Heimtücke – und die offene Feindseligkeit

Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Heimtücke – und die offene Feindseligkeit

Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.

Heimtückisches Handeln erfordert jedoch kein „heimliches“ Vorgehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen.

Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs1.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bedeutet dies: Nach den Feststellungen geschah der erste mit Tötungsvorsatz geführte Angriff erst, nachdem Ö. auf der Flucht von N. S. eingeholt und zu Boden gebracht worden war. Wie das Schwurgericht näher ausgeführt hat, war Ö. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr arglos, sondern lediglich vor der überraschenden ersten Angriffsbewegung, die ihn zur Flucht bewegte. Die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem mit Tötungsvorsatz geführten unmittelbaren Angriff war nicht so kurz, dass dem Opfer angesichts der Fluchtmöglichkeit und anwesender Zeugen keine Möglichkeit mehr blieb, dem Angriff zu begegnen. Dass Ö. seinen Verfolgern letztlich nicht entkommen ist, stellt die Würdigung des Schwurgerichts nicht in Frage.

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Die weitere Anklage - und der Eröffnungbeschluss in der Hauptverhandlung

Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. Januar 2021 – 5 StR 288/20

  1. vgl. BGH, Urteile vom 09.10.2019 – 5 StR 299/19, NStZ 2020, 348; vom 16.08.2018 – 4 StR 162/18, NJW 2018, 3398; vom 15.11.2017 – 5 StR 338/17, NStZ-RR 2018, 45; Beschlüsse vom 10.07.2018 – 3 StR 204/18, StraFo 2019, 38; vom 04.03.2020 – 1 StR 32/20; jeweils mwN[]