Die Bruttoumsätze bei der Umsatzsteuerhinterziehung – Geständnis oder Schätzung?

Die Feststellungen über die von einem Unternehmer getätigten Umsätze können auf dessen Geständnis gestützt werden, wenn der Unternehmer den Umfang der Umsätze kennt1.

Die Bruttoumsätze bei der Umsatzsteuerhinterziehung – Geständnis oder Schätzung?

Dies war jedoch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall bei dem Angeklagten B. im Gegensatz zum Mitangeklagten C. ersichtlich nicht der Fall. Während das Geständnis des Mitangeklagten genaue Beträge mit Nachkommastellen enthielt, gab der Angeklagte – erkennbar als Ergebnis einer Schätzung – an, in allen fünf Jahren jeweils 20.000 Euro steuerpflichtige Bruttoumsätze erzielt zu haben. Auf welcher Grundlage der Angeklagte diesen runden und jährlich gleichen Betrag geschätzt hat, teilt das Landgericht nicht mit. Dass es sich hierbei lediglich um die Schätzung eines jährlichen Mindestbetrages für die Umsätze gehandelt haben könnte, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.

Ausgehend hiervon hätte das Landgericht eine eigene Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vornehmen müssen. Die Voraussetzungen einer Schätzung lagen vor, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Schätzung im Steuerstrafverfahren dann in Betracht kommt, wenn – wie hier – zwar feststeht, dass der Steuerpflichtige einen Besteuerungstatbestand erfüllt hat, aber ungewiss ist, welches Ausmaß die Besteuerungsgrundlagen haben2.

Eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen hat das Landgericht jedoch nicht vorgenommen. Es hat lediglich den von dem Angeklagten genannten Betrag von 20.000 Euro Umsatz pro Jahr ungeprüft übernommen. Ob es sich hierbei um die vereinbarten oder die vereinnahmten Entgelte handelt, bleibt ebenfalls offen. Der Bundesgerichtshof kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht von zu hohen Gesamtumsätzen und damit von einem zu großen Schuldumfang ausgegangen ist.

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Angesichts dieses Rechtsfehlers kann hier bereits der Schuldspruch keinen Bestand haben. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei rechtsfehlerfreier Schätzung der von dem Angeklagten getätigten Umsätze die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG erfüllt wären. Nach dieser Regelung wird die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern nicht erhoben, wenn der in Satz 2 dieser Vorschrift bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenen Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Wird aber nach § 19 Abs. 1 UStG Umsatzsteuer nicht erhoben, kann diese auch nicht im Sinne von § 370 Abs. 1, Abs. 4 AO verkürzt werden.

Für das Jahr 2009 fehlt es zudem schon an der für § 19 Abs. 1 UStG bedeutsamen Feststellung, in welcher Höhe der Angeklagte im vorangegangenen Jahr steuerpflichtige Umsätze getätigt hat. Feststellungen dazu, dass der Angeklagte auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet haben könnte, enthalten die Urteilsgründe nicht. Ebenso wenig ist festgestellt, dass der Angeklagte für die von ihm getätigten Umsätze in Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen hat, die er dann hätte anmelden müssen.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. November 2018 – 1 StR 143/18

  1. vgl. BGH, Beschluss vom 29.08.2018 – 1 StR 374/18 4 mwN[]
  2. st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 29.08.2018 – 1 StR 374/18 7 mwN[]
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