Eingeschränkte Schuldfähigkeit – und die ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung

Ist eine „ausgeprägte“ dissoziale Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, kommt eine Bewertung des Zustandsbildes als schwere andere seelische Abartigkeit in Betracht.

Eingeschränkte Schuldfähigkeit – und die ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitsstörung

Die Annahme, eine dissoziale Persönlichkeitsstörung sei niemals eine seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21 StGB, wäre ebenso fehlerhaft, wie die Behauptung, derartige Persönlichkeitsstörungen erfüllten stets die Voraussetzungen eines Eingangsmerkmals1.

Die Fragen, ob eine festgestellte seelische Abartigkeit in Form einer „ausgeprägten“ dissozialen Persönlichkeitsstörung schwer gewesen ist und ob sie bei der Begehung der Tat die Fähigkeit des Angeklagten, sich entsprechend einer vorhandenen Einsicht in das Unrecht der Tat zu steuern, erheblich vermindert hat, sind durch Gesamtwürdigung der Persönlichkeit, ihrer Entwicklung, der Vorgeschichte und des unmittelbaren Anlasses sowie der Ausführung der Tat und des Nachtatverhaltens zu prüfen.

Der Vergleich mit den Auswirkungen krankhafter seelischer Störungen hat sich auch nicht notwendig an solchen Krankheitsbildern zu orientieren, die zu einem Ausschluss der Schuldfähigkeit führen. Der Vergleich mit schwächeren Formen kann genügen2.

Maßgeblich wäre danach gegebenenfalls die weitere Frage, ob die Steuerungsfähigkeit des Täters bei der Begehung der Tat infolge dieser Störung erheblich eingeschränkt war. Im Allgemeinen führen Persönlichkeitsstörungen nämlich zwar nicht zur Aufhebung der Unrechtseinsicht oder der Steuerungsfähigkeit; sie können aber eine erhebliche Verminderung des Hemmungsvermögens zur Folge haben3. Dafür hat der Tatrichter auch die Entwicklung des Tatgeschehens in den Blick zu nehmen.

Weiterlesen:
Eingehungsbetrug - und der maßgebliche Zeitpunkt für den Vermögensschaden

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 2 StR 459/16

  1. vgl. BGH, Urteil vom 04.06.1991 – 5 StR 122/91, BGHSt 37, 397, 400 f.[]
  2. BGH aaO, BGHSt 37, 397, 401 f.[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 21.01.2004 – 1 StR 346/03, BGHSt 49, 45, 54[]