Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, die das Gericht während laufender Hauptverhandlung vornimmt, im Haftbeschwerdeverfahren nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht1.

Allein das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattfindet, ist in der Lage, deren Ergebnisse aus eigener Anschauung festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob der dringende Tatverdacht nach dem erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder dies nicht der Fall ist.
Das Beschwerdegericht hat demgegenüber keine eigenen, unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der Beweisaufnahme. Allerdings muss es in die Lage versetzt werden, seine Entscheidung über das Rechtsmittel der Angeklagten auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen, um den erhöhten Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Begründungstiefe von Haftfortdauerentscheidungen zu stellen sind, ausreichend Rechnung tragen zu können.
Daraus folgt indes nicht, dass das Gericht alle bislang erhobenen Beweise in der von ihm zu treffenden Entscheidung einer umfassenden Darstellung und Würdigung unterziehen muss. Die abschließende Bewertung der Beweise und ihre entsprechende Darlegung ist den Urteilsgründen vorbehalten. Haftprüfung und Haftbeschwerde führen nicht zu einem über die Nachprüfung des dringenden Tatverdachts hinausgehenden Zwischenverfahren, in dem sich das Gericht zu Inhalt und Ergebnis aller Beweiserhebungen erklären müsste2.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. Dezember 2019 – StB 29/19
- vgl. Beschlüsse vom 21.04.2016 StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217; vom 05.02.2015 StB 1/15, BGHR StPO § 304 Abs. 4 Haftbefehl 3; vom 22.10.2012 StB 12/12, NJW 2013, 247 Rn. 6; vom 02.09.2003 StB 11/03, NStZ-RR 2003, 368[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 21.04.2016 StB 5/16, NStZ-RR 2016, 217; vom 29.10.2015 StB 14/15 7 mwN[↩]