Lieferung von umbaubedürftigen Kriegswaffen

Gemäß § 1 Abs. 1 KrWaffG bestimmt sich die Kriegswaffeneigenschaft danach, ob die Waffen in der Anlage (Kriegswaffenliste) aufgeführt sind. Entscheidend für die Kriegswaffeneigenschaft ist somit allein die Erwähnung in der Kriegswaffenliste1.

Lieferung von umbaubedürftigen Kriegswaffen

In Teil B dieser Liste sind sonstige Kriegswaffen, in Abschnitt – V die sogenannten Rohrwaffen erfasst. wenn mit den Waffen eine vollautomatische Schussabgabe möglich war, handelt es sich um vollautomatische Gewehre im Sinne der Nr. 29c2.

Dass die vollautomatische Schussabgabe erst nach den Umbaumaßnahmen möglich war, steht der Einstufung als Kriegswaffe nicht entgegen. Gegenstände, die gattungsmäßig unter die Kriegswaffenliste fallen und deren Funktionstüchtigkeit nicht dauernd und endgültig aufgehoben ist, bei denen die Funktionsstörung vielmehr mit geringem Aufwand und verhältnismäßig einfachen Mitteln von jedermann behoben werden kann, der sich über die Möglichkeit dazu informiert, sind Kriegswaffen im Sinne des § 1 Abs. 1 KrWaffG3.

Das war bei den Waffen im hier entschiedenen Fall der Fall. Die Umbauschritte, der hierfür erforderliche Aufwand und das benötigte Werkzeug hat das Landgericht im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt. Danach konnten die fehlenden Teile für unter 200 Euro frei erworben werden. Für den Einbau der Ersatzteile und die Entfernung der eingebauten Behinderungen waren lediglich einfache, handelsübliche Werkzeuge, wie Hammer, Durchschlag, Schraubenzieher, Kombizange und AkkuBohrmaschine nötig. Bei der halbautomatischen Variante war der Umbau in unter einer Stunde, bei der Variante Repetiergewehr in etwa eineinviertel Stunden möglich. Die hierfür erforderlichen Informationen konnte sich jedermann ohne weiteres im Internet beschaffen. Es mussten auch keine Bohrungen im Gehäuse angebracht werden. Sämtliche Aussparungen im Gehäuse für Haltevorrichtungen waren genau wie im vollautomatischen Sturmgewehr des Typs AK 47 Kalaschnikow vorhanden. Allein der leere, am Ende breitgeklopfte Haltebolzen für den fehlenden Sperrhebel musste entfernt werden, um die vorhandene Aussparung frei zu legen. Hierzu musste lediglich der Haltebolzen – und gerade nicht das Gehäuse – von außen angebohrt und anschließend mit einem Hammer und einem passenden Durchschlag aus dem Gehäuse geschlagen werden. Sodann konnte diese vorhandene Aussparung für die Befestigung des Sperrhebels mittels eines Haltebolzens – exakt wie beim AK 47 – verwendet werden.

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Danach war die Funktionstüchtigkeit im Hinblick auf die vollautomatische Schussabgabe nicht dauernd und endgültig aufgehoben4, denn die Funktionsstörung konnte mit geringem Aufwand und verhältnismäßig einfachen Mitteln von jedermann behoben werden, der sich über die Möglichkeit dazu informiert.

Hierbei ist unbeachtlich, ob eingebaute Behinderungen entfernt, fehlende – aber mit geringem Aufwand und verhältnismäßig einfachen Mitteln zu beschaffende – Teile eingesetzt werden müssen oder eine Kombination von beidem erforderlich ist, um die Funktionstüchtigkeit herzustellen, sofern dies insgesamt mit geringem Aufwand und verhältnismäßig einfachen Mitteln von jedermann vorgenommen werden kann, der sich über die Möglichkeit dazu informiert. Hierfür sprechen der Wortlaut der Vorschrift, ihre Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift:

Bereits dem Wortlaut von § 1 Abs. 2 KrWaffG nach sollen in die Kriegswaffenliste alle Gegenstände aufgenommen werden, die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen … Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen….

Die Erfassung solcher Gegenstände entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der zum Schutz der inneren Sicherheit „alle auch nur denkbaren Lücken“ schließen und „die Aspekte der inneren Sicherheit im Kriegswaffenkontrollgesetz“ verstärken wollte5. Damit steht im Einklang, dass gemäß der Erläuterungen zur Kriegswaffenliste des Bundesministeriums der Finanzen die Kriegswaffeneigenschaft erst dann verloren geht, sobald der Gegenstand als Kriegswaffe dauernd funktionsuntüchtig geworden ist, was erst dann anzunehmen ist, wenn die Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit entweder unmöglich ist oder einen technischen oder finanziellen Aufwand erfordert, der in keinem sinnvollen Verhältnis zum Wert einer funktionsfähigen Waffe steht (Nr. 6) und bei Zweifeln über den Verlust der Kriegswaffeneigenschaft der Gegenstand so lange Kriegswaffe bleibt, bis die Zweifel beseitigt worden sind (Nr. 8).

