Die Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen1.

Gefühlsregungen wie Wut, Zorn, Ärger, Hass und Rachsucht kommen nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie nicht menschlich verständlich, sondern Ausdruck einer niedrigen Gesinnung des Täters sind.
Dabei ist der Maßstab für die Bewertung eines Beweggrundes den Vorstellungen der Rechtsgemeinschaft der Bundesrepublik Deutschland zu entnehmen und nicht den Anschauungen einer Volksgruppe, die die sittlichen und rechtlichen Werte dieser Rechtsgemeinschaft nicht anerkennt2.
In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung ins Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann3.
In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall tötete der Angeklagte seine Freundin, der er schon in der Vergangenheit mit übersteigertem Besitzdenken begegnete, auch aus Eifersucht und Wut darüber, sie nicht für sich gewinnen zu können. Derartige Beweggründe sind nach einhelliger Auffassung als niedrig einzustufen, wenn sie ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen4.
Im vorliegenden Fall hat das erstinstanzlich tätige Landgericht Lübeck5 in die Würdigung der Handlungsantriebe des Angeklagten zwar nachvollziehbar auch das vom Tatopfer ihm gegenüber gezeigte ambivalente Verhalten einbezogen. Bei dessen Betrachtung hat es allerdings maßgeblich berücksichtigt, dass seine Freundin schon vor ihrer Trennung von ihm auch intime Beziehungen zu anderen Männern unterhalten habe, ohne ihm dies zu offenbaren und ihm auch dadurch unmissverständlich klar zu machen, dass sie an einer festen und ausschließlichen Beziehung mit ihm nicht interessiert gewesen sei. Dieser Umstand anderweitiger von ihr nebenher geführter intimer Beziehungen hat bei der Bewertung seiner Beweggründe jedoch – ungeachtet der Frage, welche Bedeutung diesem Aspekt nach dem Menschenbild des Grundgesetzes überhaupt zukommt6 – hier schon deshalb keine Rolle spielen können, weil er dem Angeklagten gerade nicht bekannt war.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. November 2020 – 5 StR 124/20
- st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2005 – 1 StR 195/05, NStZ 2006, 284, 285; Beschluss vom 10.01.2006 – 5 StR 341/05, NJW 2006, 1008, 1011[↩]
- vgl. BGH, Urteile vom 28.11.2018 – 5 StR 379/18, NStZ 2019, 206, 207 mwN; vom 13.11.2019 – 5 StR 466/19, NStZ-RR 2020, 40, 41[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 12.09.2019 – 5 StR 399/19, NJW 2019, 3464, 3465 mwN[↩]
- BGH, Urteile vom 14.12.2000 – 4 StR 375/00, StV 2001, 228, 229; vom 22.07.2020 – 5 StR 543/19, NStZ 2020, 617 mwN[↩]
- LG Lübeck, Urteil vom 19.11.2019 – 705 Js 7362/19 1 Ks[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2019 – 5 StR 466/19, NStZ-RR 2020, 40, 41[↩]
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