Sicherungsverwahrung – und ihre nachträgliche Anordnung

Eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem Verfahren mit Anlasstaten aus den Jahren 2007/2008 ist gemäß § 316f Abs. 2 Satz 2 EGStGB, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 04.05.20111 umsetzt, nur zulässig, wenn die hochgradige Gefahr der Begehung schwerster Gewalt- oder Sexualdelikte aus konkreten Umständen in der Person oder in dem Verhalten des Betroffenen abzuleiten ist2.

Sicherungsverwahrung – und ihre nachträgliche Anordnung

Darüber hinaus ist es für die rückwirkend angeordnete oder verlängerte Freiheitsentziehung unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 lit. e MRK Voraussetzung, dass der Betroffene an einer psychischen Störung im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter (ThUG) leidet3.

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert es, hinsichtlich beider Elemente der Gefährlichkeitsprognose – der Erheblichkeit weiterer Straftaten und der Wahrscheinlichkeit ihrer Begehung – ein gegenüber der bisherigen Rechtsanwendung strengeren Maßstab anzulegen4.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Juli 2018 – 1 StR 122/18

  1. BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931[]
  2. BVerfG aaO; zusammenfassend BVerfG, Beschluss vom 20.06.2012 – 2 BvR 1048/11, BVerfGE 131, 268; vgl. auch BGH, Urteile vom 11.08.2016 – 2 StR 4/16; und vom 07.08.2012 – 1 StR 98/12, NStZ 2013, 100; Beschlüsse vom 07.08.2013 – 1 StR 246/13, NStZ 2014, 209; vom 05.04.2017 – 5 StR 86/17, NStZ 2017, 526; und vom 24.07.2012 – 1 StR 57/12[]
  3. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 11.08.2016 – 2 StR 4/16; Beschluss vom 24.05.2011 – 5 StR 369/10; Urteile vom 08.11.2011 – 1 StR 231/11; und vom 07.08.2012 – 1 StR 98/12; vgl. zum Begriff „psychisch Kranker“ auch Urteil der 5. Sektion des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 19.04.2012 – endgültig seit 19.07.2012 – in der Rechtssache B. gegen Deutschland – Individualbeschwerde 61272/09 Ziffer 67 ff.[]
  4. vgl. u.a. BGH, Urteil vom 11.08.2016 – 2 StR 4/16; Beschluss vom 31.07.2012 – 3 StR 148/12; BGH, Urteil vom 08.02.2012 – 2 StR 346/11; Beschluss vom 24.01.2012 – 5 StR 535/11[]
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