Hat der Tatrichter im Urteil für in verschiedenen Altersstufen begangene Taten gemäß § 32 JGG allgemeines Strafrecht angewendet, kann im Rahmen der Nachholung einer unterbliebenen Gesamtstrafenbildung im Beschlussverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO hiervon nicht abgewichen werden.

Die Jugendkammer ist in diesem Fall in ihrer Entscheidung im Nachtragsverfahren daran gehindert, für die Taten eine Einheitsjugendstrafe gemäß § 31 Abs. 1 JGG zu bilden. Hätte das Landgericht in seiner Entscheidung über die Einbeziehung der Strafe aus dem oben genannten Strafbefehl befunden, hätte es nicht für die Taten 1 bis 8 unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl Jugendstrafrecht und für die Taten 9 bis 29 Erwachsenenstrafrecht anwenden dürfen. Dies hätte gegen § 32 JGG verstoßen [1]. Auch wenn ein nach Jugendstrafrecht zu verurteilender Täter bereits wegen einer Erwachsenentat rechtskräftig verurteilt ist, ist unter Anwendung von § 32 JGG zu entscheiden, ob das Schwergewicht auf den nach allgemeinem Strafrecht oder auf den nach Jugendstrafrecht abzuurteilenden Taten liegt und somit eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe nach den §§ 53–55 StGB oder eine Einheitsjugendstrafe nach § 31 Abs. 1 JGG zu bilden ist, da der Vorschrift des § 32 JGG das Prinzip der möglichst einheitlichen Reaktion zugrunde liegt [2].
Etwas anderes kann bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 460 StPO nicht gelten, da durch die Nachholung der unterlassenen Gesamtstrafenbildung im Nachtragsverfahren nach § 460 StPO der Verurteilte weder besser noch schlechter gestellt werden soll, als hätte der letzte Tatrichter die Gesamtstrafe gebildet [3]. Andernfalls würde die Vorschrift des § 32 JGG, die der Tatrichter anzuwenden hatte, umgangen werden. Daher bleibt es dem Gericht im Nachtragsverfahren gemäß § 460 StPO verwehrt, anstelle von Erwachsenenstrafrecht nunmehr Jugendstrafrecht anzuwenden. Hinzu kommt, dass das Gericht im Verfahren nach § 460 StPO, in dem die unterlassene Gesamtstrafenbildung nach § 55 StGB nachzuholen ist, auch nicht befugt ist, die vom Tatrichter ausgesprochenen Einzelstrafen zu ändern, vielmehr sind frühere Gesamtstrafen in ihre Einzelstrafen aufzulösen und sodann eine neue Gesamtstrafe zu bilden [4].
Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 17. August 2015 – 1 Ws 116/15