Die Gewährleistung des Art. 13 Abs. 1 GG umfasst den Schutz der räumlichen Privatsphäre vor staatlichen Eingriffen und erstreckt sich auch auf den Gebrauch, der von den durch das Eindringen in die Wohnung erlangten Kenntnissen gemacht wird1.

Auch wenn die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung den Wohnungsinhaber zwar in dessen Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt, so verstößt nach einem aktuellen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts die Verwertung der bei dieser Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren gegen den Wohnungsinhaber dagegen nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG.
In der jetzt vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerde stützten sich die Feststellungen zur Tat des Beschwerdeführers im Strafurteil maßgeblich auf die bei der Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmten Beweismittel. Es besteht aber, so das BVerfG, kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre2. Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten3.
Dabei gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist4. Auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung „um jeden Preis“ gerichtet ist, schränkt die Annahme eines Verwertungsverbots eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts ein, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Das Rechtsstaatsprinzip gestattet und verlangt die Berücksichtigung der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann5. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen dafür getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden6. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist7. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können – müssen indes nicht in jedem Fall – danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen8.
Auch bei der Frage eines Beweisverwertungsverbots wegen Mängeln der Durchsuchungsanordnung ist eine Abwägung des Strafverfolgungsinteresses mit dem betroffenen Individualinteresse erforderlich9. Die Strafprozessordnung stellt kein grundsätzliches Beschlagnahmeverbot für Fälle fehlerhafter Durchsuchungen auf, die zur Sicherstellung von Beweisgegenständen führen10. Ein Beweisverwertungsverbot ist grundsätzlich nur dann Folge einer fehlerhaften Durchsuchung, wenn die zur Fehlerhaftigkeit der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren oder bewusst oder willkürlich begangen wurden11.
Es liegt auch kein Verstoß gegen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vor. Die Begründung eines Verwertungsverbots ist hier weder im Hinblick auf die betroffenen Verfahrensbelange des Beschwerdeführers noch zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens insgesamt verfassungsrechtlich geboten.
Aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG), dessen Wurzeln in der freiheitssichernden Funktion der Grundrechte liegen12, ergeben sich Mindesterfordernisse für eine Verfahrensregelung, die eine zuverlässige Wahrheitserforschung im prozessualen Hauptverfahren sicherstellen. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht – auch in seiner Auslegung und Anwendung durch die Gerichte – ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben wurde13. Im Rahmen dieser Gesamtschau sind auch die Erfordernisse einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege in den Blick zu nehmen14.
Unter diesem Gesichtspunkt ist lediglich zu prüfen, ob ein rechtsstaatlicher Mindeststandard gewahrt ist15 und weiter, ob die maßgeblichen strafrechtlichen Vorschriften unter Beachtung des Fairnessgrundsatzes und in objektiv vertretbarer Weise, also ohne Verstoß gegen das allgemeine Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), ausgelegt und angewandt worden sind16. Hier liegen jedoch – wie oben dargelegt – keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote vor. In Fällen wie dem vorliegenden ist daher die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Mindeststandards nicht geboten.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 2. Juli 2009 – 2 BvR 2225/08
- vgl.BVerfGE 109, 279, 325 f.[↩]
- vgl. BVerfGK 9, 174, 196; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2000 – 2 BvR 1990/96 -, NJW 2000, S. 3556; BVerfG, Beschluss vom 27. April 2000 – 2 BvR 75/94 -, NJW 2000, S. 3557; BVerfG, Beschluss vom 1. März 2000 – 2 BvR 2017/94, 2 BvR 2039/94 -, NStZ 2000, S. 489 <490>; BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2005 – 2 BvR 1502/04 -, NStZ 2006, S. 46[↩]
- vgl. BVerfGK 4, 283, 285; 9, 174, 196; BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2008 – 2 BvR 784/08 -, NJW 2008, S. 3053 <3054>[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2008 – 2 BvR 784/08 -, NJW 2008, S. 3053; BGHSt 38, 214, 219 f.; 44, 243, 249; 51, 285, 289 f.; vgl. auch Schäfer, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Aufl. 2004, § 105 Rn. 119; Nack, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Aufl. 2008, vor § 94 Rn. 10[↩]
- vgl.BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222[↩]
- vgl.BVerfGE 33, 367, 383; 46, 214, 222; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 -, NJW 2009, S. 1469, 1474[↩]
- vgl. BGHSt 44, 243, 249; 51, 285, 290[↩]
- vgl. BGHSt 51, 285, 292; BGH, Beschluss vom 18. November 2003 – 1 StR 455/03 -, NStZ 2004, S. 449, 450[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2001 – 2 BvR 2257/00 -, StV 2002, S. 113[↩]
- vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2003 – 2 BvR 1707/02 -, NStZ 2004, S. 216[↩]
- vgl.BVerfGE 113, 29, 61; BVerfG, Beschluss vom 15. Juli 1998 – 2 BvR 446/98 -, NJW 1999, S. 273 <274>; BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 – 2 BvR 954/02 -, NJW 2006, S. 2684, 2686[↩]
- vgl.BVerfGE 57, 250, 275[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 250, 276; 64, 135, 145 f.; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 -, NJW 2009, S. 1469, 1474[↩]
- vgl. BVerfGE 47, 239, 250; 80, 367, 375; BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 -, NJW 2009, S. 1469, 1474[↩]
- vgl. BVerfGE 57, 250, 275 f.[↩]
- vgl.BVerfGE 18, 85, 92 f.; BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 1987 – 2 BvR 1133/86 -, NJW 1987, S. 2662, 2663[↩]