Prozesskostenhilfe im Klageerzwingungsverfahren – und die Darlegungsanforderungen

Nach Art.19 Abs. 4 GG darf der Zugang zu den Gerichten und den vorgesehenen Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden1.

Prozesskostenhilfe im Klageerzwingungsverfahren – und die Darlegungsanforderungen

Dies muss der Richter auch bei der Auslegung prozessualer Normen beachten. Er darf ein von der jeweiligen Rechtsordnung eröffnetes Rechtsmittel nicht durch eine überstrenge Handhabung verfahrensrechtlicher Vorschriften ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leer laufen lassen2.

Formerfordernisse dürfen nicht weiter gehen, als es durch ihren Zweck geboten ist, da von ihnen die Gewährung des Rechtsschutzes abhängt3. Dies gilt auch für die Darlegungsanforderungen nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO4.

Soweit die oberlandesgerichtliche Rechtsprechung verlangt, dass der Antrag auf Prozesskostenhilfe auch mitteilen müsse, was bisher im Ermittlungsverfahren geschehen ist und was die Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat5, erscheint dies jedenfalls dann überzogen, wenn die Bescheide der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft insoweit keine Angaben enthalten und der Antragsteller diese Kenntnisse erst durch Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erlangen kann (§ 406e Abs. 1 StPO). Die bloße Erteilung von Auskünften, zu denen keine Einschaltung eines Rechtsanwalts erforderlich ist (vgl. § 406e Abs. 5 StPO), dürfte zur Erfüllung der vorgenannten Anforderungen nicht genügen. Wenn ein Antragsteller sich aber zur Begründung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe eines Rechtsanwalts bedienen muss, widersprechen die aufgestellten Anforderungen an den Inhalt des Prozesskostenhilfeantrags offenkundig dem Sinn und Zweck des Prozesskostenhilfeverfahrens und stellen insoweit überzogene Anforderungen an den Zugang zu Gericht dar.

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Auch soweit beanstandet wird, dass sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen lasse, ob und gegebenenfalls in welcher Weise sich die Beschuldigten im Ermittlungsverfahren eingelassen hätten und ob Zeugen vernommen worden seien6, verstößt dies gegen Art.19 Abs. 4 GG. Wenn, wie vorliegend, nach den Feststellungen des Kammgerichts der Antragsteller den Inhalt der Bescheide von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft als solchen mitgeteilt hat, sind darüber hinausgehende Anforderungen an das Vorbringen in Prozesskostenhilfeverfahren nicht zumutbar, da die verlangten Kenntnisse erst nach erfolgter Akteneinsicht durch einen beigeordneten Rechtsanwalt erlangt werden können.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19. November 2015 – 2 BvR 2577/14

  1. vgl. BVerfGE 40, 272, 274; 78, 88, 99; 88, 118, 124; BVerfGK 14, 211, 214[]
  2. vgl. BVerfGE 77, 275, 284; 96, 27, 39[]
  3. vgl. BVerfGE 88, 118, 125; BVerfG, Beschluss vom 28.11.1999 – 2 BvR 1339/98, NJW 2000, S. 1027[]
  4. vgl. BVerfGK 2, 45, 50; 5, 45, 48; 14, 211, 214, m.w.N.[]
  5. so KG, Beschluss vom 25.07.2014 – 3 Ws 377/14[]
  6. BVerfG, Beschluss vom 25.07.2014 – 3 Ws 377/14, S. 3[]