Einziehung von Grundstücken, die mit illegalen Geldern erworben wurden

Ein Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt und sichergestellt worden ist, kann nach § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Von einem „Herrühren“ ist bereits dann auszugehen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kausalzusammenhang zwischen „der Vortat“ und dem Gegenstand besteht. Dabei ist es ohne Belang, ob die Erwerbstaten in Deutschland oder im Ausland begangen wurden.

Einziehung von Grundstücken, die mit illegalen Geldern erworben wurden

Mit dieser Begründung hat das Kammergericht Berlin in dem hier vorliegenden Fall die Einziehung zweier beschlagnahmter, mit Erlösen aus Straftaten finanzierter Grundstücke in Berlin-Neukölln bestätigt. Gleichzeitig ist die sofortige Beschwerde des Einziehungsbeteiligten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin1 zurückgewiesen worden. Der Eigentümer (Einziehungsbeteiligter) dieser Grundstücke ist ein mittlerweile 27-jähriger Berliner. Gegen ihn und eine Vielzahl weiterer Beschuldigter aus dem Umfeld seiner Großfamilie waren zunächst mehrere Ermittlungsverfahren wegen Geldwäsche geführt worden, weil der Verdacht bestand, dass sie aus Straftaten stammende Gelder in Kenntnis deren illegaler Herkunft und in Umsetzung eines zuvor gefassten Tatplanes seit 2008 in über 80 Fällen in den Erwerb verschiedener in Berlin gelegener Immobilien und/oder Rechte aus diesen Immobilien investiert und dadurch die Herkunft der inkriminierten Gelder verschleiert haben. Die Staatsanwaltschaft Berlin stellte im Dezember 2019 das genannte Ermittlungsverfahren dann ein, weil sich nach Abschluss der Ermittlungen eine konkrete rechtswidrige Vortat nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit eingrenzen ließ.

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Von der Staatsanwaltschaft ist daraufhin beim Landgericht Berlin im sog. selbständigen Einziehungsverfahren (selbständig, da es aus den genannten Gründen nicht zu einem Verfahren wegen Geldwäsche kommen wird) die Anordnung zur Einziehung der Grundstücke beantragt worden. Der Einziehungsbeteiligte war mit der Entscheidung des Landgerichts Berlin zur Anordnung der Einziehung nicht einverstanden und hat sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen gewehrt.

In seiner Entscheidungsbegründung hat das Kammergericht in Berlin ausführlich darauf hingewiesen, dass der im Juli 2017 neu in Kraft getretene § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB hier anwendbar sei. Nach § 76a Abs. 4 Satz 1 StGB soll ein Gegenstand, der zur Überzeugung des Gerichts aus einer rechtswidrigen – gemäß § 76b Abs. 1 StGB nicht länger als dreißig Jahre zurückliegenden – Tat herrührt und in einem Verfahren wegen des Verdachts einer in § 76a Abs. 4 Satz 3 StGB genannten Straftat sichergestellt worden ist, auch dann selbständig eingezogen werden, wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Nach Auffassung des Kammergerichts begegne diese Regelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sei insbesondere mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar. § 76a Abs. 4 StGB sei auch nicht deshalb unanwendbar, weil die vorliegend allein in Betracht kommenden Anknüpfungs- und Erwerbstaten im Sinne des § 76a Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 StGB bereits vor dem Inkrafttreten dieser Norm am 1. Juli 2017 begangen wurden. Art. 316h EGStGB normiere ausdrücklich, dass in Verfahren, in denen – wie vorliegend – bis zum 1. Juli 2017 noch keine Entscheidung über die Anordnung des Verfalls oder des Verfalls von Wertersatz ergangen ist, abweichend von § 2 Absatz 5 StGB die Vorschriften des neuen Vermögensabschöpfungsrechts, darunter auch § 76a Abs. 4 StGB, anzuwenden seien. Für den hier zu entscheidenden Fall habe das Kammergericht auch keine Zweifel, dass dieser rückwirkende Anwendungsbefehl verfassungsgemäß ist.

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Weiterhin seien vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen für eine selbständige Einziehung gegeben, insbesondere sei davon auszugehen, dass die in den Erwerb der Grundstücke investierten Gelder aus nicht länger als dreißig Jahre zurückliegenden rechtswidrigen Taten herrühren. Nach Meinung des Kammergerichts sei von einem „Herrühren“ bereits dann auszugehen, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Kausalzusammenhang zwischen „der Vortat“ und dem Gegenstand besteht; anders als bei der Geldwäsche selbst müsse „die Vortat“ jedoch nicht konkret ermittelt und festgestellt sein, sondern es genüge, dass das Gericht aufgrund erschöpfender Beweiserhebung und -würdigung die uneingeschränkte Überzeugung von der Herkunft der von der Anordnung erfassten Gegenstände aus irgendeiner Straftat gewonnen hat.

Nach Auffassung des Kammergerichts sei das hier der Fall. Zu berücksichtigen sei insbesondere, dass im familiären Umfeld des Einziehungsbeteiligten im Zeitraum von 2008 bis 2018 in über 80 Fällen Immobilien beziehungsweise Rechte an Immobilien erworben wurden, obwohl keiner der Erwerber im Zeitpunkt des Erwerbs über legale Einkünfte in einer den Kauf von Immobilien nahelegenden Größenordnung verfügte. Im Übrigen spiele es bei der Anwendung des § 74a Abs. 4 StGB entgegen dem Vorbringen des Einziehungsbeteiligten auch keine Rolle, ob die – im Einzelnen nicht bekannten ? Erwerbstaten in Deutschland oder im Ausland begangen wurden. § 74a Abs. 4 StGB sei geschaffen worden, um gerade in Fällen mit Auslandsbezug, etwa bei polizeilichen Flughafen- und Verkehrskontrollen, deliktisch erlangtes Vermögen unklarer Herkunft einziehen zu können.

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  1. LG Berlin, Entscheidung vom 07.04.2020 – 541 KLs 1/20[]