Der Umstand, dass eine Strafe bzw. ein Strafrest bereits widerrufen worden ist, steht auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 20121 – einer erneuten Strafaussetzung und somit dem Erfordernis einer gemeinsamen Entscheidung hierüber grundsätzlich nicht entgegen.

Nach Maßgabe von § 454b Abs. 2 Satz 1 StPO ist über eine Strafaussetzung in mehreren zur Vollstreckung anstehenden Freiheitsstrafen grundsätzlich gemeinsam, und zwar zum sog. gemeinsamen Zweidrittelzeitpunkt zu entscheiden. Hiervon geht – insoweit zutreffend – auch die Strafvollstreckungskammer aus. Soweit die Kammer indessen meint, Verfahren, in denen nach Widerruf einer Strafaussetzung eine Strafvollstreckung erfolge, nähmen an dieser gemeinsamen Entscheidung nicht teil, kann dem nicht gefolgt werden. Die Kammer stützt ihre Entscheidung auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 20122, der sich jedoch – auf einen Antrag nach § 23 EGGVG – allein mit der Frage der angefochtenen Vollstreckungsreihenfolge nach Maßgabe von § 43 StVollstrO befasst, der jedoch die Frage, ob eine erneute Aussetzung der Vollstreckung eines Strafrests nach dessen Widerruf generell ausscheidet, ausdrücklich offen lässt. Rückschlüsse auf den Zeitpunkt der gemeinsamen Entscheidung über eine Strafaussetzung lassen sich – auch wenn der hierzu veröffentlichte Leitsatz diese Annahme nahe legen könnte – aus dieser Entscheidung somit nicht herleiten.
Nach nahezu einhelliger Auffassung steht vielmehr der Umstand, dass eine Strafe bzw. ein Strafrest bereits widerrufen worden ist, einer erneuten Strafaussetzung grundsätzlich nicht entgegen3, selbst vor Beginn der Vollstreckung. Ob dies immer sinnvoll ist, und ob hierdurch ein erfolgter Widerruf einer Strafaussetzung faktisch leerlaufen kann, kann hierbei indessen dahin stehen. Hieraus folgt aber zugleich, dass diese Verfahren an der gemeinsam zu treffenden Entscheidung über die Strafaussetzung teilzunehmen haben. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Verurteilte in allen derzeit zur Vollstreckung anstehenden Verfahren einen Antrag nach § 57 Abs. 1 StGB gestellt hatte – über welche die Kammer in den übrigen Verfahren gar nicht entschieden hat.
Oberlandesgericht Celle, Beschluss vom 13. August 2013 – 1 Ws 304/13
- BGH,Urteil vom 09.02.2012 – 5 AR (VS) 40/11[↩]
- BGHSt 57, 155[↩]
- OLG Stuttgart, MDR 1983; OLG Frankfurt, StV 1983, 71; OLG Karlsruhe, StV 2003, 348; LR/Graalmann-Scheerer, StPO, 26. Aufl., § 454 Rn. 101; KK-Appl, Strafprozessordnung, 6. Aufl., § 454 Rn. 40; HK-StPO-Pollähne, 4. Aufl., § 454 Rn. 36; Radtke/Hohmann-Baier, Strafprozessordnung, § 454 Rn. 47; Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 56. Aufl., § 454 Rn. 52; Fischer, Strafgesetzbuch, 60. Aufl., § 57 Rn. 8[↩]