Entschädigungsanspruch gegen Verteidiger

Gibt der Verteidiger im Namen seines Mandanten eine von diesem nicht autorisierte Erklärung in einem Strafprozess ab, richtet sich der Entschädigungsanspruch nach den allgemeinen Voraussetzungen ( § 823 Abs. 2 BGB, Art 1 u. 2 GG, Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht ), wobei eine Gesamtabwägung aller Umstände vorzunehmen ist.

Entschädigungsanspruch gegen Verteidiger

In dem hier vom Oberlandesgericht Celle entschiedenen Fall hat der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Geldentschädigung gemäß § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1, Art. 2 GG, wobei offen bleiben kann, ob der Beklagte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt hat. Jedenfalls sind die besonderen Voraussetzungen, unter denen eine Geldentschädigung verlangt werden kann, nicht gegeben.

Ein solcher Anspruch auf Geldentschädigung ist dann anzunehmen, wenn der Anspruchsteller durch eine rechtswidrige und schuldhafte Verletzung in seinem Persönlichkeitsrecht betroffen worden ist und die Umstände, insbesondere die Schwere der Verletzung oder des Verschuldens, eine solche Genugtuung erfordern1. Auch ein Rechtsanwalt kann seinem Mandanten gegenüber aus unerlaubter Handlung auf eine Geldentschädigung haften2.

Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch eine Verletzung der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion bliebe mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen3.

Es ist jedoch schon zweifelhaft, ob sich eine solche Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegend noch feststellen lässt.

Unstreitig hat der Beklagte die Erklärung vom 23. November 2004, die unter dem Briefkopf „Rechtsanwalt und Notar Dr. J. H.“ gefertigt worden ist, unterschrieben. Unabhängig davon, auf wessen Initiative die Erklärung aufgesetzt worden ist und ob dies durch den Beklagten oder den Oberstaatsanwalt Dr. G. geschehen ist, hat der Beklagte sich diese Erklärung damit zu eigen gemacht. Überdies geht aus der mittlerweile von dem Klägervertreter zu den Akten gereichten schriftlichen Aussage des Oberstaatsanwalts Dr. G. – im Zusammenhang mit einer vom Kläger gegen den Beklagten erstatteten Strafanzeige – hervor, dass er, Dr. G., zwar die Erklärung während des Gesprächs mit dem Beklagten am 23. November 2004 selbst an seinem DienstPC geschrieben habe, weil der Beklagte kein Laptop oder ähnliches bei sich geführt habe, weshalb die Formulierungen auch im Ergebnis überwiegend von ihm – G. – stammten. Der Beklagte habe die Erklärung aber aus freien Stücken abgegeben.

