Das Erkennen äußerlich sichtbarer Verletzungen im Gesicht des gemeinsamen Kindes sowie die Mitwirkung an deren Verschleierung ist nicht geeignet, das für eine mittäterschaftliche Begehung jedenfalls erforderliche enge Verhältnis desjenigen Elternteils, der in die Tatverwirklichung nicht weiter eingebunden war, mit einem sich vom bisherigen Erziehungsstil deutlich abhebenden Übergriff zu begründen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Mittäter, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint.
Ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den von seiner Vorstellung umfassten gesamten Umständen in wertender Betrachtung zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft sein, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich von seinem Willen abhängen1.
begründen. So kann aus der Verdeckung einer früheren Misshandlung nicht ohne weitere Anhaltspunkte auf einen gemeinsamen Tatplan für einen folgenden Übergriff geschlossen werden. Denn das Untätigbleiben nach dem Erkennen einer solchen Misshandlung bzw. der Verschleierung der hieraus resultierenden Folgen ist auch mit Gleichgültigkeit, Selbstschutz oder einer ähnlichen Haltung zu erklären. Hierdurch kommt für sich genommen nicht zum Ausdruck, dass eine Fortsetzung der Misshandlung durch den anderen als eigene Tat gewollt ist, zu der durch die Untätigkeit bzw. die Verdeckung des bisher Geschehenen ein Tatbeitrag geleistet werden soll.
Für den Elternteil, der dem Kind die Verletzungen nicht unmittelbar beibrachte, kann insoweit ohne entsprechende Feststellungen auch keine Unterlassenstäterschaft angenommen werden.
Zwar kommt in Fällen, in denen nicht geklärt werden kann, wer von beiden Elternteilen die Misshandlung zum Nachteil des gemeinsamen Kindes vorgenommen hat, in Anwendung des Zweifelssatzes eine Strafbarkeit wegen Unterlassens in Betracht2. Dies gilt auch für den nicht leiblichen Elternteil, der eine Stellung als Beschützergarant tatsächlich übernommen hatte. Es kann aber hier keine Handlungspflicht des jeweils das Kind nicht aktiv verletzenden Angeklagten angenommen werden.
Eine solche Pflicht, zum Schutz des Kindes tätig zu werden, ergibt sich weder aus dem konkreten Tatgeschehen, noch kann sie auf die jeweilige Kenntnis von früheren Misshandlungen gestützt werden. Denn eine solche Handlungspflicht existierte nur, falls die früheren Misshandlungen durch den jeweils anderen Angeklagten begangen worden wären. In diesem Fall hätte der nicht aktiv handelnde Elternteil bereits im Vorfeld der neuerlichen Gewalttat geeignete Maßnahmen ergreifen müssen, um weitere drohende Übergriffe von dem Kind abzuwenden3. Hätte dagegen der jeweilige Elternteil selbst die früheren Misshandlungen vorgenommen, bestünde für ihn keine Verpflichtung, das Kind vor dem anderen Elternteil zu schützen, da nach seinem Kenntnisstand von diesem keine Gefahren für das Kind ausgingen4. Von welchem Elternteil die dem Tatgeschehen vorausgegangenen Übergriffe zum Nachteil des Kindes verübt worden waren, hat das Landgericht im hier entschiedenen Fall aber gerade nicht feststellen können. Vielmehr ist ausdrücklich ungeklärt geblieben, ob nicht die Verletzungen im Vorfeld von dem Angeklagten verursacht worden sind, der nicht die todesursächliche Tathandlung ausführte.
Sollte nicht zu klären sein, welcher der beiden Elternteile dem Kind die todesursächliche Verletzung beibrachte und wer für die davor begangenen Verletzungen verantwortlich ist, wird gegebenenfalls auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Tat des Handelnden in den Blick zu nehmen sein.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Oktober 2017 – 1 StR 496/16
- BGH, Urteil vom 15.01.1991 – 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291; Beschlüsse vom 29.09.2005 – 4 StR 420/05, NStZ 2006, 94; und vom 14.07.2016 – 3 StR 129/16, StraFo 2016, 392; Urteil vom 25.10.2016 – 5 StR 255/16, NStZ-RR 2017, 5[↩]
- BGH, Urteil vom 03.07.2003 – 4 StR 190/03, NStZ 2004, 94; Beschluss vom 04.02.2016 – 4 StR 266/15, StV 2016, 431[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.07.2003 – 4 StR 190/03 aaO; Beschluss vom 21.11.2002 – 4 StR 444/02, FamRZ 2003, 450; Urteil vom 30.03.1995 – 4 StR 768/94, BGHSt 41, 113, 117[↩]
- BGH, Urteil vom 04.07.2002 – 3 StR 64/02; Beschluss vom 04.02.2016 – 4 StR 266/15 aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 24.10.1995 – 1 StR 465/95, JR 1999, 294[↩]