Regelt der Gesetzgeber die Strafbarkeit eines Verhaltens durch eine Blankettstrafnorm, die auf eine außergesetzliche Bestimmung Bezug nimmt, so muss die vorrangige Bestimmungsgewalt des Gesetzgebers erhalten bleiben. Dies ist bei der Bezugnahme von § 95 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 6a Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AMG a.F. auf den jährlich aktualisierten Anhang zu dem Übereinkommen des Europarats gegen Doping vom 16. November 1989 jedenfalls insoweit der Fall, als der Gesetzgeber bei Aktualisierungen der Verweisungsnorm des § 6a AMG a.F. die dann aktuellen Verbotslisten in seinen Willen aufgenommen hat.

Im vorliegenden Fall hatte ein internationales Unternehmen aufgrund von Internetwerbung im Tatzeitraum unter anderem Anabolika an über 100.000 Besteller in mehreren Kontinenten vertrieben und dabei einen Umsatz von mehr als 8,5 Millionen Euro erzielt. Der Angeklagte war in leitender Position im Vertriebsbereich des Unternehmens beteiligt.
Das Landgericht Bonn hat ihm den organisierten Vertrieb der Anabolika als einheitliche Tat des Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport zugerechnet und ihn wegen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 6a Abs. 1 und 2 AMG und in Verbindung mit dem Anhang zu dem Übereinkommen gegen Doping1 zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt2. Der Bundesgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten verworfen. Die Verwendung von Anabolika zur Leistungssteigerung beim Bodybuilding sei auch als Doping im Sport anzusehen. Der Bundesgerichtshof hat die Bezugnahme in § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG auf den zur Tatzeit geltenden Anhang des Übereinkommens gegen Doping vom 16. November 1989, in dem die verbotenen Wirkstoffe aufgeführt sind, gebilligt und sieht darin keinen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.
Bei den an Kunden des Unternehmens „G. “ versandten Waren handelte es sich um Arzneimittel im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG, die durch Feilbieten bzw. Abgabe an andere in Verkehr gebracht wurden. Dem Angeklagten sind die entsprechenden Handlungen durch Mitarbeiter des Unternehmens „G. “ gemäß § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen. Insoweit liegt bei ihm eine einheitliche Handlung vor3.
Das Inverkehrbringen der Arzneimittel erfolgte zu Dopingzwecken im Sport. Der Tatbestand in § 95 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 6a Abs. 1 AMG erfasst neben dem Leistungssport auch den Breitensport. Die Stärkung des Muskelwachstums im Zusammenhang mit „Bodybuilding“ durch Einnahme von Anabolika ist als Doping im Sport anzusehen4.
Die Regelung des § 6a Abs. 1 AMG findet allerdings nur Anwendung auf solche Arzneimittel, die Stoffe der im Anhang des Übereinkommens gegen Doping vom 16.11.1989 aufgeführten Gruppen von verbotenen Wirkstoffen enthalten (§ 6a Abs. 2 Satz 1 AMG5). Dabei wird der Anhang zu dem Übereinkommen gegen Doping im Sport von der Beobachtenden Begleitgruppe des Europarats (Art. 10 des Übereinkommens gegen Doping) durch jährlich aktualisierte Verbotslisten, die sich inzwischen an den von der World-Anti-Doping-Agency (WADA) aufgestellten Verbotslisten orientieren, neu gefasst und jeweils im Bundesgesetzblatt (Teil II) veröffentlicht.
Es kann dahinstehen, ob alle von der „G. “ mit Hilfe des Angeklagten vertriebenen Dopingmittel schon in dem ursprünglichen Anhang zu dem Übereinkommen gegen Doping6, auf den § 6a Abs. 2 AMG Bezug nimmt, enthalten waren. Der Bundesgerichtshof braucht auch nicht zu entscheiden, ob es sich bei der Verweisung des § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG in der bis zum 25.10.2012 geltenden Fassung um eine dynamische Verweisung auf die jeweils durch Beschluss der Beobachtenden Begleitgruppe des Europarats jährlich angepasste Fassung des Anhangs handelt7.