Sollte die Erklärung, der Kläger sei zornig und erheblich angetrunken auf den Geschädigten B. zugestürmt, wobei er weder ausschließen könne, diesem Verletzungen zugefügt noch von einem seiner Begleiter einen Gegenstand in die Hand gedrückt bekommen zu haben, nicht oder teilweise nicht der Wahrheit entsprechen, läge darin ohne Weiteres eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch eine unwahre Behauptung, die jedenfalls auch seine Privatsphäre betraf. Insoweit ist auf den Gesamteindruck der Erklärung, der nach dem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft offenkundig auch bezweckt war, abzustellen. Die Erklärung war das Ergebnis einer Prozessabsprache zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft, die ein gegenseitiges Entgegenkommen enthielt, indem die Staatsanwaltschaft zwar an dem von ihr erhobenen Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung in Sachen B. festhielt, aber bereit war, eine Strafrahmenverschiebung etwa wegen einer erheblichen Alkoholisierung des Klägers gem. §§ 21, 49 StGB in Betracht zu ziehen, die die Verhängung einer – auch von dem Beklagten verfolgten – Geldstrafe ermöglichte. In Anbetracht der gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe und der ihn belastenden Beweismittel, insbesondere des Gutachtens des Rechtsmediziners Prof. Dr. T., konnte die später im Namen des Klägers in die mündliche Verhandlung eingeführte Erklärung nur als eine Art Geständnis, zumindest aber als (teilweise) Aufgabe des Bestreitens der von B. abgegebenen Version angesehen werden und ist vom Landgericht auch so gewürdigt worden. Der Versuch des Beklagten, die Erklärung in ihre einzelnen Bestandteile zu zerlegen, kann vor diesem Hintergrund keinen Erfolg haben, auch wenn nicht zu verkennen ist, dass sie mit der größtmöglichen Vorsicht formuliert worden ist und – neben den von dem Kläger ohnehin stets eingeräumten zwei Ohrfeigen gegen B. – nur Annahmen enthält, die sich nicht „ausschließen“ ließen. Hinzu kommt, dass der Kläger dieser Version der Geschehnisse selbst stets entgegengetreten war, weshalb absehbar war, dass jedem „Entgegenkommen“ besondere Bedeutung beigemessen werden würde. Der Beklagte kann sich auch nicht darauf zurückziehen, es habe sich um eine bloße „Verteidigererklärung“ gehandelt. Die Erklärung ist vielmehr so formuliert, dass sie objektiv nur als Stellungnahme des Klägers selbst aufgefasst werden konnte, was sich schon daraus ergibt, dass der Beklagte sie als „Vertreter des Angeklagten“, mithin gem. § 411 Abs. 2 StPO abgegeben hat. Dass die Erklärung als eine solche des Klägers selbst zu verstehen war, geht auch ferner daraus hervor, dass sie eine Entschuldigung enthält („Mein Mandant bedauert den Vorfall“), die nur persönlich abgegeben werden kann.

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Sollte die Erklärung hingegen richtig sein, dann liegt in ihr auch dann keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers, wenn dieser nicht wollte, dass der Beklagte als sein Verteidiger sie für ihn abgibt. Eine davon zu unterscheidende Frage ist hingegen, ob in der nicht autorisierten Erklärung eine Verletzung der anwaltlichen Pflichten lag. Ob dies allein zu der Zuerkennung einer Geldentschädigung führen kann, ist zweifelhaft. Seit der Schuldrechtsreform kommt zwar bei der Verletzung der in § 253 Abs. 2 BGB genannten Rechtsgüter der Ersatz des immateriellen Schadens auch aufgrund vertraglicher Haftung in Betracht. Dies gilt jedoch nicht für das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das nach der Gesetzesbegründung gerade nicht von dem Anwendungsbereich der Vorschrift erfasst ist4. Insoweit bleibt es bei einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, Art. 2 GG. Die vorstehend formulierten Zweifel gelten gleichermaßen, soweit der Kläger dem Beklagten vorwirft, die Erklärung in Kenntnis des vor dem Landgericht Frankfurt a. M. geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens abgegeben zu haben, in dem der Kläger an Eides Statt versichert hatte, J. B. nur zwei Ohrfeigen versetzt zu haben, und ihn dadurch der Gefahr ausgesetzt zu haben, wegen eines Aussagedelikts zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Darlegungs und beweispflichtig für die Unrichtigkeit einer Äußerung ist der Anspruchsteller, hier mithin der Kläger. Die Beweisregel des § 186 StGB findet keine Anwendung5.

