Feststellungen zum unmittelbaren Nachtatgeschehen können zur Prüfung der zur „Korrektur des Rücktrittshorizonts“ entwickelten Grundsätze1 drängen.

Ein unbeendeter Versuch kommt auch dann in Betracht, wenn der Täter nach seiner letzten Tathandlung den Eintritt des Taterfolgs zwar für möglich hält, unmittelbar darauf aber zu der Annahme gelangt, sein bisheriges Tun könne diesen doch nicht herbeiführen, und er nunmehr von weiteren fortbestehenden Handlungsmöglichkeiten zur Verwirklichung des Taterfolges absieht2. Die Frage, ob nach diesen Rechtsgrundsätzen von einem beendeten oder unbeendeten Versuch auszugehen ist, bedarf bei versuchten Tötungsdelikten insbesondere dann eingehender Erörterung, wenn das angegriffene Tatopfer nach der letzten Ausführungshandlung noch zu vom Täter wahrgenommenen körperlichen Reaktionen fähig ist, die geeignet sind, Zweifel daran aufkommen zu lassen, das Opfer sei bereits tödlich verletzt3.
Ein solcher Umstand kann geeignet sein, die Vorstellung des Täters zu erschüttern, alles zur Erreichung des gewollten Erfolgs getan zu haben. Dabei ist die Feststellung der tatsächlichen Vorstellungen des Täters entscheidend; nicht ausreichend sind Feststellungen, die sich auf einen Fahrlässigkeitsvorwurf beschränken, etwa die Wertung, der Täter habe den Erfolg für möglich halten müssen4.
Nach diesen Maßstäben litt in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall das landgerichtliche Urteil an einem durchgreifenden Erörterungsmangel. Denn die getroffenen Feststellungen verhalten sich nicht zu einer möglichen Korrektur des Vorstellungsbildes des Angeklagten während des Verlegens der Atemwege und im weiteren Verlauf bis zum Erscheinen der Polizei. Zur eingehenden Erörterung hätte indes Anlass bestanden, weil – anders als zunächst vom Angeklagten angenommen – der Opfer nicht alsbald an den mit Tötungsvorsatz beigebrachten Verletzungen verstarb, sondern noch zu Hilferufen in der Lage war und sich sein – tatsächlich nicht konkret lebensbedrohlicher – Zustand eine geraume Zeitspanne, in der der Angeklagte die Lebenszeichen vernehmen konnte, nicht wesentlich verschlechterte. Daher erscheint es jedenfalls als möglich, dass der Angeklagte im Zeitraum nach der letzten Ausführungshandlung bis zum Eintreffen der Polizei nicht mehr davon ausging, den Opfer tödlich verletzt zu haben. Die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe in der Zeit nach der Tat keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen und er müsse in dem Bewusstsein des Schnittes in den Hals des Opfers zumindest für möglich gehalten haben, dass dieser noch stirbt, genügt bei dieser Sachlage nicht. Auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen ist daher ein unbeendeter Versuch nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.
Durchgreifenden Bedenken begegnet auch die Annahme der Strafkammer, in Anwendung des Zweifelssatzes sei davon auszugehen, dass der Angeklagte dem Opfer den Schnitt in den Hals vor dem Gang in die Küche und nicht erst danach beibrachte, weil er sonst wegen versuchten Totschlags in zwei Fällen zu verurteilen gewesen wäre.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine natürliche Handlungseinheit grundsätzlich dann vor, wenn mehrere strafrechtlich relevante Handlungen des Täters, die durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind, in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und sein gesamtes Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als einheitliches Tun erscheint5; dabei begründet auch der Wechsel eines Angriffsmittels nicht ohne Weiteres die Annahme einer Zäsur6. Wegen des engen Zusammenhanges der Ausführungshandlungen und des durchgehend vorhandenen Tötungswillens hätte die kurze Unterbrechung des Geschehens durch den Gang in die Küche und der Wechsel von den Schlagwerkzeugen zu dem Messer die natürliche Handlungseinheit zwischen den Angriffen auf das Leben des Opfers nicht unterbrochen. Es wäre mithin in dieser Sachverhaltsvariante eine Verurteilung nur wegen Totschlagsversuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in Betracht gekommen.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. März 2017 – 3 StR 501/16
- vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.07.2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17.12 2014 – 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f. jeweils mwN[↩]
- st. Rspr.; vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.07.2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschluss vom 17.12 2014 – 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; Urteil vom 19.07.1989 – 2 StR 270/89, BGHSt 36, 224, 225 f.; Beschlüsse vom 07.11.2001 – 2 StR 428/01, NStZ-RR 2002, 73 f.; und vom 08.07.2008 – 3 StR 220/08, NStZ-RR 2008, 335 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 17.07.2014 – 4 StR 158/14, NStZ 2014, 569 f.; Beschlüsse vom 17.12 2014 – 2 StR 78/14, NStZ-RR 2015, 106 f.; vom 12.01.2017 – 1 StR 604/16 9 f., jeweils mwN[↩]
- BGH, Beschluss vom 29.05.2007 – 3 StR 179/07, NStZ 2007, 634 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 25.11.2004 – 4 StR 326/04, NStZ 2005, 263, 264; Beschluss vom 25.11.1992 – 3 StR 520/92, NStZ 1993, 234[↩]
- BGH, Urteil vom 19.03.2013 – 1 StR 647/12, NStZ-RR 2013, 273, 274[↩]