Mit der Garantie der Unverletzlichkeit der Wohnung durch Art. 13 Abs. 1 GG erfährt die räumliche Lebenssphäre des Einzelnen einen besonderen grundrechtlichen Schutz, in den mit einer Durchsuchung schwerwiegend eingegriffen wird1.

Notwendiger und grundsätzlich auch hinreichender Anlass für Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren ist der Verdacht einer Straftat. Der Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus2.
Dem erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten Zweck verhältnismäßig sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderlich sein; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen3. Hierbei sind auch die Bedeutung des potentiellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten. Im Einzelfall können die Geringfügigkeit der zu ermittelnden Straftat, eine geringe Beweisbedeutung der zu beschlagnahmenden Gegenstände sowie die Vagheit des Auffindeverdachts der Durchsuchung entgegenstehen4.
An eine Durchsuchung nach § 103 StPO bei einer nicht verdächtigen Person, die durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, sind besondere Anforderungen zu stellen5. Konkrete Gründe müssen dafür sprechen, dass der gesuchte Beweisgegenstand in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann. Dies unterscheidet die Durchsuchung beim Unverdächtigen nach § 103 StPO von einer Durchsuchung bei einer verdächtigen Person nach § 102 StPO, bei der es bereits nach der Lebenserfahrung in gewissem Grade wahrscheinlich ist, dass Beweisgegenstände zu finden sind, die zur Prüfung des Tatverdachts beitragen können, und bei der durch die Verknüpfung des personenbezogenen Tatverdachts mit einem eher abstrakten Auffindeverdacht ein hinreichender Eingriffsanlass besteht6.
Diesen Anforderungen wurde im vorliegenden Fall der Durchsuchungsbeschluss nicht gerecht. Konkrete Gründe, die für ein Auffinden des Banners bei dem Beschwerdeführer sprachen, lagen nicht vor. Es kann insoweit dahinstehen, ob der durch den Staatsanwalt gefertigte Vermerk Grundlage für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung sein konnte oder ob der Verwertung desselben verfahrensrechtliche Hindernisse entgegenstanden. Denn auch die in dem Vermerk niedergelegten Aussagen des Zeugen vom Hörensagen sind nicht geeignet, einen konkreten Auffindeverdacht zu begründen. Zwar sind die weiteren Einschätzungen in der von einem szenekundigen Beamten gefertigten anlassbezogenen Beschreibung, nach der das Banner gut versteckt, aber jederzeit verwendbar vermutet und es als eher unwahrscheinlich angenommen wird, dass eine der Führungskräfte das Banner in seinen Privaträumen aufbewahren würde, für das Gericht nicht bindend und die Erwägungen, mit denen das Landgericht diese Annahmen zurückgewiesen hat, zumindest verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ungeachtet dessen mangelt es jedoch an konkreten Tatsachen, die einen Auffindeverdacht hätten begründen können.
So hat der namentlich nicht benannte Informant angegeben, dass die ihm bekannte, namentlich ebenfalls nicht benannte dritte Person lediglich habe angeben können, dass sich das gesuchte Banner im Besitz der Ultra-Gruppierung C. befinde, ihr der Aufbewahrungsort jedoch nicht bekannt sei. Aus der polizeilichen anlassbezogenen Beschreibung der Ultra-Szene in B. lässt sich zugunsten eines Auffindeverdachts nur entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer bei der Abspaltung der Ultragruppe C. als führender Kopf der Gruppe herauskristallisiert habe und davon ausgegangen werde, dass er weiterhin eine Führungsposition innehabe. Die Annahme, dass sich das Banner bei ihm befinde, ist auf dieser Grundlage nicht mehr als eine Vermutung. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer zur mehrköpfigen Führungsriege der Ultragruppierung C. gehört, lässt sich auf die Entstehungsgeschichte der Ultragruppierung stützen. Zu dieser gehören nach polizeilichen Erkenntnissen jedoch auch circa 20 gewaltsuchende und 40 gewaltbereite beziehungsweise -geneigte Fans. Daraus ergibt sich eine erhebliche Anzahl an Personen, die potentiell in Betracht kommen, das Banner aufzubewahren oder versteckt zu haben. Anhaltspunkte dafür, dass das Banner in einer Privatwohnung, bei einer Person der mehrköpfigen Führungsriege oder unabhängig davon bei dem Beschwerdeführer aufbewahrt wird, liegen nicht vor. Ein Verdacht für das Auffinden des Banners bei dem Beschwerdeführer lässt sich mithin nicht anhand von konkreten Tatsachen begründen.
Das Bundesverfassungsgericht hat daher den angegriffenen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts München7 und die Entscheidung des Landgerichts München I8, soweit sie den Durchsuchungsbeschluss zum Gegenstand hat, aufgehoben (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2 BVerfGG) und die Sache zur Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 11. Januar 2016 – 2 BvR 1361/13
- vgl. BVerfGE 42, 212, 219 f.; 96, 27, 40; 103, 142, 150 f.; BVerfG, Beschluss vom 16.06.2015 – 2 BvR 2718/10 56[↩]
- vgl. BVerfGE 44, 353, 381 f.; 59, 95, 97 f.; BVerfGK 1, 126, 131[↩]
- vgl. BVerfGE 96, 44, 51[↩]
- vgl. BVerfGE 113, 29, 57; 115, 166, 197[↩]
- vgl. BVerfGK 1, 126, 132[↩]
- vgl. BVerfGK 1, 126, 132; 15, 225, 241[↩]
- AG München, Beschluss vom 21.05.2013 – 8 Qs 14/12[↩]
- LG München I, Beschluss vom 21.03.2012 – I Gs 2605/12[↩]