Das Qualifikationsmerkmal des rädelsführerschaftlichen Handelns gilt nicht nur für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, sondern auch für deren Gründung.

- Gründer einer terroristischen Vereinigung im Sinne von § 129a Abs. 1 StGB sind solche Personen, die den Gründungsakt führend und richtungsweisend bewirken [1]. Dies setzt keine organisatorische Führungsrolle voraus. Vielmehr wird nur eine wesentliche Förderung der Gründung verlangt, also ein für das Zustandekommen der Vereinigung weiterführender und richtungsweisender Beitrag, auch wenn dieser im Verhältnis zu den Beiträgen anderer Gründer von untergeordneter Bedeutung ist [2].
- Als Mitglied beteiligt sich, wer die Vereinigung nicht nur von außen, sondern, getragen von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben, von innen fördert, und damit eine Stellung innerhalb der Organisation einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet [3].
- Rädelsführer im Sinne des § 129a Abs. 4 StGB ist, wer in der Vereinigung dadurch eine führende Rolle spielt, dass er sich in besonders maßgebender Weise für sie betätigt [4].
Das Qualifikationsmerkmal des rädelsführerschaftlichen Handelns gilt nicht nur für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung, sondern auch für deren Gründung [5]. Das ergibt sich aus der Struktur des § 129a StGB und steht im Einklang mit der Definition des Rädelsführers.
So auch in dem hier vom Bundesgerichtshof erlassenen Haftfortdauerbechlusses: Als Initiator und Namensgeber des Zusammenschlusses rief der Beschuldigte die Gruppe unter hohem Einsatz an organisatorisch und inhaltlich leitender Stelle ins Leben. Damit gründete er die Vereinigung nicht lediglich als einfacher Täter, sondern als Rädelsführer. Anschließend blieb der Beschuldigte die zentrale Führungsfigur der Gruppe, weshalb auch seine Beteiligung als rädelsführerschaftlich zu werten ist.
Das Gründen einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 StGB steht zu der weiteren Tatbestandsalternative der mitgliedschaftlichen Beteiligung an der Vereinigung jedenfalls dann im Verhältnis der Tateinheit, wenn sich die Beteiligung als Mitglied wie hier unmittelbar an das Gründen der Vereinigung anschließt [6]. Dies gilt auch, wenn der Täter jeweils als Rädelsführer handelt. Denn das Qualifikationsmerkmal normiert, wie dargelegt, bezogen auf beide Varianten des § 129a Abs. 1 StGB nur eine besonders intensive Form der Tatbestandsverwirklichung. Es berührt das Konkurrenzverhältnis zwischen den Delikten nicht.
Dieser rechtlichen Würdigung des Sachverhalts steht im vorliegenden Fall nicht entgegen, dass dem Beschuldigten im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 15.02.2020 [7] lediglich die Beteiligung als Rädelsführer zur Last gelegt wird. Die Haftprüfung ist zwar grundsätzlich auf den im Haftbefehl erhobenen Vorwurf beschränkt [8]. Das Haftprüfungsgericht ist aber an einer anderen rechtlichen Würdigung der im Haftbefehl geschilderten prozessualen Tat – auch auf verdichteter Tatsachengrundlage [9] – nicht gehindert [10].
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 3. September 2020 – AK 27/20
- BGH, Urteil vom 19.05.1954 – 6 StR 88/54, in einem redaktionellen Leitsatz in NJW 1954, 1254 abgedruckt und in BGH, Urteil vom 21.12.1977 – 3 StR 427/77 (S), BGHSt 27, 325, 327 wiedergegeben[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 05.09.2019 – AK 49/19 17; vom 10.01.2006 – 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603, 1604[↩]
- s. BGH, Beschlüsse vom 28.06.2018 – StB 11/18, NStZ-RR 2018, 369, 370 f.; vom 09.06.2020 – AK 12/20 24, jeweils mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 16.02.2012 – 3 StR 243/11, BGHSt 57, 160 Rn. 8 ff.; Beschluss vom 12.11.2015 – AK 36/15, NStZ-RR 2016, 170, 171; Urteil vom 20.12.2018 – 3 StR 236/17[↩]
- für das zwingende Beispiel eines besonders schweren Falls nach § 129 Abs. 5 Satz 2 StGB vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.2006 – 3 StR 263/05, NJW 2006, 1603 Rn. 16[↩]
- BGH, Urteil vom 03.12.2009 – 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 Rn. 58; Beschluss vom 05.09.2019 – AK 49/19 26[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.02.2020 – 3 BGs 91/20[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 28.07.2016 – AK 41/16 9; vom 11.01.2017 – AK 67/16 22[↩]
- s. BGH, Beschluss vom 20.10.2016 – AK 53/16 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 06.12.2017 – AK 63/17, NStZ-RR 2018, 53, 54[↩]
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