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Letztlich lässt sich der Sachverhalt, legt man die Erkenntnisse des wiederaufgenommenen Strafverfahrens zugrunde, nicht mehr ausreichend aufklären, um die eine oder andere Version der Geschehnisse belegen zu können. Das Landgericht Hh. hat sich in dem wiederaufgenommenen Verfahren trotz ausgesprochen aufwändiger Beweisaufnahme aufgrund der sich widersprechenden Angaben zahlreicher Zeugen nicht in der Lage gesehen, einen Sachverhalt festzustellen, sondern hat für die Verurteilung des Klägers (wegen einfacher Köperverletzung) nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ den ihm günstigsten und im Übrigen auch wahrscheinlichsten Sachverhalt zugrunde gelegt. Als widerlegt angesehen werden kann jedoch auch auf der Grundlage der Aussage des Nebenklägers B., dass an dem Angriff mehrere Personen beteiligt waren. Aus allen Zeugenaussagen im wiederaufgenommenen Strafverfahren ergab sich vielmehr, dass die sog. „Beachboys“, die den Kläger begleitet haben, versucht haben, ihn von der Auseinandersetzung abzuhalten. Die bloße Anwesenheit mehrerer Personen am Tatort dürfte jedenfalls nicht genügen, um eine von mehreren gemeinschaftlich begangene Körperverletzung annehmen zu können6. Dies schließt indessen die Begehung der Tat mittels eines gefährlichen Werkzeugs nicht aus. Zwar hat das Landgericht Hh. eine derartige Begehungsform trotz der Aussage des Nebenklägers B. und die seine Angaben bestätigenden weiteren Zeugenaussagen, aus denen sich letztlich nur ergab, etwas „blitzen“ gesehen zu haben, nicht feststellen können. Dies hilft dem Kläger, der vorliegend gerade die Abwesenheit eines solchen Werkzeugs beweisen muss, aber nicht weiter. Gleichermaßen gilt dies für die Frage des Grades seiner Alkoholisierung. Ob das Gericht bei einer Wiederholung der vom Landgericht Hh. durchgeführten Beweisaufnahme (§ 355 ZPO), die der Kläger „höchst hilfsweise“ beantragt hat, bessere Erkenntnisse gewinnen könnte als das Landgericht, erscheint ausgeschlossen, wenn auch der von dem Kläger dargestellte Sachverhalt der wahrscheinlichere sein mag.

Wie eingangs ausgeführt, kann die Frage der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hier jedoch offen bleiben, weil die Zuerkennung einer Geldentschädigung auch in diesem Fall nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht in Betracht käme..

An dieser Stelle kann daher auch dahinstehen, ob – was zwischen den Parteien streitig ist – die Erklärung nur intern für Staatsanwaltschaft und Gericht abgegeben werden oder einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.

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Unterstellt, der Beklagte hätte mit der von ihm unterzeichneten Erklärung das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt, wäre dies aber rechtswidrig und schuldhaft geschehen, denn zum einen fallen unwahre Äußerungen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich von Art. 5 Abs. 1 GG und zum anderen musste der Beklagte aufgrund des vorherigen Verhaltens des Klägers, der sich gegen den gegen ihn erhobenen Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung stets gewehrt hatte, erkennen, dass er möglicherweise etwas einräumte, was der Wahrheit nicht entsprach.

An der Rechtswidrigkeit würde es auch nichts ändern, dass der Beklagte im (vermeintlichen) Interesse des Klägers und in der (letztlich erfolgreichen) Absicht, eine Freiheitsstrafe abzuwenden, gehandelt hat. Anderes folgt auch nicht aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 31. Mai 19887, das für die Beurteilung des vorliegenden Falls nicht einschlägig ist. Dort heißt es, der Verteidiger sei zwar in vielfacher Hinsicht in seinem Handeln durch den Willen des Angeklagten beschränkt, er könne aber gleichwohl eine andere Prozesstaktik verfolgen, als der Angeklagte es wünsche und müsse dies sogar tun, wenn zu befürchten sei, dass der Angeklagte durch verfehltes Agieren „in sein Unglück laufe“, etwa, weil er jemand vor Strafverfolgung schützen wolle. Deshalb könne der Verteidiger Erklärungen abgeben, die der Angeklagte so gegenüber dem Gericht nicht äußern wolle, und er könne Beweisanträge auch gegen den Willen des Angeklagten stellen. Unabhängig davon, dass diese Auffassung in der Literatur Kritik erfahren hat, geht es bei der Entscheidung vor allem um die Frage, ob solche von dem Verteidiger abgegebenen Erklärungen strafprozessual verwertbar sind. Dies schließt eine gleichzeitige rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, wenn die Erklärung falsch ist, aber nicht aus. Darüber hinaus unterscheidet sich der vorliegende Fall auch insofern von dem dem Urteil des Oberlandesgerichts C. zugrunde liegenden Sachverhalt, als es vorliegend bei Abgabe der Erklärung durch den Beklagten überhaupt noch nicht abzusehen war, ob der Kläger tatsächlich „in sein Unglück laufen würde“. Denn ob und in welcher Form sich der ihm vorgeworfene Sachverhalt erweisen lassen würde, war äußerst umstritten und die Beweislage war – wie schon das nachfolgende Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landgerichts Hh. gezeigt hat – trotz der belastenden Feststellungen aus dem Sachverständigengutachten Prof. Dr. T. nicht eindeutig. Vor diesem Hintergrund hätte der Beklagte den entgegenstehenden Willen des Klägers, der unstreitig mehr als zwei Ohrfeigen stets in Abrede genommen hat, respektieren müssen. Daran änderte auch das schwebende Verfahren gegen den Kläger wegen gefährlicher Köperverletzung zum Nachteil der Geschädigten B., das im Gesamtzusammenhang mit dem Verlauf der ersten Berufungsverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden ist, nichts.

