Das bloße Berühren des Geschlechtsteils über der Kleidung ist nicht ohne weiteres als sexuelle Handlung im Sinne des § 184h Nr. 1 StGB – zur Tatzeit noch § 184g Nr. 1 StGB – anzusehen.

Zwar ist in einer solchen Handlung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der danach erforderliche sexuelle Bezug zu erkennen1; es muss aber auch die insoweit erforderliche Erheblichkeit festgestellt werden.
Als erheblich im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB sind solche sexualbezogenen Handlungen zu werten, die nach Art, Intensität und Dauer eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des im jeweiligen Tatbestand geschützten Rechtsguts besorgen lassen2.
Zur Feststellung der Erheblichkeit bedarf es einer Gesamtbetrachtung aller Umstände im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Handlung für das jeweils betroffene Rechtsgut; unter diesem Gesichtspunkt belanglose Handlungen scheiden aus3.
Bei Tatbeständen, die – wie § 176 Abs. 1 StGB – dem Schutz von Kindern oder Jugendlichen dienen, sind an das Merkmal der Erheblichkeit geringere Anforderungen zu stellen als bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Erwachsener4. Allerdings reichen auch hier kurze, flüchtige oder aus anderen Gründen unbedeutende Berührungen, insbesondere des bekleideten Geschlechtsteils, dafür grundsätzlich nicht aus5.
Die Schwelle zur Erheblichkeit kann jedoch überschritten sein, wenn über die bloße kurze Berührung hinaus weitere Umstände hinzukommen, die das Gewicht des Übergriffes erhöhen; dies ist etwa der Fall, wenn der Täter ein sich wehrendes 8jähriges Mädchen mit der linken Hand festhält, mit der rechten Hand zwischen die Beine des Kindes fasst und dessen bekleidetes Geschlechtsteil „einige Male streichelt„6, wenn er einem 9jährigen Mädchen „mit festem Griff“ an das bekleidete Geschlechtsteil fasst7 oder wenn er einen 13jährigen Jungen in ein Gebüsch zerrt und ihn, während er ihn fest umklammert, „an das bekleidete Geschlechtsteil fasst“ sowie dabei teilweise „fest drückt„8.
Nach diesen Maßstäben hielt im hier entschiedenen Fall die Wertung des Landgerichts, der Griff an das bekleidete Geschlechtsteil stelle eine erhebliche sexuelle Handlung im Sinne von § 184h Nr. 1 StGB dar, rechtlicher Überprüfung nicht stand: Feststellungen zur Intensität oder Festigkeit des Griffes hat die Strafkammer nicht getroffen; auch die Art der Bekleidung (nur leichte Kleidung oder ggf. mehrere Schichten) wird nicht mitgeteilt. Hinsichtlich der Dauer der Berührung lässt sich dem Urteil nur entnehmen, dass die Strafkammer den Angaben der Zeugin gefolgt ist, wonach es „nicht so lange“ gewesen sei, „sie habe das aber gemerkt“, sei sich aber nicht sicher gewesen, ob der Angeklagte sie absichtlich an der Scheide angefasst habe. Ein spezifisch sexualbezogener Handlungsrahmen, eine Beeinträchtigung der Fortbewegungsfreiheit oder ein sonst erhebliches Einwirken auf das Opfer sind somit nicht festgestellt. Die kurze Berührung des Geschlechtsteils oberhalb der Kleidung allein vermag die Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe damit in einem erheblichen Maße in die geschützte ungestörte Entwicklung des Kindes eingegriffen und diese in einem nicht nur unbedeutenden Maße gefährdet, nicht zu tragen.
Demgegenüber bejahte der Bundesgerichtshof in einem anderen Fall eine erhebliche sexuelle Handlung des Angeklagten: Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte dem Mädchen im Schwimmbad von unten an die nur mit einem Bikinihöschen bekleidete Scheide griff, als sich das Mädchen in einen Schwimmring setzte. In dieser Situation war das spärlich bekleidete Mädchen dem Zugriff des Angeklagten bei eingeschränkter Abwehr- oder Fluchtmöglichkeit ausgeliefert. Zwar konnte die Strafkammer auch hier nur eine relativ kurze Berührung feststellen, allerdings war der Griff in die leichtbekleidete intime Körperzone in diesem Fall so intensiv und deutlich spürbar, dass das Mädchen keinerlei Zweifel an dem zielgerichteten Vorgehen des Angeklagten hatte; sie empfand sein Vorgehen als unangenehm und belastend und zog sich weinend und zitternd in das Badezimmer zurück, als der Angeklagte kurz darauf zu Besuch in der Wohnung ihrer Mutter erschien. Damit ist hinreichend belegt, dass der Angeklagte nicht nur eine belanglose sexualbezogene Handlung vornahm, sondern das tatbestandlich geschützte Rechtsgut in einer sozial nicht mehr hinnehmbaren Weise gefährdete.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16. Mai 2017 – 3 StR 122/17
- vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 24.09.1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338[↩]
- st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 24.09.1980 – 3 StR 255/80, BGHSt 29, 336, 338; vom 24.09.1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324; vom 01.12 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 10.03.2016 – 3 StR 437/15, NJW 2016, 2049[↩]
- BGH, Urteile vom 03.04.1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 24.09.1991 – 5 StR 364/91, NJW 1992, 324 f.; vom 01.12 2011 – 5 StR 417/11, NStZ 2012, 269, 270; vom 21.09.2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.07.1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553; Urteil vom 21.09.2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.07.1983 – 3 StR 255/83, NStZ 1983, 553; Urteile vom 08.02.1989 – 3 StR 546/88, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 3; vom 03.04.1991 – 2 StR 582/90, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 4; vom 04.05.2017 – 3 StR 87/17 9; Beschlüsse vom 10.09.1998 – 1 StR 476/98, NStZ 1999, 45; vom 08.09.1999 – 3 StR 357/99 4; vom 21.09.2005 – 2 StR 311/05 8; Urteil vom 21.09.2016 – 2 StR 558/15, NStZ-RR 2017, 43, 44[↩]
- BGH, Urteil vom 27.02.1992 – 4 StR 23/92, BGHSt 38, 212, 213[↩]
- BGH, Urteil vom 06.05.1992 – 2 StR 490/91, BGHR StGB § 184c Nr. 1 Erheblichkeit 6[↩]
- BGH, Urteil vom 17.11.1999 – 2 StR 453/99, NStZ-RR 2000, 299[↩]
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