Lockanrufe auf dem Handy

Das automatisierte, kurzzeitige Anrufen (Anklingeln-Lassen) von Mobiltelefonen in der Absicht, den Angerufenen zu einem Rückruf auf eine teure 0137-Mehrwertdienstenummer zu veranlassen („Ping“), ist als Betrug nach § 263 Abs. 1 StGB strafbar.

Lockanrufe auf dem Handy

Nach Auffassung des Landgerichts Osnabrück stellt ein eingehender Anruf einen Vorgang dar, der die konkludente Erklärung beinhaltet, der Anrufer wolle ernsthaft kommunizieren. Ist diese Erklärung bewusst falsch, stellt sie eine Täuschung im Rechtssinne dar.

Die Täuschungshandlung besteht in der Vorspiegelung falscher oder in der Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen. Als Tatsache in diesem Sinne ist nicht nur das tatsächlich, sondern auch das angeblich Geschehene oder Bestehende anzusehen, sofern ihm das Merkmal der objektiven Bestimmtheit und Gewissheit eigen ist. Hiernach ist die Täuschung jedes Verhalten, das objektiv irreführt oder einen Irrtum unterhält und damit auf die Vorstellung eines anderen einwirkt1. Der Betrugstatbestand unterscheidet nämlich nicht danach, auf welche Weise eine Täuschungshandlung erfolgt. Sie kann mündlich, schriftlich, durch Gestik oder sonstwie erfolgen; sie kann ausdrücklich oder sinngemäß erfolgen2. Dabei ist – wie ausgeführt – allgemein anerkannt, dass außer der ausdrücklichen Begehung, namentlich durch bewusst unwahre Behauptungen, die Täuschung auch konkludent erfolgen kann, nämlich durch irreführendes Verhalten, das nach der Verkehrsanschauung als stillschweigende Erklärung zu verstehen ist. Davon ist auszugehen, wenn der Täter die Unwahrheit zwar nicht expressis verbis zum Ausdruck bringt, sie aber nach der Verkehrsanschauung durch sein Verhalten miterklärt3. Dabei ist der Erklärungsgehalt nach der Verkehrsanschauung zu bestimmen, also danach, wie eine entsprechende Erklärung von beteiligten Personen regelmäßig verstanden wird4.

Ein Anruf wird von dem Angerufenen (berechtigterweise) dahin gehend verstanden, ein anderer wolle telefonieren und einen sinnvollen Gedankenaustausch vornehmen. Dies gilt unabhängig davon, wie häufig der Anrufer es klingeln lässt, zumal dies auch nicht von allen Handynutzern wahrgenommen wurde – etwa, wenn das Handy außerhalb der Hörweite abgelegt oder auf „lautlos“ geschaltet wurde. Denn es können viele Gründe vorliegen, weshalb ein Anrufversuch nach kurzer Zeit abgebrochen wird. Dies können etwa technische Verbindungsabbrüche oder menschliche Entscheidungen sein, ohne dass sich am grundsätzlichen Kommunikationsverlangen etwas geändert hätte. Von dem Erklärungsgehalt eines eingehenden Anrufs, der auf einem Sich-Verwählen des Anrufers beruht, unterscheidet er sich dadurch, dass der Anrufer im letztgenannten Fall eine solche Erklärung nicht abgeben wollte.

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Damit liegt eine Täuschung im Rechtssinne vor, deren Inhalt es ist, der Anrufer strebe über das Herstellen einer Telekommunikationsverbindung eine inhaltlich ernstgemeinte zwischenmenschliche Kommunikation an; denn diese Erklärung war unzutreffend. Hinzu kommt die Täuschung darüber, woher der „anpingende“ Anruf (technisch) kommt. Die Ausgestaltung des Formats der übertragenen Rufnummer sollte gerade verschleiern, dass es sich um eine teure Mehrwertdienstnummer handelte, sondern vielmehr vorgeben, der „anpingende“ Anruf sei von einer normalen Handynummer aus erfolgt. Hinzu kommt die Wahl des Zeitfensters, in dem die „Angepingten“ im besonderen Maße mit Anrufen von Bekannten und Verwandten zur Festzeit rechneten.

