Beitragsvorenthaltung – Arbeitgebereigenschaft und der Vorsatz

Bei der Behandlung von Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft im Rahmen des § 266a StGB deutet sich eine Änderung der Rechtsprechung an.

Beitragsvorenthaltung – Arbeitgebereigenschaft und der Vorsatz

Bisher wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bezogen auf die subjektive Tatseite in § 266a StGB wie folgt differenziert: Der Vorsatz muss sich auf die Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer – dabei allerdings nur auf die statusbegründenden tatsächlichen Voraussetzungen, nicht auf die rechtliche Einordnung als solche und die eigene Verpflichtung zur Beitragsabführung – und alle darüber hinausreichenden, die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten begründenden tatsächlichen Umstände erstrecken.

Liegt diese Kenntnis der tatsächlichen Verhältnisse vor, unterliegt der Täter, wenn er glaubt, nicht Arbeitgeber zu sein oder für die Abführung der Beiträge Sorge tragen zu müssen, keinem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum, sondern (allenfalls) einem – in der Regel vermeidbaren – Verbotsirrtum1.

Demgegenüber gehört nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vorsatz der Steuerhinterziehung, dass der Täter den Steueranspruch dem Grunde und der Höhe nach kennt oder zumindest für möglich hält und ihn auch verkürzen will2. Nimmt der Steuerpflichtige irrtümlich an, ein Steueranspruch sei nicht entstanden, liegt nach der Rechtsprechung ein Tatbestandsirrtum vor, der gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB den Vorsatz ausschließt3. Danach ist ein Irrtum über die Arbeitgebereigenschaft in § 41a EStG und die daraus folgende Steuerpflicht, an die der Steueranspruch und der Straftatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO anknüpfen, als Tatbestandsirrtum zu behandeln.

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Da für die Differenzierung kein sachlicher Grund erkennbar ist und es sich jeweils um (normative) Tatbestandsmerkmale handelt, erwägt der Bundesgerichtshof – insoweit entgegen den Überlegungen in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 08.09.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160, 161 Rn. 23 ff. –, zukünftig auch die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht insgesamt als (vorsatzausschließenden) Tatbestandsirrtum zu behandeln.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 24. Januar 2018 – 1 StR 331/17

  1. BGH, Beschlüsse vom 07.10.2009 – 1 StR 478/09, NStZ 2010, 337 f.; und vom 04.09.2013 – 1 StR 94/13, wistra 2014, 23, 25 Rn. 16 jeweils mwN; Urteil vom 15.10.1996 – – VI ZR 319/95, BGHZ 133, 370, 381[]
  2. vgl. BGH, Urteile vom 13.11.1953 – 5 StR 342/53, BGHSt 5, 90, 91 f.; und vom 05.03.1986 – 2 StR 666/85, wistra 1986, 174; Beschlüsse vom 19.05.1989 – 3 StR 590/88, BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 2; vom 24.10.1990 – 3 StR 16/90, BGHR AO § 370 Abs. 1 Vorsatz 4; und vom 08.09.2011 – 1 StR 38/11, NStZ 2012, 160, 161 Rn. 21 f.[]
  3. vgl. BGH, aaO[]