Aber auch dann, wenn man annehmen wollte, der Beklagte hätte das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers – sei es durch eine unwahre Behauptung, sei es durch eine nicht abgestimmte Erklärung – verletzt, erfüllt dies noch nicht die strengen Voraussetzungen, unter denen dem Anspruchsteller ein Ausgleich durch Zahlung einer Geldentschädigung zugebilligt wird.

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Unwahre Mitteilungen über eine Person führen in der Regel zu einem Unterlassungsanspruch. Eine Geldentschädigung kann der Betroffene nur ausnahmsweise und nur dann verlangen, wenn die Verletzung des Persönlichkeitsrechts wegen ihres besonderen Gewichts bzw. der Intensität des Eingriffs nicht ohne Entschädigung bleiben kann8. Der Entschädigungsanspruch muss mithin die „ultima ratio“ sein. Ob ein Eingriff als so schwerwiegend zu bewerten ist, hängt von seiner Bedeutung und Tragweite ab, ferner von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad des Verschuldens, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind.

Der „Schwere und Tragweite“ des Eingriffs kommt dabei besondere Bedeutung zu. Geringfügige Grenzüberschreitungen geben keinen Ersatzanspruch. Zwar kann sich eine besondere Schwere eines Eingriffs aus dem Vorwurf anrüchigen oder kriminellen Verhaltens ergeben9. Vorliegend darf aber nicht vergessen werden, dass die inkriminierte Äußerung im Rahmen eines Strafverfahrens abgegeben worden ist, das dazu diente, die vornehmlich von dritter Seite (dem Nebenkläger B. und der Staatsanwaltschaft) gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zu klären. Soweit der Beklagte daher aus prozesstaktischen Gründen eine Erklärung abgegeben hat, die einen Teil der Vorwürfe indirekt bestätigte und den Sinn hatte, den Kläger vor Freiheitsstrafe zu bewahren, kommt dem eine ganz andere Qualität zu als einer auf die bewusste Denunziation einer Person gerichteten Äußerung. Dabei ist nicht zu verkennen, dass dann, wenn der Beklagte eine mit dem Kläger nicht abgestimmte unwahre Erklärung abgegeben hätte, in die Abwägung auch der Gesichtspunkt mit einzufließen hätte, dass sich der gegen den Kläger erhobene Vorwurf, den Geschädigten B. in alkoholbedingter Kontrolllosigkeit ohne nachvollziehbaren Grund brutal zusammengeschlagen zu haben, in der öffentlichen Meinung verfestigte. Dabei war absehbar, dass diese Äußerung in den Medien für erhebliches Aufsehen sorgen würde und dabei weniger dem positiven Aspekt, dass nämlich eine Freiheitsstrafe vermieden worden war, als dem negativen Aspekt Beachtung geschenkt werden würde. Gleichwohl kann selbst dann und unter weiterer Berücksichtigung des Umstands, dass die Erklärung von dem eigenen Verteidiger des Klägers stammte, auch in Ansehung ihrer faktischen Auswirkungen nicht von einer mehr als nur geringfügigen, die Erheblichkeitsgrenze jedenfalls nicht erreichenden Grenzüberschreitung ausgegangen werden. Dabei darf nicht außer Betracht bleiben, dass der Kläger, dessen Ruf bis dato jedenfalls nicht makellos war, in dieser Angelegenheit – ob nun zu Recht oder zu Unrecht – schon mehrfach in der BoulevardPresse in negativer Weise dargestellt worden war. Eine Beeinträchtigung des Ansehens des Klägers hatte daher schon zu einem früheren Zeitpunkt stattgefunden. Eine messbare Vertiefung der bereits – vornehmlich durch B. – veranlassten Rufschädigung durch die Erklärung