Die Rückrufenden sind – in beiderlei Hinsicht – einem entsprechenden Irrtum erlegen, denn bei ihnen entstand zum einen die Vorstellung über einen tatsächlich nicht bestehenden ernsthaften Kommunikationswunsch und zum anderen die Vorstellung, das nunmehr von ihnen initiierte Telefonat koste nur die herkömmlichen Gesprächsgebühren.

Zwar hat das Landgericht Osnabrück im vorliegenden Fall nur einige Getäuschte hierzu vernommen. Es liegt allerdings fern anzunehmen, dass – anders als bei allen vernommenen Zeugen – eine nennenswerte Anzahl von Handybesitzern aus einem anderen Grunde zurückgerufen haben könnte als aus demjenigen, eine ernsthafte Kommunikation beginnen zu wollen. Diesen Irrtum haben sich die Angeklagten bewusst zu Nutze gemacht, indem sie die Handybesitzer so zu einem für diese nutzlosen Rückruf auf die teure 0137-Nummer veranlassten. Es ist auch aus Rechtsgründen nicht geboten, sämtliche Geschädigte zu vernehmen. Auf den Aussagen sämtlicher Geschädigter beruhende Feststellungen lassen sich mit angemessenem Aufklärungsaufwand nicht treffen, so dass eine an den Umständen des Falles orientierte Abwägung stattzufinden hat, wie viele Geschädigte zu vernehmen sind, bis die Kammer sich eine gesicherte Einschätzung zutrauen kann5. Angesichts der Eindeutigkeit der Motivlage hat das Landgericht vorliegend (nur) neun – potentielle – Geschädigte vernommen.

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Eine andere rechtliche Bewertung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass offenbar nicht jeder der „angepingten“ Handybesitzer zurückgerufen hat. Dies kann etwa daher kommen, dass diese dem Irrtum nicht erlegen sind, sondern die „Masche“ durchschaut haben, wie etwa der Zeuge P.. Dass ein Irrtum vermeidbar ist, ändert nämlich nichts daran, dass er – wie hier – in rechtlich relevanter Weise eingetreten sein kann6.

Mit der Anwahl der 0137-Nummer haben die Handybesitzer wegen ihres Irrtums eine Vermögensverfügung vorgenommen, da sich der Anruf unmittelbar vermögensmindernd auswirkte. Die Handynetzbetreiber haben nämlich gegen die Handybesitzer einen Anspruch auf Zahlung des Mehrwertdienstes geltend gemacht. Soweit die Handys mit sogenannten Pre-Paid Karten bestückt waren, ist der Betrag bereits während des Anrufs vom Guthaben der Geschädigten abgebucht worden; soweit Post-Paid Karten (regelmäßig über Monatsrechnungen) betroffen waren, wurde dieser Betrag auf der Rechnung ausgewiesen und später eingezogen. Aufgrund der eingeführten Dokumente über die Rechnungslegung der Handynetzbetreiber kann die Kammer auch ausschließen, dass die Kosten für die Inanspruchnahme der Mehrwertdienstenummer in einem nennenswerten Umfang nicht auf den Rechnungen der Endkunden erschienen. Die gehörten Zeugen haben auch teilweise bestätigt, dass ihnen die Beträge vom Konto abgebucht worden sind. Dabei ist es rechtlich zudem unerheblich, ob die Handybesitzer gegen die Rechnungslegung rechtlich vorgehen konnten, denn dies wäre mit Aufwand und Unsicherheit bezüglich des Erfolgs verbunden gewesen, so dass zumindest rein faktisch eine vermögensmindernde Wirkung eingetreten ist.

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Tatsächlich sind den Handybesitzern über die Telefonrechnung – und in einigen Fällen auch solchen, die über Festnetz zurückriefen – die Kosten für die Mehrwertdienstnummern in Rechnung gestellt worden.

Es ist auch zu einem Schaden gekommen, so dass der Betrugstatbestand vollendet ist. Denn eine Gegenleistung haben die Handybesitzer nicht erhalten. Die Bandansage war für die wert- und sinnlos und unter keinem Gesichtspunkt gewollt. Wie sich aus den – teilweise verlesenen – Auskünften der Telekommunikationsunternehmen ergibt, sind diese Rechnungsbeträge den Endkunden auch nur in wenigen Einzelfällen, nämlich soweit es zu Kundenbeschwerden kam, erstattet worden, was jedoch an dem tatbestandlich eingetretenen Schaden nichts mehr ändert.

