Im Rahmen eines Strafverfahren wegen Anstiftung zur Abgabe von Arzneimitteln an Verbraucher ohne ärztliche Verschreibung müssen in einer „Aussage gegen Aussage“-Konstellation die für und gegen die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend geprüft und gewürdigt und im Urteil wiedergegeben werden.

Mit dieser Begründung hat das Oberlandesgericht Oldenburg in dem hier vorliegenden Fall eines Heilpraktikers auf die Revision der Staatsanwaltschaft dessen Freispruch durch das Landgericht nicht bestätigt und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurück verwiesen. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, als Heilpraktiker Arzneimittel verschrieben zu haben, die nur ein Arzt hätte verschreiben dürfen und damit einen Apotheker angestiftet zu haben, diese Arzneimittel an Patienten abzugeben. In Absprache mit dem Apotheker soll der Angeklagte ein vom Apotheker selbst herzustellendes Medikament mit dem Namen „Sedativa Forte“ verordnet haben, dass neben homöopathischen Bestandteilen auch einen verschreibungspflichtigen Zusatz (Tetrazepam) beinhaltete, um die Wirkung der homöopathischen Substanzen zu verstärken. Die Kapseln sollten bei Unruhezuständen, Angsterkrankungen und Schlafstörungen helfen. In sechs Fällen soll „Sedativa Forte“ zwischen 2007 und 2008 an Patienten abgegeben worden sein, ohne dass diese von dem verschreibungspflichtigen Zusatz etwas wussten.
Das Amtsgericht Aurich hatte den Angeklagten im Juli 2012 wegen Anstiftung zur Abgabe von Arzneimitteln an Verbraucher ohne ärztliche Verschreibung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Dagegen legte er mit Erfolg Berufung zum Landgericht ein. Das Landgericht Aurich (12 Ns 139/12) hatte den Angeklagten freigesprochen, weil es nach der Beweisaufnahme nicht davon überzeugt war, dass der Heilpraktiker den Apotheker dazu angestiftet hatte, das homöopathische Mittel mit einer nennenswerten Dosis des verschreibungspflichtigen Arzneimittels zu vermischen. Der Heilpraktiker hatte behauptet, lediglich eine Beimischung einer 10.000-fach verdünnten Dosis gewünscht zu haben. Diese geringe Dosis wäre nicht mehr verschreibungspflichtig gewesen und damit strafrechtlich nicht zu ahnden. Der Apotheker hatte hingegen als Zeuge etwas anderes ausgesagt. Nach seiner Darstellung sei das Medikament auf Anweisung des Angeklagten, wie von ihm auch ausgeführt, mit etwa 5 mg Tetrazepam versetzt werden, was zu einer Konzentration zwischen 0,7 % und 1,5 % pro Kapsel führte. Über die Revision der Staatsanwaltschaft hatte nun das Oberlandesgericht Oldenburg zu entscheiden.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Oldenburg sei die Beweiswürdigung des Landgerichts aus dem Urteil nicht nachzuvollziehen. Der Freispruch konnte das Oberlandesgericht daher nicht bestätigen. In einer „Aussage gegen Aussage“-Konstellation müssen die für und gegen die Richtigkeit der Angaben des einzigen Belastungszeugen sprechenden Gesichtspunkte umfassend geprüft und gewürdigt und im Urteil wiedergegeben werden. Daran mangele es hier, so das Oberlandesgericht. Da in der Revisionsinstanz allein Rechtsfragen überprüft werden, wird die Beweisaufnahme vom Oberlandesgericht nicht selbst durchgeführt, sondern muss vom Landgericht wiederholt werden.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 7. Juli 2014 – 1 Ss 9/14