Die Beantragung eines Mahn- und eines Vollstreckungsbescheides im automatisierten Mahnverfahren auf der Grundlage einer fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung stellt eine Verwendung unrichtiger Daten im Sinne des § 263a Abs. 1, 2. Var. StGB dar. Der Antragsteller macht sich daher wegen Computerbetrugs gemäß § 263a Abs. 1, 2. Var. StGB und nicht wegen Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB strafbar.

Die Beantragung eines Mahn- und eines Vollstreckungsbescheides im automatisierten Mahnverfahren auf der Grundlage einer fingierten, tatsächlich nicht bestehenden Forderung stellt eine Verwendung unrichtiger Daten dar.
Der Tatbestand des § 263a StGB ist betrugsäquivalent auszulegen1. Maßgebend ist deshalb, ob die Handlung des Täters einer Täuschung i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB entspricht2.
Wird im automatisierten Mahnverfahren eine fiktive Forderung geltend gemacht, liegt darin ein täuschungsäquivalentes Verhalten3, da bei gleichem Vorgehen gegenüber einem Rechtspfleger ein Vorspiegeln von Tatsachen im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB (falsche Behauptung eines Sachverhaltes, aus dem sich die angebliche Forderung ergeben soll) anzunehmen wäre.
Aus dem Umstand, dass das Gericht im Mahnverfahren die inhaltliche Berechtigung des Anspruchs nicht prüft (vgl. § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO), ergibt sich nichts anderes. Im Gegensatz zum Vollstreckungsverfahren dient das Erkenntnisverfahren der Überprüfung der Berechtigung der geltend gemachten materiellen Forderung. Während der Rechtspfleger im Vollstreckungsverfahren nicht zur Prüfung der titulierten Forderung berechtigt ist, müsste er im Erkenntnisverfahren bei Kenntnis der Nichtexistenz der geltend gemachten Forderung den Erlass eines Mahn- oder Vollstreckungsbescheids ablehnen4. Erlässt er den beantragten Bescheid, so geschieht dies in der Vorstellung, dass die nach dem Verfahrensrecht ungeprüft zu übernehmenden tatsächlichen Behauptungen des Antragstellers gemäß der sich aus § 138 Abs. 1 ZPO ergebenden Verpflichtung der Wahrheit entsprechen5; offen gelassen im Beschluss vom 25.04.2001 – 1 StR 82/01, BGHR § 263 Abs. 1 StGB Täuschung 19; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 111, 112; Münker, Der Computerbetrug im automatischen Mahnverfahren, 2000, S. 183; aA LKStGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 263, Rn. 90; MünchKomm-StGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263, Rn. 129; Kretschmer GA 2004, 458, 470)).
Die weiteren Voraussetzungen des § 263a StGB liegen vor. Der vermögensrelevante Datenverarbeitungsvorgang wirkte sich unmittelbar vermögensmindernd aus6, denn schon durch die Erwirkung des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides wurde das Vermögen der geschädigten Gesellschaft vermindert7. Dass es noch der Zustellung dieses Bescheides bedurfte, ändert daran nichts, weil es sich dabei lediglich um die Umsetzung des Ergebnisses des Datenverarbeitungsvorgangs ohne inhaltliche Kontrolle handelt8.
§ 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die geständige Angeklagte bei zutreffender rechtlicher Bewertung der Taten nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können, zumal ihr mit der Anklage die betrügerische Erwirkung von Mahnbescheiden und anschließend Vollstreckungsbescheiden zur Last gelegt wird.
Die Strafbarkeit des Vollstreckungsantrags
Ein (pflichtwidriges) Vorverhalten führt nur dann zu einer Garantenstellung aus Ingerenz, wenn dadurch die naheliegende Gefahr des Eintritts des konkreten tatbestandsmäßigen Erfolges verursacht worden ist9. Der durch die Vorhandlung herbeigeführte Zustand muss so beschaffen sein, dass bereits ein bloßes Untätigbleiben die Gefahr vergrößert, dass es zum Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges kommt oder ein bereits eingetretener Schaden vertieft wird10.