Auf Basis der festgestellten erfolgreichen Verbindungen von 660.000 hat die Kammer zu Gunsten der Angeklagten einen Sicherheitsabschlag von pauschal 20 % vorgenommen (mögliche Rückrufer, die keinem Irrtum erlegen sind; mögliche Rückrufer, denen kein Entgelt für die Verbindung berechnet wurde und die nicht in der Gefahr standen, dass dies erfolgen würde). Die Kammer bewertet damit die geringfügige Unsicherheit, die aus der Vernehmung von (nur) neun Geschädigten folgt; sie schließt auf Grundlage der erfolgten Vernehmungen aus, dass die Anzahl von Rückrufern, die nicht irrten, höher sein könnte. Daraus folgt, dass insgesamt 528.000 Verbindungen zur Schadensberechnung zu Grunde zu legen sind. Bei (mindestens) 0,98 € je Anruf ergibt sich ein Gesamtschadensvolumen von (wiederum: mindestens) 517.440 €.

Die Angeklagten handelten in der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung. Die Stoffgleichheit der beabsichtigten Bereicherung ergibt sich daraus, dass das von den Handybesitzern erhobene Entgelt für die Anwahl der 0137-Nummern über die Deutsche T. AG als Transfernetzbetreiberin über die Vermietungskette (A. AG – I. GmbH – M./Angeklagte) zu den Angeklagten gelangen sollte. Dass die jeweilige Rechnungstellung innerhalb der Zahlungskette teilweise erfolgen konnte, bevor die Handybesitzer für ihren Anruf bezahlten, ändert an dieser Wertung nichts. Denn der erstrebte Vorteil der Angeklagten sollte ihnen aus dem geschädigten Vermögen zufließen, zumal Verfügende und Geschädigte identisch waren. Dies gilt unabhängig davon, ob die Telefongesellschaften ihren Anschlussteilnehmern die Kosten für die Inanspruchnahme der Mehrwertdienstenummern – wie in diesem Fall nach den Angaben des Zeugen M. – im Wege eines Forderungseinzugs oder aber bei anderen Fallgestaltungen aus abgetretenem Recht, weil aus nämlicher Forderung in Rechnung stellten7.

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Da die Angeklagten – im Hinblick auf die Vielzahl von Geschädigten – nur einmal im organisatorischen Sinne tätig geworden sind, handelt es sich um lediglich eine Tat des Betruges bzw. der Beihilfe hierzu. Ansonsten hätte im Hinblick auf einzelne Geschädigte ein individueller Tatbeitrag eines der Angeklagten festgestellt werden müssen, was indes nicht der Fall war.

Es handelt sich auch um ein vollendetes Delikt des Betruges, da in vielen – wenngleich auch nicht in allen – Fällen der Vermögensschaden aufgrund täuschungsbedingten Irrtums und einer Vermögensverfügung eingetreten ist. Treffen in einem uneigentlichen Organisationsdelikt rechtlich zusammentreffende Fälle (§ 52 StGB) des Versuchs und der Vollendung des gleichen Delikts zusammen, handelt es sich insgesamt um ein vollendetes Delikt8.

Kein besonders schwerer Fall des Betrugs

Ein besonders schwerer Fall des Betruges gemäß § 263 Abs. 3 StGB liegt nicht vor.

Regelbeispiele scheiden aus:

Weder hat das Landgericht festgestellt, dass die Angeklagten gewerbsmäßig handelten (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB), denn hierfür wäre erforderlich, dass sie eine wiederholte Tatbegehung durch eigenständige Taten anstrebten (so ausdrücklich auch Kölbel JuS 2013 193, 198). Selbiges hat die Beweisaufnahme nicht ergeben. Eine Verklammerung einer Vielzahl von Geschädigten durch eine organisatorische Maßnahme (uneigentliches Organisationsdelikt) reicht nicht aus. Entsprechendes gilt für die Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug verbunden hat (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 2 StGB).

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Auch liegt das Regelbeispiel des Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB) nicht vor, denn dieses setzt bei dem individuellen Schaden von einzelnen Personen ab 50.000 € an9. Der Gesamtschaden vieler Geschädigter kann dabei nicht additiv herangezogen werden10.

