Für Levometamfetamin – (R)-(Methyl)(1-phenylpropan-2-yl)azan – beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei 50 g der wirkungsbestimmenden Base.

Der Grenzwert der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und Wirkungsintensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen Konsumeinheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten Konsumenten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials, zu bemessen. Lassen sich auch zum Konsumverhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen1.
Bei Levometamfetamin – auch bezeichnet als Levmetamfetamin; chemische Bezeichnung (R)(Methyl)(1phenylpropan2yl)azan – handelt es sich um ein sogenanntes L-Enantiomer, mithin die linksdrehende Form von (S)-Metamfetamin. Es ist ein verkehrsfähiges, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel nach Anlage – II zu § 1 Abs. 1 BtMG.
Levometamfetamin findet sich als weiterverwendbares „Abfallprodukt“ des Herstellungsprozesses von Metamfetamin vor allem in kristalliner Form sowohl als Reinstoff als auch in Gemischen mit Metamfetamin auf dem illegalen Drogenmarkt. Während zuvor keine nennenswerten Sicherstellungen der Substanz zu verzeichnen waren, nehmen diese seit den Jahren 2016/2017 zu. Im Jahr 2021 wurde in acht Prozent der bundesweit 1.431 analysierten (vermeintlichen) Metamfetaminproben Levometamfetamin als alleiniger Wirkstoff und in 16 Prozent der Proben in Kombination mit Metamfetamin identifiziert. Aussehen und Konsistenz ähneln Metamfetamin in Gestalt des sogenannten „Crystal-Meth“ und sind selbst für den durchschnittlichen Konsumenten sowie für im Umgang mit dem Stoff wenig erfahrene Betäubungsmittelhändler beim Erwerb kaum unterscheidbar.
Levometamfetamin wird wie Metamfetamin geschluckt, geschnupft oder geraucht, seltener injiziert oder rektal konsumiert. Es überwindet die Blut-Hirn-Schranke und wirkt auf das zentrale Nervensystem hauptsächlich durch selektive Ausschüttung von Noradrenalin und eine daraus resultierende Aktivitätssteigerung des Sympathikus bei gleichzeitiger Verhinderung der natürlicherweise stattfindenden Inaktivierung der Neurotransmitter durch Rückspeicherung in ihre Speichervesikel und Hemmung ihres enzymatischen Abbaus. Dies führt zu einem Gefühl körperlichen Wohlbefindens, einer Antriebssteigerung, Euphorie und einer Unterdrückung von Hunger- und Erschöpfungsempfinden.
Als Nebenwirkungen des Konsums können Angstzustände, Schlaflosigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Essstörungen, Bluthochdruck, Herzrasen, Übelkeit, Magenkrämpfe, Schwitzen, Muskelverspannungen und Zittern auftreten.
Metamfetamin und Levometamfetamin weisen hinsichtlich der Pharmakokinetik keine wesentlichen Unterschiede auf. Im Vergleich zu Metamfetamin ist bei Levometamfetamin jedoch eine deutlich geringere psychoaktive Wirksamkeit feszustellen. Die – überschaubare – Studienlage weist hierbei auf eine 5- bis 10-fach geringere Potenz von Levometamfetamin gegenüber Metamfetamin hin2; Studien an Menschen sprechen hierbei für eine 10fach geringere psychoaktive Wirksamkeit.
Dies gilt allerdings nicht in Bezug auf die periphersomatischen autonomen Effekte, die über den sympathischen Nervenstrang zum Beispiel auf Blutdruck und Herzfrequenz wirkend ausgelöst werden; diese stellen sich bei Levometamfetamin in Korrelation zu Metamfetamin vergleichbar oder sogar ausgeprägter dar.
Zu den Erfahrungen der Konsumenten mit dem Betäubungsmittel und ihrem Konsumverhalten, insbesondere durchschnittlichen Konsumeinheiten lässt die Forschung noch keine verlässlichen Schlüsse zu. Es scheint bislang keinen klassischen Levometamfetamin-Markt zu geben. Aufgrund der für Konsumenten spürbar geringeren psychostimulierenden Wirkungen von Levometamfetamin sind monokausale Gefahren, Gewöhnung und Folgeschäden vom alleinigen Konsum dieses Wirkstoffes kaum zu erwarten. Es ist insoweit eher von einem episodenhaften Konsum durch Chrystal-Meth-Konsumenten auszugehen. Allerdings ist denkbar, dass Levometamfetamin für ungewohnte Erstkonsumenten zu einer Einstiegsdroge für den Missbrauch des potenteren Metamfetamin wird oder Konsumenten auf die geringere psychoaktive Wirksamkeit durch Dossisteigerungen reagieren.
Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist mangels gesicherter Erkenntnisse zu der äußerst gefährlichen bzw. tödlichen Dosis oder der durchschnittlichen Konsumeinheit von Levometamfetamin auf den Vergleich mit verwandten Wirkstoffen, vorliegend mit Metamfetamin als dem rechtsdrehenden Enantiomer, abzustellen. Angesichts der erheblich unterschiedlichen psychoaktiven Wirksamkeit von bis zu 10fach geringerer Potenz von Levometamfetamin im Vergleich zu Metamfetamin, bei welchem die nicht geringe Menge bei fünf Gramm Metamfetamin-Base beginnt3, ist unter Berücksichtigung der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D. in Übereinstimmung mit dem Vor- schlag einer Projektgruppe aus Vertretern kriminaltechnischer Institute von Bund und Ländern4 nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft ein Grenzwert der nicht geringen Menge für Levometamfetamin von 50 Gramm Levometamfetamin-Base festzusetzen.
Eine abweichende Beurteilung gebietet vorliegend nicht das etwaige Bedürfnis einer einheitlichen Behandlung von Levometamfetamin und anderen, sich in der Wirkweise gleichenden, jedoch eine unterschiedliche Wirkungsintensität aufweisenden Substanzen5.
Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass zwar bislang kein klassischer abgrenzbarer Markt für Levometamfetamin beobachtet wurde, gleichwohl jedoch die Sicherstellungen dieses Betäubungsmittels ansteigen und bei den im Jahr 2021 bundesweit vorgenommenen Analysen der vermeintlichen Metamfetaminproben bereits in acht Prozent der untersuchten Proben Levometamfetamin als alleiniger Wirkstoff festzustellen war, was für eine zunehmende Marktrelevanz dieses Betäubungsmittels spricht.
Zudem stünde einer Gleichbehandlung mit anderen gleich wirkenden, jedoch unterschiedlich potenten Substanzen – vorliegend in Gestalt von Metamfetamin – bei Zugrundelegung der für Metamfetamin geltenden Grenze zur nicht geringen Menge das Gebot der fehlenden Täterbenachteiligung entgegen. Diesem könnte nur dadurch Rechnung getragen werden, dass insgesamt der Wert für diejenige Erscheinungsform zugrunde gelegt wird, welche die geringste Wirkungsintensität aufweist6. Ein solches Vorgehen verbietet sich indes angesichts der signifikant unterschiedlichen Wirkungsintensität der betroffenen Betäubungsmittel.
Etwas anderes gilt auch nicht unter Berücksichtigung der periphersomatischen autonomen Effekte, die bei dem Konsum von Levometamfetamin im Vergleich zu Metamfetamin in gleicher oder sogar ausgeprägterer Form festgestellt werden konnten. Die insoweit beobachteten Auswirkungen des Konsums auf das vegetative Nervensystem stellen sich als weniger gefährlich dar als diejenigen, die durch die psychoaktive Wirkung auf das zentrale Nervensystem, beispielsweise durch eine mögliche Blockierung des Atemzentrums, entstehen. Todesfälle sind infolge der bei Levometamfetamin zu beobachtenden periphersomatischen Nebenwirkungen nicht bekannt geworden. Die deutlich geringere psychoaktive Wirksamkeit von Levometamfetamin einschließlich der hiermit einhergehenden geringer ausgeprägten Wirkungen auf das zentrale Nervensystem und des geringeren Abhängigkeitspotentials begründet damit die ingesamt betrachtet herabgesetzte Gefährlichkeit dieser Droge, welcher im Rahmen der Grenzwertziehung entsprechend Rechnung zu tragen ist. Dies wiederum entspricht auch der Einschätzung der genannten Projektgruppe, welche im Rahmen ihres Vorschlags die periphersomatischen autonomen Effekte von Levometamfetamin ebenfalls berücksichtigt und gleichwohl eine entsprechende Grenzwertfestlegung befürwortet hatte.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. August 2023 – 3 StR 462/22
- st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschluss vom 08.03.2022 – 3 StR 136/21 12; Urteile vom 17.11.2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 Rn. 10; vom 24.04.2007 – 1 StR 52/07, BGHSt 51, 318 Rn. 12 ff.[↩]
- vgl. hierzu auch Patzak/Dahlenburg, NStZ 2016, 615, 616; Geschwinde, Rauschdrogen, 8. Aufl., Rn. 3374; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 1 Rn. 479; Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., Vorbem. §§ 29 ff. Rn.207a[↩]
- BGH, Urteil vom 03.12.2008 – 2 StR 86/08, BGHSt 53, 89[↩]
- Bork/Dahlenburg u.a., Toxichem Krimtech 2019, 5, 14 f.[↩]
- vgl. hierzu BGH, Urteile vom 17.11.2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 Rn. 10; vom 09.10.1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 17.11.2011 – 3 StR 315/10, BGHSt 57, 60 Rn. 10; vom 09.10.1996 – 3 StR 220/96, BGHSt 42, 255, 267 f.[↩]
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