Eine solche Gefahrlage bestand hier nicht. Wäre die Angeklagte nach dem Erlass des von ihr erwirkten Vollstreckungsbescheides untätig geblieben, hätte sich für das Opfervermögen keine zusätzliche Gefährdung ergeben. Die Pfändung und Überweisung wurde erst durch den nachfolgenden Antrag nach § 829 ZPO veranlasst, der auf einem neuen Tatentschluss der Angeklagten beruhte.
Der Bundesgerichtshof muss unter diesen Umständen nicht entscheiden, ob ein vorsätzliches Vorverhalten, das auf denselben Erfolg gerichtet ist wie das nachfolgende Unterlassen, überhaupt eine Garantenstellung aus Ingerenz zu begründen vermag11.
Die Angeklagte hat bei der Stellung des Antrags auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auch nicht konkludent über das Bestehen einer vollstreckbaren Forderung getäuscht, sodass eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch ein aktives Tun gleichfalls nicht in Betracht kommt.
Ob in einer bestimmten Kommunikationssituation neben einer ausdrücklichen auch eine konkludente Erklärung abgegeben worden ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem objektiven Empfängerhorizont, der unter Berücksichtigung der Gesamtumstände und der Verkehrsanschauung
festzulegen ist12. Findet die Kommunikation – wie hier – im Rahmen eines geregelten Verfahrens statt, wird der Inhalt der abgegebenen Erklärungen maßgeblich durch die diesem Verfahren zugrunde liegenden Vorschriften geprägt. Dies sind hier die Bestimmungen der Zivilprozessordnung13.
Danach ist davon auszugehen, dass bei der Beantragung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses der Bestand der titulierten Forderung kein Gegenstand der Kommunikation zwischen dem Antragsteller und dem Rechtspfleger ist. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Der Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan hat bei Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nur die formalen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu untersuchen. Eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der zu vollstreckenden Forderung (Titelforderung) steht ihm nicht zu14. Der Titelgläubiger ist daher auch nicht gehalten, die materiellrechtliche Grundlage der titulierten Forderung in seinem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses näher zu bezeichnen (vgl. § 2 Nr. 2 Zwangsvollstreckungsformularverordnung i.V.m. deren Anlage 2)15. Einwendungen gegen die Berechtigung der titulierten Forderung können grundsätzlich allein mit der Vollstreckungsabwehrklage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs und nur innerhalb der Grenzen des § 767 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden, nicht aber gegenüber dem Rechtspfleger bei Erlass von Vollstreckungsmaßnahmen16. Dies zeigt auch die Regelung in § 775 ZPO, nach dessen Ziff. 4 und 5 eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur erfolgen kann, wenn die Befriedigung des Gläubigers durch Urkunden nachgewiesen wird, nicht aber bei Geltendmachung sonstiger Einwendungen gegen den Bestand der Titelforderung. Auch die in Ausnahmefällen mögliche Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Herausgabe des Titels nach § 826 BGB17 ist vor dem Zivilgericht zu erheben und führt als solche nicht zu einem vom Rechtspfleger als Vollstreckungsorgan zu beachtenden Vollstreckungshindernis.
Der Bundesgerichtshof weicht damit nicht vom Beschluss vom 25.04.2001 ab18. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung die Strafbarkeit eines nach § 63 StGB untergebrachten Beschuldigten wegen Betrugs bejaht, der mit Hilfe eines erschlichenen Vollstreckungstitels zwei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erwirkt hatte. Da in dem einen Fall die Zwangsvollstreckung bereits eingestellt war, als der Beschuldigte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss beantragte19, liegt der Annahme eines Betruges ein anderer Sachverhalt zugrunde. In der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses lag in jenem Fall eine konkludente Täuschung über das Nichtvorliegen eines Vollstreckungshindernisses (vgl. § 775 ZPO) und damit über die vom Rechtspfleger zu prüfende Vollstreckbarkeit des Titels. Soweit der 1. Strafsenat auch in der zweiten von ihm entschiedenen Sachverhaltskonstellation, in der die Zwangsvollstreckung erst am Tag nach der Beantragung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingestellt wurde20, die Verwirklichung des Betrugstatbestandes angenommen hat, ist diese Rechtsauffassung für die Entscheidung nicht tragend gewesen.
