In dubio pro reo – und die Beweiswürdigung

Sind mehrere einzelne Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen.

In dubio pro reo – und die Beweiswürdigung

In deren Rahmen darf ein auf einen feststehenden Kern gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich genommen unklar bleibt, nicht vorab isoliert nach dem Zweifelssatz beurteilt werden. Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen1.

Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzubeziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu Grunde zu legen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht, dass sich das Gegenteil der Behauptung positiv feststellen ließe2.

Auch im Übrigen gebietet es der Zweifelssatz nicht, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat3.

Der Tatrichter ist ferner gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung, die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht, ist rechtsfehlerhaft4.

Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil oder andere Möglichkeiten denknotwendig – „zwingend“ – ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt.

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Dabei ist eine Gesamtwürdigung erforderlich. Denn einzelne Belastungsindizien, die für sich genommen zum Beweis der Täterschaft nicht ausreichen, können doch in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Tatrichters begründen.

BGh, Urteil vom 21. Mai 2015 – 4 StR 577/14

  1. st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 06.02.2002 – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188; vom 11.04.2002 – 4 StR 585/01, NStZ-RR 2002, 243; vom 30.03.2004 – 1 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 238; vom 24.02.2015 – 5 StR 621/14 jeweils mwN[]
  2. st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 25.04.2007 – 1 StR 159/07, BGHSt 51, 324, 325; Urteil vom 28.01.2009 – 2 StR 531/08, NStZ 2009, 285; Ott in KK-StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 57 jeweils mwN[]
  3. st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 23.03.1995 – 4 StR 746/94, NJW 1995, 2300; Urteil vom 12.12 2001 – 3 StR 303/01, NJW 2002, 1057, 1059 mwN; Urteil vom 17.07.2014 – 4 StR 129/14 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 16.05.2002 – 1 StR 40/02, NStZ 2002, 656, 657[]