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Schließlich kann es auch nach Sinn und Zweck des Kriegswaffenkontrollgesetzes keinen Unterschied machen, ob eine einfach zu entfernende Vorrichtung die Funktionstüchtigkeit – hier die Möglichkeit der vollautomatischen Schussabgabe – verhindert oder die Funktionstüchtigkeit durch leicht zu bewerkstelligende Ergänzungen von jedermann jederzeit hergestellt werden kann6. Eine andere Auslegung würde der Umgehung der Bestimmungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes Vorschub leisten und mit dem Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbaren sein, das die Herstellung, den Verkehr und den Handel mit allen zur Kriegsführung geeigneten und deshalb in die Kriegswaffenliste aufgenommenen Waffen und Waffenteilen der staatlichen Kontrolle unterwerfen will7. Gegen diese Auslegung bestehen auch mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken8.

Soweit das Bundeskriminalamt in seinen Feststellungsbescheiden nach § 2 Abs. 5 WaffG vom 30.01.2018 davon ausgegangen ist, dass es sich bei den Waffen um keine Kriegswaffen handelt, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Denn die Kriegswaffeneigenschaft als Tatbestandsvoraussetzung der Strafbarkeit wird nicht etwa durch ein Verwaltungshandeln begründet oder beeinflusst, wie etwa das Tatbestandsmerkmal der unerlaubten Einreise im Sinne des § 95 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AufenthG, vielmehr ergibt sie sich allein aus dem Gesetz. Insoweit obliegt die Auslegung, ob es sich bei einem Gegenstand um eine Kriegswaffe nach § 1 Abs. 1 KrWaffG i.V.m. der Kriegswaffenliste handelt, den Gerichten9. Die Feststellungsbescheide des Bundeskriminalamts können daher schon deswegen die nach Art.20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebundenen Strafgerichte nicht hindern, eine abweichende Wertung vorzunehmen10.

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Die nach § 2 Abs. 5 WaffG bestehende Einstufungskompetenz des Bundeskriminalamts bezieht sich allein darauf, ob ein Gegenstand vom WaffG erfasst wird oder wie er nach Maßgabe des WaffG einzustufen ist. Solche Entscheidungen des Bundeskriminalamts entfalten nach § 2 Abs. 5 Satz 4 WaffG nur für den Geltungsbereich des WaffG Wirkung. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 WaffG unterfallen solche Waffen, die wie automatische Schnellfeuergewehre, Maschinenpistolen und Gewehre in der Kriegswaffenliste aufgeführt sind, nicht dem WaffG. Die Frage der Kriegswaffeneigenschaft ist danach von § 2 Abs. 5 WaffG nicht umfasst, sondern richtet sich ausschließlich nach dem spezielleren KrWaffG, das die kriegswaffenrechtliche Materie ausschließlich und besonders regelt11. Hinzu kommt, dass das Bundeskriminalamt auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, wonach im Gehäuse Bohrungen angebracht werden müssten, um die Funktionsfähigkeit herzustellen.

Eine Genehmigung, die den objektiven Tatbestand des § 22a Abs. 1 Nr. 3 KrWaffG bzw. des § 22a Abs. 1 Nr. 4 KrWaffG entfallen lassen würde, lag nicht vor. Hierzu hätte es einer Genehmigung für die Beförderung bzw. für die Beförderung zum Zweck der Ausfuhr von Kriegswaffen nach § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 und 3 KrWaffG i.V.m. Kriegswaffenliste Teil B – V Nr. 29c bedurft. Gemäß § 11 Abs. 1 KrWaffG ist hierfür die Bundesregierung zuständig, die gemäß § 11 Abs. 2 und 3 KrWaffG diese Zuständigkeit an fünf im Einzelnen benannte Bundesministerien delegieren kann12.

