Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und daher besonders, das heißt in deutlich weitreichenderem Maße als bei einem Totschlag, verachtenswert sind.

Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren, für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren1.
Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist2.
Entbehrt das Motiv ungeachtet der Verwerflichkeit, die jeder vorsätzlichen und rechtswidrigen Tötung innewohnt, nicht jeglichen nachvollziehbaren Grundes, so ist es nicht als „niedrig“ zu qualifizieren3.
Der Feststellung, der Täter habe dem Opfer das Lebensrecht abgesprochen, es vernichten wollen und sich damit zur Selbstjustiz aufgeschwungen, kommt für sich allein kein über § 212 StGB hinausgehendes Gewicht zu. Hierdurch wird lediglich die Eigenmächtigkeit der vorsätzlichen Tötung umschrieben, nicht aber, wie es für das Mordmerkmal „aus niedrigen Beweggründen“ erforderlich wäre, ein besonderer Tötungsbeweggrund. Der rechtwidrigen Tat nach § 212 StGB wohnt bereits ein unerträgliches Missverhältnis inne. Daher kann nicht jede vorsätzliche Tötung, für welche sich weder ein nachvollziehbarer noch naheliegender Grund finden lässt, als Mord aus niedrigen Beweggründen angesehen werden4.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2019 – 1 StR 370/19
- st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom 07.05.2019 – 1 StR 150/19 Rn. 8; vom 12.09.2019 – 5 StR 399/19 Rn. 8; vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18 Rn.20; vom 31.07.2018 – 1 StR 260/18 Rn. 5; und vom 15.05.2003 – 3 StR 149/03 Rn. 4; Urteile vom 21.02.2018 – 1 StR 351/17 Rn. 10; vom 22.03.2017 – 2 StR 656/13 Rn. 6; vom 01.03.2012 – 3 StR 425/11 Rn. 14; und vom 16.02.2012 – 3 StR 346/11 Rn. 10[↩]
- BGH, Urteile vom 01.03.2012 – 3 StR 425/11 Rn. 14; und vom 16.02.2012 – 3 StR 346/11 Rn. 10[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 07.05.2019 – 1 StR 150/19 Rn. 8; und vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18 Rn.20[↩]
- BGH, Beschluss vom 24.10.2018 – 1 StR 422/18 Rn. 21; Urteil vom 09.11.2005 – 1 StR 234/05 Rn.20[↩]
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