Die bloße abstrakte Gefahr, dass weitere Personen zu dem Geschehen hinzutreten und durch Querschläger gefährdet werden könnten, begründet zumindest in Ansehung der konkret in Rede stehenden Schüsse keinen rechtlich belangvollen Aspekt.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der Angeklagte ebenso wie seine Familie traditionellen kurdisch-islamischen Wertvorstellungen verhaftet. Er akzeptierte deshalb nicht, dass seine jüngere Schwester mit dem Geschädigten A. zusammenleben wollte, der kein muslimischer Kurde, sondern irakischer Christ war. Um die nach seinem Verständnis durch die Beziehung verletzte Familienehre wiederherzustellen, beschloss er, A. zu töten. Zu diesem Zweck verschaffte er sich eine Schusswaffe, bei der es sich wahrscheinlich um einen Revolver, möglicherweise aber auch um eine Pistole handelte, und lauerte A. auf, als dieser abends seinen Pkw auf einem in der Nähe seiner Wohnung gelegenen Parkplatz abstellte. Nachdem A. der gerade mit seiner Mutter telefonierte, aus dem Auto ausgestiegen war, trat der Angeklagte aus dem Dunkeln an ihn heran und tötete ihn durch fünf kurz nacheinander abgegebene Schüsse.
Das Landgericht Braunschweig hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt1.)). Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen erwiesen sich indes für den Bundesgerichtshof in zweifacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft:
Die Erwägung des Gerichts zu etwaigen Querschlägern und der potentiellen Gefährdung anderer Menschen begegnet vor dem Hintergrund der tatsächlichen Feststellungen durchgreifenden Bedenken. Der Parkplatz war zum konkreten Tatzeitpunkt nicht stark frequentiert. Der Tatortbereich war vielmehr menschenleer, weswegen das Geschehen ausschließlich von den in ihren Wohnungen befindlichen Nachbarn verfolgt werden konnte.
Die bloße abstrakte Gefahr, dass weitere Personen zu dem Geschehen hinzutreten könnten, begründet zumindest in Ansehung der konkret in Rede stehenden Schüsse keinen rechtlich belangvollen Aspekt. Die kurz nacheinander gezielt auf den Geschädigten abgegebenen fünf Nahschüsse (Bereich von ein bis drei Metern) lassen Querschläger nicht ernsthaft erwarten.
Rechtlich nicht statthaft erscheint überdies die schulderhöhende Erwägung, dass sich der Angeklagte nicht von den – recht pauschalen – Ermahnungen des Zeugen D. habe abhalten lassen. Damit wertet das Landgericht zulasten des Angeklagten, dass er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt davon Abstand zu nehmen. Darin liegt ein Verstoß gegen das auch für die Schuldschwereentscheidung anwendbare Doppelverwertungsverbot nach § 46 Abs. 3 StGB2.
Trotz der in erheblichem Maße für die Bejahung der besonderen Schwere der Schuld sprechenden Gesichtspunkte vermochte der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall daher ein Beruhen des landgerichtlichen Urteils auf den aufgezeigten Rechtsfehlern nicht gänzlich auszuschließen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. November 2020 – 6 StR 328/20