Da aus den vorgenannten Gründen bereits eine Täuschungshandlung fehlt, kann offen bleiben, ob der Rechtspfleger, wie das Landgericht meint, einem Irrtum über das Bestehen der titulierten Forderung unterlag. Die Annahme eines ausreichenden „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ wäre insoweit nur tragfähig, wenn sich dieses – etwa aufgrund vorheriger Kontrollen des Erklärungsempfängers – auf eine hinreichende Tatsachengrundlage stützen kann, woran hier aus den vorgenannten Gründen Zweifel bestehen21.
Bundesgerichtshof – Beschluss vom 19. November 2013 – 4 StR 292/13
- BGH, Beschluss vom 28.05.2013 – 3 StR 80/13, NStZ 2013, 586, 587[↩]
- BGH, Beschluss vom 21.11.2001 – 2 StR 260/01, BGHSt 47, 160, 163[↩]
- vgl. BT-Drs.-. 10/318, S. 21; NKStGB/Kindhäuser, 4. Aufl., § 263a Rn. 18; Haft, NStZ 1987, 6, 8; Möhrenschlager, wistra 1986, 128, 132; Münker, Der Computerbetrug im automatischen Mahnverfahren, 2000, S. 183; aA Cramer/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 263a Rn. 6; SSWStGB/Hilgendorf, § 263a Rn. 6; SKStGB/Hoyer, 8. Aufl., 65. Lfg., § 263a Rn. 30[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.12 2011 – 4 StR 491/11, NStZ 2012, 322, 323; OLG Düsseldorf, NStZ 1991, 586[↩]
- BGH, Beschluss vom 20.12 2011 – 4 StR 491/11, NStZ 2012, 322, 323; Urteil vom 25.10.1971 – 2 StR 238/71, BGHSt 24, 257, 260 f. ((zum vor 1977 geltenden Zivilprozessrecht[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2013 – 3 StR 80/13, NStZ 2013, 586[↩]
- vgl. RGSt 59, 104, 106; MünchKomm-StGB/Hefendehl, 2. Aufl., § 263, Rn. 674[↩]
- BGH aaO[↩]
- BGH, Urteil vom 17.07.2009 – 5 StR 394/08, BGHSt 54, 44, 47 Rn. 21; Urteil vom 23.09.1997 – 1 StR 430/97, BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 14[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 03.10.1989 – 1 StR 372/89, BGHSt 36, 255, 258; Stree/Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 39, 42[↩]
- verneinend BGH, Urteil vom 24.10.1995 – 1 StR 465/95, BGHR StGB § 221 Konkurrenzen 1; offen gelassen im Urteil vom 12.12 2002 – 4 StR 297/02, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 15; aA das überwiegende Schrifttum, vgl. MünchKomm-StGB/Freund, 2. Aufl., § 13 Rn. 130; SSWStGB/Kudlich, § 13 Rn. 22; Stein, JR 1999, 265[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 20.12 2012 – 4 StR 55/12, NStZ 2013, 234, 235; Urteil vom 26.04.2001 – 4 StR 439/00, BGHSt 47, 1, 3 f.; Urteil vom 10.11.1994 – 4 StR 331/94, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Irrtum 10[↩]
- Wagemann, GA 2007, 146, 148[↩]
- vgl. RGSt 23, 286, 287; Stöber, Forderungspfändung, 16. Aufl., Rn. 464[↩]
- Becker, ZPO, 10. Aufl., § 829, Rn. 3[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2011 – VII ZB 89/10, BGHZ 190, 172, 183 Tz. 26[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.12 1987 – VI ZR 165/87, BGHZ 103, 44; Urteil vom 24.09.1987 – III ZR 187/86, BGHZ 101, 380; Urteil vom 09.02.1999 – VI ZR 9/98, BGHR BGB § 826 Rechtskraftdurchbrechung 18[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.04.2001 – 1 StR 82/01, BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19[↩]
- vgl. Kretschmer, GA 2004, 458, 472[↩]
- vgl. Kretschmer, aaO[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.06.1985 – 4 StR 213/85, BGHSt 33, 244, 249[↩]