Dass es sich bei der Merkmalswahrscheinlichkeit (oder Identitätswahrscheinlichkeit) lediglich um einen statistischen Wert handelt und deshalb die Spurenverursachung durch eine andere Person niemals völlig auszuschließen ist, hindert das Tatgericht zwar nicht daran, seine Überzeugungsbildung gegebenenfalls ausschließlich auf die DNA-Spur zu stützen.

Ob sich das Tatgericht allein aufgrund einer Merkmalsübereinstimmung mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft zu überzeugen vermag, ist aber vorrangig ihm selbst überlassen.
Es ist zwar auch in diesen Fällen – wie bei der Beweiswürdigung ansonsten – gehalten, die in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise sorgfältig und umfassend zu würdigen. Erweist sich die Beweiswürdigung danach aber als rechtsfehlerfrei, ist es im Einzelfall revisionsrechtlich sowohl hinzunehmen, dass sich das Tatgericht eine entsprechende Überzeugung bildet, als auch, dass es sich dazu aufgrund vernünftiger Zweifel nicht in der Lage sieht [1].
Nach diesen Maßstäben begegnet die landgerichtliche Beweiswürdigung im hier entschiedenen Fall für den Bundesgerichtshof keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat sich trotz der dem Angeklagten zuzurechnenden DNA-Spur auf dem zur Fesselung der Geschädigten benutzten Klebeband auch unter Berücksichtigung weiterer für eine Täterschaft des Angeklagten sprechender Indizien von dessen Tatbeteiligung nicht überzeugen können, weil es eine Sekundärübertragung durch einen anderen Spurenleger für möglich gehalten hat. Dabei hat es sich auf die Ausführungen der Sachverständigen zu neueren Untersuchungen über Möglichkeit und Häufigkeit von Sekundär- und Tertiärübertragungen gestützt. Es hat es aber entgegen dem Revisionsvorbringen nicht bei der damit aufgezeigten rein theoretischen Möglichkeit einer Fremdübertragung belassen. Vielmehr hat es konkret begründet, warum es im vorliegenden Fall eine Sekundärübertragung über die vom Täter getragenen Handschuhe oder dessen Kleidung als möglich in Betracht gezogen hat.
Im Ausgangspunkt hat die Strafkammer eine direkte Übertragung der festgestellten Spur vom Täter auf das Klebeband durch Hautabrieb oder Speichel als nicht wahrscheinlich angesehen, da der Täter nach den Bebachtungen der Geschädigten während der Tat durchweg Handschuhe getragen habe und so maskiert gewesen sei, dass nur die Augenpartie freigelegen habe, weshalb eine DNA-Übertragung durch Sprechen, Husten usw. fernliegend sei. Auch unter Berücksichtigung der Auffassung der Sachverständigen, die eine Sekundärübertragung zwar für möglich, im Hinblick auf die Menge des vorgefundenen Materials gleichwohl für „nicht sonderlich wahrscheinlich“ gehalten hat, hat das Landgericht sich deshalb von einer Primärübertragung durch den am Tatort anwesenden Angeklagten nicht überzeugen können. Ausgehend von der Möglichkeit einer nur indirekten Übertragung hat es vielmehr auch eine Fremdübertragung für möglich gehalten, indem nicht der Angeklagte, sondern eine andere Person am Tatort gewesen sei, die mit der DNA des Angeklagten kontaminierte Handschuhe oder Kleidung getragen habe. Zwar hat sich das Landgericht nicht ausdrücklich mit der durchaus naheliegenden Möglichkeit befasst, dass die Handschuhe oder die Kleidung, von der die Spur auf das Klebeband gelangt ist, vom Angeklagten als demjenigen getragen wurde, dem die DNA-Spur zuzurechnen ist. Doch ergibt der Zusammenhang der Urteilsgründe, dass das Landgericht es in den Blick genommen hat, dass im Tatzeitraum auch andere Zugriff auf – etwa im Fahrzeug seines Bruders abgelegte – Arbeitskleidung und Handschuhe des Angeklagten hatten.
Das Landgericht hat seine fehlende Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten zudem nicht allein mit der Möglichkeit einer Fremdübertragung begründet, sondern als weitere dagegen sprechende Indizien angeführt, dass der Täter, der die Geschädigte gefesselt hatte, über Insiderwissen zu den privaten Lebensumständen der Geschädigten verfügte, das dem Angeklagten nicht ohne weiteres zugänglich war, und weder die mit der Geschädigten durchgeführte Lichtbildervorlage noch die vorgefundenen Fußabdruckspuren Hinweise auf den Angeklagten als Täter erbracht hatten.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juni 2017 – 3 StR 31/17
- BGH, Urteil vom 21.03.2013 – 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212, 215 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 05.03.2015 – 3 StR 514/14, NStZ-RR 2015, 180[↩]