vom 23. November 2004 ist nicht zu erkennen. Dabei ist auch zu würdigen, dass die Erklärung zurückhaltend formuliert war und neben dem vom Kläger ohnehin explizit eingeräumten Sachverhalt, J. B. zweimal geohrfeigt zu haben, nur Andeutungen enthielt. Die Art der Darstellung führt mithin nicht zu einem Bedürfnis für eine Geldentschädigung. Das Ausmaß der Verbreitung der Erklärung war zudem vor allem durch das allgemeine Interesse und nicht durch das Verhalten des Beklagten bedingt. Der Inhalt der Erklärung musste auch nicht zwingend dazu führen, das vorangegangene Verhalten des Klägers als „feiges Schweigen“ zu bewerten, was, soweit ersichtlich, in der Presse so auch nicht zum Ausdruck gekommen ist, sondern konnte ebenso als grundsätzlich positiv aufzufassende (wenn auch späte) Einsicht verstanden werden. Das Medieninteresse an dem Kläger im Allgemeinen und dem Prozess im Besonderen war damals ohnehin groß. Ob die Berichterstattung ohne die inkriminierte Erklärung für den Kläger wesentlich günstiger ausgefallen wäre, ist, ohne dass es darauf noch entscheidend ankäme, ohnehin fraglich. Anders als der Beklagte meint, wird man aber keineswegs sagen können, das Ansehen des Klägers habe wegen der damals seit Längerem aus verschiedenen Anlässen schlechten Presseberichterstattung nicht mehr weiter beschädigt werden können, woran auch aktuell veröffentlichte Artikel – wie mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 30. September 2011 herausgestellt – nichts ändern. Davon ist das Oberlandesgericht bei der von ihm vorgenommenen Abwägung auch nicht ausgegangen. Demgegenüber kommt dem Umstand, dass die Erklärung des Beklagten im Berufungshauptverhandlungstermin nicht autorisiert war, was der maßgebliche Grund für das Oberlandesgerichts C. war, den Wiederaufnahmeantrag des Klägers zuzulassen, vor allem prozessuale Bedeutung zu.

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Im Übrigen ist auch der Grad des Verschuldens für den Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung von wesentlicher Bedeutung. Selbst wenn man gleichwohl von einer Grenzüberschreitung ausgehen wollte, würde ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung daran bzw. den ersichtlich lauteren Absichten – s. dazu auch nachfolgend – des Beklagten scheitern. Zwar ist ein schweres Verschulden nicht notwendige Voraussetzung für eine Geldentschädigung, sein Fehlen kann aber dennoch zu einer Versagung führen10. Zwar hätte sich der Beklagte mit dem Kläger abstimmen müssen. Dass dies vorsätzlich oder sogar aus unlauteren Motiven unterblieben ist, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr liegt es näher, dass der Beklagte geglaubt hat, im Sinne und mit dem grundsätzlichen Einverständnis seines Mandanten zu handeln, der – wie sich schon aus dem Umstand zeigt, dass er es vermieden hat, an der Hauptverhandlung teilzunehmen – mit der Angelegenheit möglichst wenig behelligt werden wollte. Daran ändert es nichts, dass der Kläger noch kurz vor der Verhandlung geäußert haben mag, er gehe lieber ins Gefängnis, als etwas einzuräumen, was er nicht getan habe. Eine solche – ersichtlich in situationsbedingter Erregung abgegebene – Bemerkung, konnte insoweit keineswegs den Ausschlag geben. Ein vorsätzliches Handeln des Beklagten lässt sich darauf nicht stützen. Das Verschulden des Beklagten ist daher lediglich als fahrlässig zu bewerten.