Noch liegt das Regelbeispiel der Absicht vor, durch die fortgesetzte Begehung von Betrug eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alternative 2 StGB). Unabhängig davon, ob die Gefahr des Verlustes von Geldbeträgen in der Größenordnung von ein bis knapp drei € pro Person ausreichen kann, setzt auch dieses Regelbeispiel die – beabsichtigte – Begehung mehrerer selbständiger Betrugstaten voraus. Dies war nicht festzustellen.

Schließlich erkennt das Landgericht Osnabrück auch keinen unbenannten besonders schweren Fall (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 StPO). Ein solcher kann vorliegen, wenn die Tat vom Durchschnitt der gewöhnlich vorkommenden Fälle so abweicht, dass die Anwendung des höheren Strafrahmens geboten ist11. Die Tat muss so schwer sein, dass unter Berücksichtigung aller Umstände der allgemeine Strafrahmen keine ausreichende Reaktionsmöglichkeit mehr bietet12, so etwa wenn der Täter besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt, Kontrollen systematisch aushebelt oder erheblichen immateriellen Schaden mit seiner Betrugstat verursacht13.

Nach Auffassung des Landgerichts haben die Angeklagten kein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen, sondern ihnen völlig unbekannte Personen, die deshalb überhaupt kein Vertrauen zu den Angeklagten haben konnten, getäuscht. Kontrollen waren quasi nicht vorhanden. Vielmehr hatten diejenigen, die Kontrolle hätte ausüben können, nämlich die beteiligten Telekommunikationsunternehmen, ein eigenes Interesse an dem Ablauf, weil sie daran mitverdienen konnten und dies teilweise auch getan haben. Die Einhaltung des Verhaltenskodexes wurde kaum kontrolliert. Zu einem immateriellen Schaden ist es bei den Handybesitzern nicht gekommen. Soweit hierzu vernommen, haben diese bekundet, ihr Schaden sei es ihnen aufgrund der Geringfügigkeit nichtmals wert gewesen, dessen endgültigen Eintritt zu verhindern.

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Auch kann das Argument nicht tragen, ein oder mehrere Regelbeispiele seien nur „knapp“ nicht verwirklicht: Der Gesetzgeber hat die Regelbeispiele bewusst mit bestimmten Voraussetzungen ausgestattet, so dass deren „Fast-Verwirklichung“ noch keinen Schluss auf einen unbenannten besonders schweren Fall zulässt. Unter Berücksichtigung aller Umstände sieht die Kammer zwar, dass sich dieser Fall von einer Reihe von Betrugsdelikten in seiner systematischen Planung und Umsetzung abhebt; indes bietet der allgemeine Strafrahmen hinreichende Reaktionsmöglichkeiten auf die Tat. Der persönliche Schuldgehalt hebt sich nicht derart von anderen Betrugstaten ab, dass eine Gleichbehandlung mit den benannten Fällen des § 263 Abs. 3 Satz 2 StGB gerechtfertigt wäre.

Landgericht Osnabrück, Urteil vom 6. März 2013 – 10 KLs 38/09, 10 KLs – 140 Js 2/07 – 38/09

  1. BGHSt 47, 1[]
  2. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn 18, 21, 28, ausdrücklich zum „Anpingen“ Rn 28b; Kölbel, JuS 2013, 193, 195[]
  3. so BGHSt 47, 1[]
  4. Kölbel, ebenda[]
  5. vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 05.03.2002 – 3 StR 491/01, abgedruckt in NJW 2002, 1810[]
  6. BGHSt 47, 1, 5; 34, 199, 201; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn 55a; Kölbel, JuS 2013, 193, 196[]
  7. a. A. Brand/Reschke, NStZ 2001, 379[]
  8. so auch BGHSt 47, 1; anders anscheinend OLG Oldenburg JuS 2010, 1119[]
  9. BGHSt 48, 360; BGH wistra 2009, 236[]
  10. BGH NJW 2011, 1825, 1827[]
  11. Schönke/Schröder-Cramer/Perron, StGB, 28. Aufl., § 263 Rn 188i[]
  12. BGH MDR/D 1976, 16[]
  13. Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn 227[]