Der Gesetzgeber hat nämlich § 6a Abs. 2 AMG unter anderem durch das Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport im Jahre 20078 und durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.20099 geändert (weitere Änderungen erfolgten in den Jahren 2010, 2012 und 2013). Ihm war dabei bewusst, dass die Verbotslisten im Anhang zu dem Übereinkommen gegen Doping jährlich aktualisiert werden. Der Gesetzgeber hat damit die zur Tatzeit gültigen Listen10 in seinen Willen aufgenommen. Die jeweils bestehenden Verbotslisten stellen den gemäß § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG maßgeblichen „Anhang zu dem Übereinkommen gegen Doping“ dar. Sie enthalten sämtliche von der „G. “ als Dopingmittel vertriebenen Stoffe, deren Inverkehrbringen dem Angeklagten vorgeworfen wird. Diese Stoffe sind auch in weiteren Aktualisierungen der Verbotslisten aufgeführt11. Es besteht kein Zweifel daran, dass der Gesetzgeber zurzeit der Änderungen des § 6a AMG jeweils den Umgang mit diesen Stoffen unter das strafrechtliche Verbot des § 95 Abs. 1 Nr. 2a i.V.m. § 6a Abs. 1 und 2 AMG stellen und daran festhalten wollte.
Damit ist auch Art. 103 Abs. 2 GG Genüge getan, ohne dass insoweit zu entscheiden wäre, ob eine dynamische Verweisung, die der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012 im Normtext „konkretisiert“ hat12, dem Bestimmtheitsgebot genügt13. Erfolgt die Ergänzung eines Blankettstrafgesetzes durch eine außergesetzliche Regelung, so ist dies unschädlich, wenn die Voraussetzungen der Strafbarkeit sowie Art und Maß der Strafe bereits im Gesetz hinreichend deutlich umschrieben sind14. Bei der ergänzenden Einbeziehung eines konkretisierenden Rechtsakts außerhalb des Gesetzes muss zwar auch die vorrangige Bestimmungsgewalt des Gesetzgebers erhalten bleiben15. Dies ist hier aber, soweit der Gesetzgeber mit den Änderungen des § 6a Abs. 2 AMG – wie dargelegt – die Strafbarkeit des Umgangs mit den in den Anhängen zu dieser Zeit enthaltenen Stoffen unter ein strafrechtliches Verbot stellen wollte, ohne Weiteres anzunehmen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. September 2013 – 2 StR 365/12
- vgl. Gesetz vom 02.03.1994 zu dem Übereinkommen vom 16.111989 gegen Doping, BGBl. 1994 II S. 334[↩]
- LG Bonn, Urteil vom 06.02.2012 – 920 Js 54/11 – 27 KLs 5/11[↩]
- vgl. zu einem „uneigentlichen Organisationsdelikt“: BGH, Beschluss vom 23.05.2013 – 2 StR 555/12, wistra 2013, 389[↩]
- vgl. BT-Drucks. 13/9996 S. 13; BGH, Beschluss vom 14.12.2011 – 5 StR 425/11, BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 2a Dopingmittel 2[↩]
- in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport vom 24.10.2007, BGBl.2007 I, S. 2510[↩]
- Gesetz vom 02.03.1994 zu dem Übereinkommen gegen Doping vom 16.11.1989, BGBl.1994 II S. 334[↩]
- so ohne nähere Begründung BGH, Beschluss vom 05.08.2009 – 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171; und jetzt auch die Neufassung des § 6a Abs. 2 Satz 1 AMG durch das Zweite Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 19.10.2012, BGBl.2012 I, S. 2192: Verweis auf die „jeweils geltende Fassung des Anhangs“[↩]
- BGBl.2007 I, S. 2510[↩]
- BGBl.2009 I, S.1990[↩]
- BGBl.2007 II, S. 812 ff. und BGBl.2009 II, S. 368 ff.[↩]
- vgl. BGBl.2010 II, S.206; 2011 II, S. 78; 2012 II, S. 118; 2013 II, S. 177[↩]
- BT-Drucks. 17/9341 S. 48[↩]
- vgl. dazu Parzeller/Prittwitz StoffR 2009, 101, 106 ff. und 119 ff. m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.1996 – 3 StR 506/95, BGHSt 42, 79, 84[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.04.2010 – 2 BvR 871/04, 2 BvR 414/08, Rn. 57, wistra 2010, 396, 403[↩]