Freiheitsstrafe, Geldstrafe – und die Urteilsgründe

Verhängt das Tatgericht neben der Freiheits- keine Geldstrafe nach § 41 StGB, obgleich die Verteidigung dies beantragt hat, ist es verfahrensrechtlich nicht analog § 267 Abs. 3 Satz 2 und 4 StPO verpflichtet, die hierfür maßgeblichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen darzulegen. Die Revision des Angeklagten kann in diesen Fällen grundsätzlich keinen ihm nachteiligen sachlichrechtlichen Erörterungsmangel dergestalt aufdecken, dass die zusätzliche Geldstrafe mit einer geringeren Bemessung der Freiheitsstrafe hätte einhergehen können.

Freiheitsstrafe, Geldstrafe – und die Urteilsgründe

§ 267 Abs. 3 Satz 4 StGB gilt ebenso wie dessen Satz 2 bereits nach seinem Wortlaut nicht für auf § 41 StGB bezogene Anträge. Eine analoge Anwendung der – als Ausnahmevorschrift konzipierten und daher einer Analogie bereits im Ausgangspunkt nur schwer zugänglichen – Norm kommt nicht in Betracht, denn es fehlt sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer Vergleichbarkeit der geregelten Sachverhalte1.

So bestimmt § 267 Abs. 3 Satz 4 Halbsatz 2 StGB die entsprechende Anwendung des Halbsatzes 1 für andere vergleichbare Arten beantragter Erleichterungen selbst, namentlich für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe2. Der Gesetzgeber hat die Fälle einer gesonderten Begründungspflicht damit abschließend geregelt. Darüber hinaus sind die von § 267 Abs. 3 Satz 4 StGB erfassten Konstellationen mit der Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe (§ 41 StGB) und einem darauf gerichteten Antrag nicht vergleichbar. Denn während §§ 56, 59 und 60 StGB Entscheidungen zugunsten des Verurteilten sind, kommt § 41 StGB jedenfalls nicht primär eine Privilegierungsfunktion zu.

Weiterlesen:
Vergütungsvereinbarung mit Empfangsbekenntnis

Soweit die Revision einen sachlichrechtlichen Erörterungsmangel im Rahmen der Strafzumessung rügt, weil die Strafkammer § 41 StGB im Urteil nicht erörtert habe, zeigt sie keinen Rechtsfehler auf. Insoweit gilt:

Ob beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 StGB im konkreten Fall eine zusätzliche Geldstrafe auszusprechen ist, steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts. Die Verhängung bedarf einer Begründung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); die Nichtverhängung muss regelmäßig im Urteil nicht ausdrücklich erwähnt oder begründet werden3. Liegt die Anwendung des § 41 StGB in einer konkreten Fallkonstellation aber nahe, ist das Tatgericht gehalten, jedenfalls erkennen zu lassen, dass es diese Vorschrift in Betracht gezogen hatte. Dies hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in einem Fall angenommen, in dem die Straftaten zu „erheblichen Gewinnen“ geführt hatten, durch die der Angeklagte „ein beträchtliches Vermögen erworben“ hatte4.

41 StGB hat als Kann-Vorschrift wegen des durch die Kumulation ausgelösten latenten Spannungsverhältnisses zu § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmecharakter5; bereits dies legt eine Ausdehnung der Erörterungspflicht nicht nahe.

Dagegen sprechen auch Sinn und Zweck der Norm.

Zwar soll durch die zusätzliche Geldstrafe „in geeigneten Fällen … auch ermöglicht (werden), die Freiheitsstrafe niedriger zu halten“6. Darin liegt aber, worauf bereits die zitierten Formulierungen der Gesetzesbegründung „geeignete Fälle“ und „auch“ hindeuten, nicht der im Vordergrund stehende Sinn und Zweck der Vorschrift. Diese soll dem Tatgericht vielmehr die Möglichkeit geben, eine Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe zu verhängen, um Täter besonders wirksam zu treffen, bei denen Vermögensvorteile ein bestimmendes Tatmotiv waren, weil nicht immer im Wege der Einziehung oder des Verfalls auf das Vermögen solcher Täter Zugriff genommen werden kann7. Jedenfalls primär soll die Anwendung des § 41 StGB den Täter daher zusätzlich belasten, demgegenüber die Nichtanwendung ihn nicht beschweren. Dieses Normverständnis fügt sich bruchlos in die Ausgestaltung als Kann-Vorschrift ein.

Weiterlesen:
Durchsuchungsanordnung - und die Eilkompetenz der Ermittlungsbehörden

Eine andere Betrachtung würde zudem zu einer weitreichenden Erörterungspflicht der Tatgerichte in nahezu allen Fällen führen, in denen der Täter sich durch die Tat bereichert hat, und zwar mit der Argumentation, die Verhängung einer zusätzlichen Geldstrafe hätte mit einer geringeren Bemessung der zugleich ausgeurteilten Freiheitsstrafe einhergehen müssen. Auch dies liefe der gesetzlichen Konzeption des § 41 StGB als Ausnahmevorschrift zuwider.

Die vorgenannte Entscheidung des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs steht dem schon deshalb nicht entgegen, weil es sich um eine unterschiedliche Verfahrenskonstellation handelte. Zwar wurde dort ausnahmsweise eine Erörterungspflicht bejaht, dies aber allein auf die Revision der Staatsanwaltschaft4. Den Revisionen der dortigen Angeklagten verhalf die unterbliebene Erörterung einer zusätzlichen Geldstrafe nicht zum Erfolg. Der Entscheidung ist daher eine Erörterungspflicht zugunsten des Angeklagten gerade nicht zu entnehmen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20

  1. s. zu diesen Voraussetzungen BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 52. Ed., StGB, § 1 Rn. 18; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 1 Rn. 35[]
  2. vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 267 Rn. 23[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 06.11.1990 – 1 StR 718/89 39; LK/Grube, StGB, 13. Aufl., § 41 Rn. 16; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl., § 41 Rn. 8[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 06.11.1990 – 1 StR 718/89 39[][]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 329; Fischer, StGB, 69. Aufl., § 41 Rn. 2; aA SSW-StGB/Claus, 5. Aufl., § 41 Rn. 5[]
  6. vgl. BT-Drs. IV/650 S. 172; SSW-StGB/Claus, 5. Aufl., § 41 Rn. 16; BGH, Urteil vom 24.08.1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 67[]
  7. vgl. BT-Drs. V/4095 S. 21 f.; SSW-StGB/Claus, 5. Aufl., § 41 Rn. 4[]
Weiterlesen:
Sicherungsverwahrung - und die früher verhängten Jugendstrafen