Zur Entscheidung über den Pflichtverteidigerwechsel ist nach Anklageerhebung ausschließlich der Vorsitzende des Gerichts zuständig; nicht erledigte Beschwerden gegen insoweit ergangene Beschlüsse des Ermittlungsrichters sind ihm deshalb zur weiteren Entscheidung vorzulegen.

Im vorliegenden Fall befindet sich der Angeschuldigte in Untersuchungshaft aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs. Bei diesem hatte er beantragt, die Bestellung seines Pflichtverteidigers wegen eines endgültig zerrütteten Vertrauensverhältnisses aufzuheben und ihm stattdessen seinen Wahlverteidiger als Pflichtverteidiger zu bestellen. Der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof hat den Pflichtverteidigerwechsel abgelehnt. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeschuldigte mit der sofortigen Beschwerde. Zwischenzeitlich hat der Generalbundesanwalt Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben.
Der Bundesgerichtshof ist damit zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Angeschuldigten nicht mehr berufen. Sie ist in einen (erneuten) Antrag auf Pflichtverteidigerwechsel umzudeuten und dem Vorsitzenden des nunmehr mit der Sache befassten Strafsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vorzulegen.
Voraussetzung für die Beschwerdezuständigkeit des Bundesgerichtshofs gegen Entscheidungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs über Pflichtverteidigerbestellungen ist dessen fortbestehende Zuständigkeit. Mit Erhebung der Anklage ist die ausschließliche Befugnis für Bestellungen von Pflichtverteidigern jedoch gemäß § 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO auf den Vorsitzenden des mit dem Erkenntnisverfahren befassten Gerichts übergegangen. Die Vorschrift knüpft an § 141 Abs. 4 StPO aF an und umfasst – wie bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 [1] anerkannt war – Entscheidungen über einen Pflichtverteidigerwechsel [2]. Für Beschwerden gegen insoweit ergangene Beschlüsse des Ermittlungsrichters hat dies zur Folge, dass sie nur bis zur Anklageerhebung in die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts fallen. Danach entfällt dessen Entscheidungskompetenz, und die Sache ist dem Gericht vorzulegen [3].
§ 142 Abs. 3 Nr. 3 StPO steht im Einklang mit dem unter anderem in § 162 Abs. 3 Satz 1 StPO und § 126 Abs. 2 Satz 1 StPO festgelegten Grundsatz, dass die Erhebung der öffentlichen Klage einen Verfahrenseinschnitt bildet, mit dem die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters endet und auf das Gericht übergeht [4]. Eine noch nicht erledigte Beschwerde gegen einen Beschluss des Ermittlungsrichters wird deshalb nach Anklageerhebung regelmäßig umgedeutet in einen (neuen) Antrag auf Erlass der begehrten oder Aufhebung der beanstandeten Maßnahme und ist als solche dem Gericht der Hauptsache vorzulegen. Eine Haftbeschwerde etwa verwandelt sich zu einem Antrag auf Haftprüfung vor dem Tatgericht [5]. Beschwerden über Haftbeschränkungen gemäß § 119 Abs. 1 StPO und gegen nicht in Vollzug gesetzte Haftbefehle sind in Anträge auf Aufhebung der Entscheidungen umzudeuten [6]. Die Anordnung, das Unterbleiben oder im Fall der Erledigung die nachträgliche Kontrolle (§ 101 Abs. 7 Satz 4 StPO) von gerichtlichen Ermittlungsmaßnahmen obliegen mit Anklageerhebung ebenfalls uneingeschränkt dem Spruchkörper. Sind insoweit nicht erledigte Rechtsmittel anhängig, entscheidet über diese das Tat- und nicht das Beschwerdegericht [7].
Es ist auch sachdienlich, dass nach Anklageerhebung allein der Vorsitzende des Gerichts über die Pflichtverteidigerbestellung bestimmt. Ihm obliegt nach § 213 Abs. 1 StPO die Terminierung der Hauptverhandlung. Dementsprechend kann nur er gewährleisten, dass ein Verteidiger ausgewählt wird, der an den geplanten Verhandlungstagen zur Verfügung steht (§ 142 Abs. 5 Satz 3 Halbsatz 2 StPO). Ebenso vermag es der Vorsitzende des Tatgerichts am besten zu beurteilen, ob zur zügigen Durchführung des Verfahrens ein zusätzlicher Verteidiger erforderlich ist (§ 144 StPO). Bei laufender Hauptverhandlung kann er sich einen persönlichen Eindruck über das Fortbestehen des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Angeklagtem verschaffen (§ 143a Abs. 2 Nr. 3 StPO).
Hinzu kommt, dass eine parallele Entscheidungsbefugnis von Beschwerde- und Tatgericht über die Bestellung sowie Auswechselung von Pflichtverteidigern die Gefahr einander widersprechender Beschlüsse in sich bergen würde.
Die Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 sollte an den insoweit bestehenden Grundsätzen nichts ändern. Der Gesetzgeber hat in seiner Gesetzesbegründung betont, es gehe bei der Überführung des Regelungsinhalts von § 141 Abs. 4 StPO aF in § 142 Abs. 3 und 4 StPO nF im Wesentlichen um eine „Verbesserung der Übersichtlichkeit“ [8].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12. November 2020 – StB 34/20
- BGBl. I S. 2128 ff.[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 26.02.2020 – StB 4/20 3 mwN; vom 05.03.2020 – StB 6/20, NJW 2020, 1534 Rn. 7[↩]
- vgl. zur alten Rechtslage OLG Celle, Beschluss vom 19.08.2010 – 1 Ws 419/10, NStZ-RR 2010, 381; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 141 Rn. 6a; zur neuen Rechtslage Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 142 Rn. 18; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 09.07.2007 – 4 Ws 223/07, NStZ-RR 2008, 21, zum Zuständigkeitswechsel nach Vorlage an die Berufungskammer[↩]
- vgl. generell BGH, Beschluss vom 08.10.2008 – StB 12-15/08, BGHSt 53, 1 Rn. 11; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 11.01.2011 – 2 Ws 184/10 10[↩]
- statt aller: OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2013 – III‑2 Ws 93/13 7 mwN[↩]
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.02.2014 – 3 Ws 122/14, NStZ-RR 2014, 217, 218 mwN[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 15.09.1977 – StB 196/77 u.a., BGHSt 27, 253; vom 08.10.2008 – StB 12/08, BGHSt 53, 1 Rn. 9 f.; vom 12.11.2015 – StB 9/15 4[↩]
- BT-Drs.19/13829 S. 40[↩]
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