997, 357[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 03.12 2013 – 1 StR 526/13, NStZ 2014, 158, 159; vgl. im Kontext von § 266a StGB BGH, Beschluss vom 28.05.2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 320[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 01.02.1995 – 2 StR 657/94[↩]