Schwerer Landfriedensbruch -oder: der Metallstuhl als Wurfgeschoss

Die Aufnahme eines vor Ort vorgefundenen metallenen Cafestuhls zum Zwecke der Verwendung als Wurfgeschoss erfüllt die Voraussetzungen des Regelbeispiels des besonders schweren Falls des Landfriedensbruchs gem. § 125a Abs.1 Nr.2 StGB – Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs, ohne dass es einer darüberhinausgehenden Verletzungsabsicht bedürfte.

Schwerer Landfriedensbruch -oder: der Metallstuhl als Wurfgeschoss

Durch das Werfen mit einem Metallstuhl ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts Oldenburg das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllt. Anders als bis zur Änderung dieser Vorschrift durch das 44. Strafrechtsänderungsgesetz (mit Wirkung vom 05. November 2011) erfordert dieses Regelbeispiel nicht mehr das Beisichführen einer anderen Waffe als einer Schusswaffe in Verwendungsabsicht, sondern lässt hierfür das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs ausreichen. In der aktuellen und auch zur Tatzeit gültigen Fassung das 52. Strafrechtsänderungsgesetz (mit Wirkung vom 30. Mai 2017) bedarf es nicht einmal mehr der Verwendungsabsicht beim Beisichführen.

Ein Beisichführen liegt bereits dann vor, wenn sich der Täter des Gegenstandes ohne Schwierigkeiten bedienen kann, also etwa durch Ergreifen eines auf dem Boden liegenden Pflastersteines während der Tat1. Die von dem Angeklagten geworfenen Metallstühle stellen auch gefährliche Werkzeuge im Sinne dieses Regelbeispiels dar. Hierunter fallen auch Gegenstände, die zwar nicht bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, wohl aber nach ihrer objektiven Beschaffenheit und der Art ihrer Benutzung im Einzelfall geeignet sind, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Dazu zählen nicht nur Flaschen, Steine etc., sondern etwa auch als Wurfgeschoss verwendete Plastikklappstühle2. Das Werfen von Caféstühlen aus Metall erfüllt daher, wovon bereits die unverändert zugelassene Anklage vom 29.10.2019 zutreffend ausgegangen ist, erst Recht das Regelbeispiel. Die Kommentierung bei Fischer3 steht dem nicht entgegen. Diese bezieht sich, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, allein auf die Frage, ob mitgeführte Alltagsgegenstände auch ohne Verwendungsabsicht schon geeignet sind, das Regelbeispiel zu erfüllen. Hierauf kommt es aber angesichts der durch die Würfe dokumentierten tatsächlich vorliegenden Absicht, die Gegenstände als Werkzeug gegen Personen einzusetzen4, nicht an.

Weiterlesen:
Die Revision der Staatsanwaltschaft - und der Widerspruch zwischen Revisionsantrag und Revisionsbegründung

Eine über diese Gebrauchsabsicht hinausgehende Verletzungsabsicht ist hingegen nicht erforderlich. Soweit das Kammergericht in seiner Entscheidung vom 06.07.20105 dahingehende Feststellungen für erforderlich gehalten hat, um zur Bejahung eines besonders schweren Falles des Landfriedensbruchs zu gelangen, ist dieses der damaligen, andere gefährliche Werkzeuge nicht umfassenden Ausgestaltung des Regelbeispiels in § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB geschuldet. Angesichts des damaligen Wortlauts der Vorschrift wäre es mit dem Analogieverbot nicht vereinbar gewesen, durch die Annahme eines unbenannten besonders schweren Falles im Sinne von § 125a Satz 1 StGB das Beisichführen eines anderen gefährlichen Werkzeugs in Verwendungsabsicht ohne Weiteres dem das Regelbeispiel des § 125a Satz 2 Nr. 2 StGB erfüllenden Beisichführen einer Waffe in Verwendungsabsicht gleichzustellen. Der deswegen durch das Kammergericht aufgestellten weitergehenden Anforderungen an die subjektive Tatseite bedarf es aber nach der Erweiterung des Regelbeispiels auf andere gefährliche Werkzeuge nicht mehr.

Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 23. November 2020 – 1 Ss 166/20 –

  1. vgl. MünchKomm-Schäfer, StGB, 3. Aufl., § 125a Rz.19[]
  2. vgl. KG, Urteil vom 06.07.2010 – 1 Ss 462/09[]
  3. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 125a Rz. 4[]
  4. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26.03.2019 – 4 StR 381/18; LK-Krauß, StGB, 12. Aufl., § 125a Rz. 17[]
  5. KG, Urteil vom 06.07.2010, a.a.O., Rz. 22[]

Bildnachweis:

Weiterlesen:
Keine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt - wegen fehlender Sprachkenntnisse