Legal Highs – und das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel

Bei nicht dem Betäubungsmittelgesetz unterfallenden synthetischen Cannabinoiden (insbes. JWH 210) handelt es sich nicht um Arzneimittel.

Legal Highs – und das Inverkehrbringen bedenklicher Arzneimittel

Die Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittelgesetz setzt voraus, dass es sich bei den synthetischen Cannabinoiden um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Arzneimittelgesetz handelt. Hierfür wiederum ist entscheidend, wie der dieser Vorschrift zugrundeliegende, nahezu wortgleiche Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 06.11.2001 in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung auszulegen ist. Denn der deutsche Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.07.20091 den nationalen Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 AMG grundlegend neu gefasst und dabei in Umsetzung der genannten Richtlinien den europarechtlichen Arzneimittelbegriff gemäß Art. 1 Nr. 2 Buchstabe a) und b) der Richtlinie 2001/83/EG in der durch die Richtlinie 2004/27/EG geänderten Fassung in das deutsche Arzneimittelgesetz implementiert2.

Die Auslegung des europäischen Rechts, mithin der Frage, wann es sich bei einem Stoff oder Stoffzusammensetzungen, die einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen, um ein Arzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der genannten Richtlinie handelt, obliegt der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Dieser hat in dem Urteil vom 10.07.20143 Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG dahin ausgelegt, dass der Begriff des Arzneimittels keine Stoffe erfasse, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränkten, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein, die vielmehr nur konsumiert werden, um einen Rauschzustand hervorzurufen, und die dabei gesundheitsschädlich sind.

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In diesem Sinne legt der Bundesgerichtshof nunmehr auch die Art. 1 Nr. 2 Buchstabe b) der Richtlinie 2001/83/EG fast wortgenau entsprechende Regelung des nationalen Rechts zum Arzneimittelbegriff in § 2 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AMG aus. Danach fehlt in den vorliegenden Fällen den synthetischen Cannabinoiden die Arzneimitteleigenschaft4.

Da JWH 210 erst durch die 26. BtMÄndV vom 20.07.20125 mit Wirkung ab 1.01.2013, also nach dem hier zu beurteilenden Tatzeitraum, dem Betäubungsmittelbegriff unterstellt wurde6, scheidet auch eine Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz aus.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. November 2015 – 4 StR 403/14

  1. BGBl. I S.1990[]
  2. BGH, Beschluss vom 28.05.2013 – 3 StR 437/12, NStZ-RR 2014, 180, 181[]
  3. EuGH, Urteil vom 10.07.2014 – C358/13 und C181/14, NStZ 2014, 461[]
  4. vgl. BGH, Beschlüsse vom 23.07.2014 – 1 StR 47/14, NStZ-RR 2014, 312; vom 13.08.2014 – 2 StR 22/13; Urteil vom 04.09.2014 – 3 StR 437/12, BGHR AMG § 95 Abs. 1 Nr. 1 Arzneimittel 5, wobei die Entscheidungen vom 13.08.2014; und vom 04.09.2014 unter anderem auch JWH 210 betreffen[]
  5. BGBl. I S. 1639[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 13.08.2014 – 2 StR 22/13[]