Dinglicher Arrest im Ermittlungsverfahren – und der Pfändungsschutz für das Konto eines Dritten

Gem. § 111 f Abs. 5 StPO kann der Betroffene gegen Maßnahmen, die in Vollziehung der Beschlagnahme oder des Arrestes getroffen werden, jederzeit die Entscheidung des Gerichts beantragen. Dadurch wird klargestellt, dass alle Einwendungen gegen Maßnahmen in Vollziehung des Arrestes im strafprozessualen Rechtsweg erledigt werden1. Zuständig für die Entscheidung ist im Ermittlungsverfahren der Ermittlungsrichter2, auch dann, wenn es sich der Sache nach – wie hier – um zwangsvollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe handelt3. Mithin ist auch die Beschuldigte Betroffene i.S.d. § 111 f Abs. 5 StPO.

Dinglicher Arrest im Ermittlungsverfahren – und der Pfändungsschutz für das Konto eines Dritten

Im Rahmen der Rückgewinnungshilfe sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über § 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 928 ZPO entsprechend anwendbar.

Die Beschwerdeführerin kann Vollstreckungsschutz in entsprechender Anwendung des § 765 a ZPO beanspruchen, soweit die Gutschrift des nach § 850 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 850 c ZPO nur bedingt pfändbaren Vorschusses auf die Witwenrente der Beschuldigten durch die Kontopfändung berührt ist.

§ 765 a ZPO gilt grundsätzlich neben den übrigen vollstreckungsrechtlichen Schutzvorschriften. Der Anwendbarkeit dieser Vorschrift steht nicht entgegen, dass bei der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall auch die in den gesetzlichen Pfändungsschutzbestimmungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen zu berücksichtigen sind4.

Die Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765 a ZPO kommt allerdings nur in Betracht, wenn andere Schutzvorschriften erschöpft sind oder nicht zur Anwendung kommen5. Die Beschwerdeführerin kann vorliegend nicht auf anderem Wege Pfändungsschutz hinsichtlich des gepfändeten Auszahlungsanspruchs erlangen.

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Insbesondere kann der Beschwerdeführerin durch Umwandlung des Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto gem. § 850 k ZPO kein Schutz gewährt werden, weil sie nicht die Inhaberin des gepfändeten Kontos ist und daher auch gegenüber der Drittschuldnerin die Umwandlung nicht erklären kann.

Die Pfändung der Gutschrift des Vorschusses auf die Witwenrente der Beschuldigten bedeutet für diese auch unter Würdigung des Schutzinteresses des Gläubigers eine Härte, die mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Ziel des Vollstreckungsschutzes ist es, die Lebensgrundlage des Schuldners zu sichern. Da Erwerbseinkommen und Einkünfte aus Erwerbsersatzeinkommen zumeist unbar gezahlt werden, wurden durch die Neuregelung des § 850 k ZPO (Pfändungsschutzkonto) die Forderungen des Schuldners gegenüber dem Kreditinstitut geschützt. Vorliegend dient das Konto des Sohnes und Gesamtschuldners zu 2)) dazu, der Beschuldigten und Gesamtschuldnerin zu 1)), die selbst keine Kontoverbindung besitzt, eine banktechnische Abwicklung der zu zahlenden Rente zu ermöglichen.Die Beschuldigte hat mit der Anweisung an den Sozialversicherungsträger, den ihr zustehenden Vorschuss auf die Witwenrente auf das Konto des Sohnes auszuzahlen, keine Verfügung zugunsten eines Dritten getroffen. Vielmehr handelt es sich bei der Zurverfügungstellung des Kontos um einen Auftrag gem. § 662 BGB mit der Folge, dass der Sohn als Beauftragter gem. § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten an die Beschuldigte verpflichtet ist.

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Der Gläubiger wird dadurch, dass der gezahlte Vorschuss der Witwenrente von der Pfändung ausgenommen wird, nicht unangemessen benachteiligt. Die Beschuldigte könnte für den gezahlten Vorschuss auf die Witwenrente in voller Höhe Pfändungsschutz nach § 111 d Abs. 2 StPO i.V.m. § 928 ZPO i.V.m. § 850 b Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 850 c ZPO beanspruchen. Durch die Anwendung des § 765 a ZPO wird daher hier einer unzumutbaren Härte entgegengewirkt, die daraus resultiert, dass die Beschuldigte, die auf den betreffenden Betrag existentiell angewiesen ist, über kein eigenes Bankkonto verfügt.

Landgericht Braunschweig, Beschluss vom 3. November 2014 – 8 Qs 197/14

  1. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 111 f, Rn. 15[]
  2. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.[]
  3. OLG Hamburg, NJW 2008, 1830[]
  4. BGH, Beschl. vom 27.03.2008, VII ZB 32/07, Rn.11, zitiert nach juris[]
  5. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2002, 1664[]