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Anlass und Beweggrund des Verhaltens des Beklagten erfordern eine Geldentschädigung nicht, sondern stehen ihr vielmehr entgegen. Denn im Ergebnis war der Beklagte bestrebt, dem Kläger durch die abgegebene Erklärung einen Gefallen zu erweisen, auch wenn er dieses Ziel letztlich verfehlt hat. Insbesondere wollte er dem Kläger keinen Schaden zufügen, sondern solchen von ihm abwenden. Anlass und Beweggrund des Beklagten waren redlicher Natur, denn der Beklagte wollte seinem Mandanten, auch wenn der eingeschlagene Weg zweifelhaft war, den Makel der Freiheitsstrafe ersparen und die Gefahr eines nicht nur theoretisch immer denkbaren Bewährungswiderrufs ausschließen. Außerdem diente die Einlassung dazu, das Verfahren abzukürzen, was für den Kläger die damit verbundene Belastung und ferner die damit im Zusammenhang stehende negative Presseberichterstattung – zumindest zeitlich betrachtet – begrenzte. Des Weiteren wurde dem Kläger durch die Einstellung des Verfahrens zum Nachteil der Geschädigten B. eine weitere mit der Fortführung des Verfahrens verbundene öffentliche Aufmerksamkeit erspart. Demgegenüber ist ein wie auch immer geartetes kommerzielles Interesse des Beklagten, das insbesondere ein Grund für die Zuerkennung einer Geldentschädigung sein kann11, nicht erkennbar.

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Kläger durch das wiederaufgenommene Strafverfahren und die – im Wesentlichen auf seine Darstellung des Sachverhalts gestützte – Verurteilung des Landgerichts Hh. (nur) wegen einfacher Köperverletzung eine gewisse Genugtuung bereits erlangt hat – ebenso wie durch die vom Oberlandesgericht auf seinen Hilfsantrag zuerkannte Feststellung der fehlenden Autorisierung der Erklärung des Beklagten, was dem Erfordernis bzw. Wunsch nach einer Geldentschädigung überdies eine gewisse Subsidiarität verleiht.

Die hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Honoraranspruch hat der Beklagte wieder fallen gelassen, weshalb es nicht darauf ankommt, ob dies überhaupt von Bedeutung hätte sein können.

Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 12. Oktober 2011 – 3 U 264/08

  1. BGHZ 35, 363 ff. und ständig[]
  2. Zugehör, in: Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung,
    2. Aufl., Rn. 1924, 1963[]
  3. BGH, Urteil vom 05.12.1995 – Az. VI ZR 332/94,
    NJW 1996, 984 f.[]
  4. vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 70. Aufl., § 253 Rn. 10 mit Hinweis auf BTDrs. 14/7752, Seite 25[]
  5. vgl. Kamps, in: Götting u. a., Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 49 Rn. 81. BGH, Urteil vom 22.04.2008 – Az. VI ZR 83/07[]
  6. Fischer, StGB, 56. Aufl., § 24 Rn. 11a[]
  7. NJW 1989, 992 f.[]
  8. Müller, in: Götting u. a., Handbuch des Persönlichkeitsrechts, § 51 Rn. 11 m. w. N.[]
  9. Müller, a. a. O., Rn. 14. OLG Hg. NJW RR 1994, 1176. OLG M. NJW RR 2000, 472[]
  10. BGH NJW 1970, 1077, Müller,a. a. O., Rn. 20[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 19.09.1961 – VI ZR 259/60, „Ginsengwurzel“[]