Notveräußerung eines Tieres – nach Aufhebung der Beschlagnahme

Erfolgt nach Aufhebung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft gleichwohl noch eine Notveräußerung des beschlagnahmten Tieres, begründet dies eine Schadensersatzpflicht aus der schuldhaften Verletzung des öffentlich-rechtlichen Verwahrungsverhältnisses.

Notveräußerung eines Tieres – nach Aufhebung der Beschlagnahme

Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis entsteht, wenn der Verwaltungsträger (hier die Staatsanwaltschaft) eine bewegliche Sache des Bürgers kraft öffentlichen Rechts in Besitz nimmt und sie dadurch seiner Obhut entzieht1.

Dem Eigentümer ist im vorliegenden Fall auch durch die Pflichtverletzung ein Schaden entstanden, denn er verlor in der Folge der Notveräußerung sein Eigentum an dem Pferd. Der Verlust des Eigentums trat zwar noch nicht durch die Notveräußerung an die Ersterwerberin ein, denn die Beschlagnahme des Pferdes war vorher aufgehoben worden. Der Eigentümer verlor sein Eigentum jedoch gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB durch den gutgläubigen Erwerb des Zweiterwerbers, an den die Ersterwerberin das Pferd weiterveräußerte. Ein Abhandenkommen, das gemäß § 935 BGB einen gutgläubigen Erwerb verhindert hätte, liegt nicht vor.

Dem ursprünglichen Eigentümer war das Pferd im vorliegenden Fall nicht gemäß § 935 Abs. 1 S. 1 BGB abhandengekommen, denn der Vater des Eigentümers hatte es freiwillig an den Stallbetreiber übergeben und es dort untergestellt. ber auch einem Besitzer war das Pferd nicht gemäß § 935 Abs. 1 S. 2 BGB im weiteren Verlauf der Ereignisse abhandengekommen.

Bei dem Stallbetreiber, Herrn B, war das Pferd durch die Staatsanwaltschaft sichergestellt worden. Dies bewirkte indes kein Abhandenkommen im rechtlich maßgeblichen Sinn. Das gilt selbst dann, wenn – wie die Streithelferin einwendet – Herr B mit der Sicherstellung nicht einverstanden war und sich dagegen zur Wehr setzte. Bei hoheitlichen Maßnahmen scheidet nämlich ein Abhandenkommen, also ein unfreiwilliger Besitzverlust, grundsätzlich aus, denn der Hoheitsakt ersetzt den Willen des Besitzers. Hoheitlichen Maßnahmen kommt dabei die Vermutung der Rechtswirksamkeit zu; daher sind auch rechtswidrige Verwaltungsakte zunächst wirksam2. Das ist nur bei nichtigen Verwaltungsakten anders, weil bei diesen der hoheitliche Akt so fehlerhaft ist, dass er als nicht existent angesehen werden muss und von jedem Betroffenen als unbeachtlich eingeordnet werden darf3.

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Da damit der Schaden des Eigentümers in dem Eigentumsverlust durch gutgläubigen Erwerb liegt, bedarf es keiner Ausführungen mehr dazu, ob der Schaden unabhängig von dem Eigentumsverlust auch bereits in dem Besitzverlust liegt, weil der Zweiterwerber nicht mehr ausfindig gemacht werden kann.

Den Eigentümer traf auch kein den Anspruch nach § 254 BGB minderndes Mitverschulden. Den Geschädigten trifft dann ein Mitverschulden, wenn er diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu schützen.

Ihm kann jedoch nicht als sorgfaltswidrig vorgeworfen werden, dass er die Weigerung der Staatsanwaltschaft zur Herausgabe hinnahm. Im Allgemeinen kann der Bürger nämlich auf die Richtigkeit der Erklärungen und Belehrungen eines Beamten vertrauen4. Das Unterlassen eines Antrags gemäß § 478 Abs. 3 StPO würde sich nur dann als fahrlässig darstellen, wenn die Annahme einer Rechtswidrigkeit der Auskunftsverweigerung dringlich nahegelegen hätte. Davon ist nicht auszugehen. In der Tat erscheint es nicht fernliegend, dass die Auskunft trotz § 478 Abs. 1 S. 2 StPO zum Schutz der Erwerberin versagt werden konnte. Es ist daher nicht so, dass der Auskunft der Staatsanwaltschaft die Unrichtigkeit gleichsam auf der Stirn gestanden hätte.

Ob ein Mitverschulden darin liegt, dass der Eigentümer keine Auskunftsklage gegen die Ersterwerberin erhoben hat mit dem Ziel, die Person des Zweiterwerbers ausfindig zu machen, konnte im vorliegenden Fall dahinstehen. Darauf käme es nur an, wenn kein gutgläubiger Erwerb anzunehmen gewesen wäre und der Schaden daher allenfalls in dem Besitzverlust hätte liegen können. Dies war hier indes – wie oben ausgeführt – nicht der Fall.

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Ob sich ein Anspruch daneben auch aus § 839 Abs. 1 BGB ergibt, kann ebenfalls dahinstehen, so dass Ausführungen zur Subsidiarität nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB oder zur unterlassenen Rechtsmitteleinlegung gemäß § 839 Abs. 3 BGB entbehrlich sind.

Schleswig -Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 1. März 2018 – 11 U 40/17

  1. MünchKomm-Henssler, BGB, 7. Aufl., § 688 Rn. 59[]
  2. vgl. Palandt-Herrler, 77. Aufl., § 935 Rn. 6; Kindl in BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck 43. Edition, 3 935 Rn. 10; Bayer in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 935 Rn. 9; OLG Brandenburg, OLGR 2004, 89 – Tz. 40 mwN[]
  3. vgl. OLG Schleswig, Urteil vom 25.01.2017, 12 U 132/16, Tz. 40[]
  4. Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 254 Rn. 14; BGH, Urteil v. 23.02.1978, III ZR 97/76 – Tz. 35[]