„Ersparte“ Alkoholsteuer – und die Wertersatzeinziehung

Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas“ im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart1.

„Ersparte“ Alkoholsteuer – und die Wertersatzeinziehung

Dabei sind ersparte Aufwendungen nicht gegenständlich, sondern nur in Gestalt einer betragsmäßigen Vermögensmehrung erfassbar. Dementsprechend unterliegen ersparte steuerliche Aufwendungen als erlangtes Etwas auch grundsätzlich von vornherein der Wertersatzeinziehung, da ersparte Aufwendungen Vermögensvorteile sind, die wegen ihrer Beschaffenheit einer gegenständlichen Einziehung nicht zugänglich sind, vgl. § 73c Satz 1 StGB.

Die verkürzte Steuer ist jedoch nur dann als ersparte Aufwendung erlangtes Etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB, wenn sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Dies ergibt sich daraus, dass die Einziehung an einen durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft2. Nur dann hat der Täter durch die ersparten (steuerlichen) Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.

Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Bundesgerichtshof darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt3. Diese Grundsätze gelten für alle Verbrauchund Warensteuern, mithin auch für die Branntweinsteuer und – ab dem 1.01.2018 – für die Alkoholsteuer (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 3 BranntwMonG, § 1 Abs. 1 Satz 3 AlkStG).

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Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und veroder gebraucht werden4.

Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffsund Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit)verfügen kann.

Im hier entschiedenen Fall hat der Angeklagte zwar diese Verfügungsmöglichkeit hinsichtlich der 26 Paletten „Limoncello“ zunächst erlangt, diese jedoch – sogleich – durch die Sicherstellung wieder verloren. Aufgrund der Sicherstellung ist ein weiteres Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der – der Steuer unterliegenden – Waren, auf das für die Verbrauchbzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen.

Die (enge) Verknüpfung von Ware und darauf bezogener Verbrauchsteuer ist wertungsmäßig nicht nur bei der Bestimmung des erlangten Etwas bei der Steuerhinterziehung, sondern auch bei der Bestimmung des Umfangs der – vorliegend von vornherein allein möglichen – Einziehung des Wertersatzes für die ersparten Aufwendungen zu berücksichtigen. Dabei ist für eine Begrenzung des Umfangs des Wertersatzes maßgeblich, dass der Täter die wirtschaftliche Verwertung aus – von ihm nicht zu vertretenden Umständen – nicht realisieren konnte.

Für diese Wertung spricht die Vorschrift des § 74c Abs. 1 StGB, die die Einziehung von Wertersatz für den Fall regelt, dass der Beziehungsgegenstand nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist. Dabei ist davon auszugehen, dass die Waren, auf die sich die Hinterziehung von Verbrauchsteuern bezieht, als solche nicht durch die Steuerhinterziehung erlangt sind5. Sie unterliegen deshalb nicht der Einziehung gemäß § 73 Abs. 1 StGB, können aber gemäß § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO eingezogen werden6. Diese Norm ordnet als Nebenfolge einer Steuerhinterziehung von Verbrauchsteuern die Möglichkeit der Einziehung der verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse als Beziehungsgegenstände an. Dabei steht die Einziehung nach § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, die eine besondere Vorschrift im Sinne von § 74 Abs. 2 StGB ist, im Ermessen des Gerichts. Gemäß § 74c Abs. 1 StGB kann das Gericht die Einziehung eines Geldbetrags anordnen, der dem Wert des Gegenstandes entspricht, wenn die Einziehung eines bestimmten Gegenstandes nicht möglich ist, weil der Täter den (Beziehungs)Gegenstand veräußert, verbraucht oder dessen Einziehung auf andere Weise vereitelt hat. Diese Möglichkeit der Einziehung des Wertersatzes besteht gemäß § 369 Abs. 2 AO auch im Steuerstrafrecht7.

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§ 74c Abs. 1 StGB verdeutlicht, dass der – den Beziehungsgegenständen – entsprechende Wert nur dann der Einziehung unterliegt, wenn die Gegenstände aus von dem Täter zu vertretenden Umständen nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind. Diese Voraussetzungen liegen bei einer Sicherstellung der Waren, auf die sich die Hinterziehung der Steuer bezieht, jedoch nicht vor.

Auch die steuerrechtlichen Sicherstellungsvorschriften gehen über diese Regelung nicht hinaus. So sind sichergestellte Sachen gemäß § 216 AO oder auf der Grundlage spezieller Regelungen wie § 51b Abs. 2 BranntwMonG bzw. § 34 Abs. 2 AlkStG in Verbindung mit § 216 AO in das Eigentum des Bundes zu überführen, sofern die Beziehungsgegenstände nicht nach § 375 Abs. 2 AO eingezogen werden. Sie ermöglichen allerdings – ohnehin – lediglich eine Sicherstellung und Überführung in das Eigentum des Bundes der Beziehungsgegenstände selbst; ein Wertersatz für den Fall der Unmöglichkeit der Herausgabe ist nicht vorgesehen.

Das Zusammenspiel dieser differenzierten Regelungen hinsichtlich der Sicherstellung und Einziehung von Beziehungsgegenständen beinhaltet eine gesetzgeberische Grundentscheidung, die wertungsmäßig bei der Bestimmung des Umfangs des Wertes der Taterträge zu berücksichtigen ist.

Demgemäß führt die Korrelation von Waren und darauf bezogener Steuer für den Fall, dass die Waren aus vom Täter nicht zu vertretenden Umständen nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden sind, zu einer entsprechenden Begrenzung des Wertersatzes bei der Hinterziehung von Verbrauchbzw. Warensteuern.

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Da die Begrenzung an ein fehlendes Verschulden des Täters anknüpft, gilt diese nicht für die Konstellation, dass der Täter die Waren wirtschaftlich verwertet, etwa weiter veräußert, hat. Freilich ist für diesen Fall aufgrund der bestehenden Korrelation zwischen Ware und Verbrauchsteuer eine gleichzeitige Anordnung von Wertersatzeinziehung für die ersparten Aufwendungen nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB und des erzielten Veräußerungserlöses gemäß § 375 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO, § 74c Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Anderenfalls käme es zu einer unzulässigen Doppelerfassung8.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22. Oktober 2019 – 1 StR 199/19

  1. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 Rn.19; und vom 18.12 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 18 jeweils mwN[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 Rn.20[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18 Rn.20; Beschluss vom 21.08.2019 – 1 StR 225/19 Rn. 25[]
  4. vgl. Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 49. Ed.2019, Verbrauchsteuern Rn. 2[]
  5. vgl. BGH, Beschluss vom 23.08.2016 – 1 StR 204/16 Rn. 9[]
  6. vgl. BGH, Beschlüsse vom 11.05.2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; und vom 23.08.2016 – 1 StR 204/16 Rn. 9[]
  7. vgl. dazu BGH, Beschluss vom 11.05.2016 – 1 StR 118/16 Rn. 10[]
  8. vgl. BGH, Beschlüsse vom 28.03.1979 – 2 StR 700/78 Rn. 5, BGHSt 28, 369, 370; und vom 23.08.2016 – 1 StR 204/16 Rn. 13[]
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