Geht ein Psychotherapeut davon aus, dass den Beschwerden einer Patientin verdrängte Erinnerungen zugrunde liegen, kann die Therapie im Versuch der Rückgewinnung solcher Erinnerungen bestehen. Wenn dabei auch nach sexuellem Missbrauch geforscht wird, kann eine Scheinerinnerung daran entstehen 1.

Das Vorliegen von Pseudoerinnerungen kann im Einzelfall nicht durch einen Hinweis auf die Aussagequalität der Zeugenaussagen widerlegt werden. Scheinerinnerungen können nämlich auch Merkmale aufweisen, die Realkennzeichen eines Erlebnisberichts entsprechen 2.
Eine sichere Verneinung von Pseudoerinnerungen setzt namentlich voraus, dass entweder suggestive Einflüsse ausgeschlossen werden oder weitere Beweise angeführt werden, mit denen die Richtigkeit der Zeugenaussage belegt werden kann.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 StR 455/14
- vgl. Köhnken in Müller/Schlothauer [Hrsg.], Münchener Anwaltshandbuch Strafverteidigung, 2. Aufl. § 61 Rn. 24; Mack, Kriminalistik 2014, 459, 461; Steller NJW-Sonderheft für G. Schäfer, 2002, S. 69, 70; Volbert, Beurteilung von Aussagen über Traumata, 2004, S. 105 ff.[↩]
- vgl. Steller in Volbert/Steller, Handbuch der Rechtspsychologie, 2008, S. 300, 306; Rolinski in Festschrift für Kühne, 2013, S. 297, 303[↩]