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Eine vorliegende Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle nach dem Außenwirtschaftsgesetz kann diese Genehmigung nicht ersetzen und ist für das KrWaffG ohne Belang. § 22a Abs. 1 Nr. 4 KrWaffG bezieht sich allein auf die in § 3 Abs. 3 KrWaffG statuierte Genehmigungspflicht13. Ferner regelt sowohl § 1 Abs. 2 Nr. 1 AWG bzw. § 1 Abs. 2 AWG aF als auch § 6 Abs. 4 KrWaffG, dass nach anderen Gesetzen erforderliche Genehmigungen nicht ersetzt werden und solche auch selbst keine ersetzende Wirkung haben, vielmehr gegebenenfalls mehrere Genehmigungen erforderlich sind14. Dies folgt bereits aus den unterschiedlichen Regelungsbereichen: Während das KrWaffG den Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 GG umzusetzen versucht, ein Kriegswaffenkontrollregime als geeignetes Mittel zur Verhinderung der Förderung fremder Angriffskriege zu schaffen15, regelt das AWG allgemein den Warenverkehr mit dem Ausland. Entsprechend dem unterschiedlichen Zweck der Vorschriften sind auch Prüfungsmaßstab, Prüfungstiefe und die zuständigen Genehmigungsbehörden verschieden.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 23. Juli 2019 – 1 StR 433/18

  1. BGH, Beschluss vom 08.04.1997 – 1 StR 606/96, NStZ 1997, 552 m. Anm. Runkel; Steindorf/Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., KrWaffG, § 1 Rn. 1[]
  2. vgl. auch Erläuterungen zur Kriegswaffenliste des BMF Nr. 29c[]
  3. BGH, Urteil vom 19.02.1985 – 5 StR 780/84 und 796/84 Rn. 5; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 09.01.2002 – 2 BvR 2142/01 Rn. 6[]
  4. vgl. auch MünchKomm-StGB/Heinrich, 3. Aufl., KrWaffG, § 22a Rn. 4 f.; Hinze/Adolph/Brunner/Bannach/Runkel, Waffenrecht, 60. Aktualisierung, Juni 2010, § 1 KWKG Rn. 12[]
  5. BT-Drs. 8/1614, S. 1 und 14[]
  6. Pottmeyer, KWKG, 2. Aufl., § 1 Rn. 38 ff., Rn. 54; Holthausen, NStZ-RR 1998, 193, 194; Hinze/Adolph/Brunner/Bannach/Runkel, Waffenrecht, 64. Aktualisierung, Oktober 2012, § 1 KWKG Rn. 14 f.[]
  7. vgl. BT-Drs. III/1589, S. 12[]
  8. vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.01.2002 – 2 BvR 2142/01 Rn. 6[]
  9. vgl. Pottmeyer, KWKG, 2. Aufl., § 1 Rn. 121[]
  10. vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.04.2007 – 1 Ss 75/06 Rn. 23 ff.; Erbs/Kohlhaas/PauckstadtMaihold, 175. EL Mai 2009, WaffG § 1 Rn. 1[]
  11. vgl. MünchKomm-StGB/Heinrich, 3. Aufl., WaffG, § 57 Rn. 1; Erbs/Kohlhaas/PauckstadtMaihold, 224. EL Juli 2018, WaffG, Vorbemerkungen Rn. 5; Erbs/Kohlhaas/Lampe, 224. EL Februar 2019, KWKG, § 22a Rn. 32; Hinze/Adolph/Brunner/Bannach/Adolph, Waffenrecht, 74. Aktualisierung, August 2017, KWKG Einleitung Rn. 63; Steindorf/Heinrich, Waffenrecht, 10. Aufl., WaffG, § 57 Rn. 1 und KWKG Vorbemerkungen Rn. 8, 8a[]
  12. abl. zur Frage der Verfassungsgemäßheit dieser Delegationsmöglichkeit im Hinblick auf Art. 26 Abs. 2 GG Dreier/Pernice, GG, 2. Aufl. Art. 26 Rn. 28 mwN[]
  13. Hinze/Adolph/Brunner/Bannach/Runkel, Waffenrecht, 66. Aktualisierung, November 2013, KWKG, § 22a Rn. 23; Steindorf/Heinrich, 10. Aufl., KrWaffG, § 22a Rn. 6[]
  14. vgl. MünchKomm-StGB/Wagner, 2. Aufl., AWG, Vor §§ 17 ff. Rn. 8; Hinze/Adolph/Brunner/Bannach/Runkel, Waffenrecht, 61. Aktualisierung, November 2010, § 6 KWKG Rn.20; Kistner, Straftaten im Außenwirtschaftsgesetz Systematik, Rechtsgut und Auslegung des § 34 Abs. 2 AWG, S. 5; vgl. auch BT-Drs. 11/4928, S. 1 f.; vgl. auch Pottmeyer, KWKG, 2. Aufl., Einleitung Rn. 186[]
  15. BeckOK GG/von HeintschelHeinegg, 41. Ed., Art. 26 Rn. 29, 29.1; Maunz/Dürig/Herdegen, GG, 81. EL Januar 2017, Art. 26 Rn. 2[]
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