Bei einem Verfahren wegen Tabaksteuerhinterziehung können der Einziehungsentscheidung nicht die aufgrund des Schmuggels geschuldeten Abgaben in voller Höhe zugrunde gelegt werden. Bei der Einziehung des Wertes von Taterträgen haben diese hier vielmehr außer Betracht zu bleiben.

Für die Hinterziehung von Tabaksteuern hat der Bundesgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung darauf abgestellt, dass ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur dann gegeben ist, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren einen Vermögenszuwachs erzielt1. Hintergrund dafür ist die bei Verbrauchsteuern bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der Steuer. Denn Verbrauchsteuern werden auf (verbrauchsteuerpflichtige) Waren erhoben, die im Steuergebiet in den Wirtschaftskreislauf treten und ver- oder gebraucht werden2.
Die Annahme eines Vermögenszuwachses setzt voraus, dass der Täter eine wirtschaftliche Zugriffs- und Verwertungsmöglichkeit hinsichtlich dieser Waren hat, über diese also wirtschaftlich (mit-)verfügen kann. Dies ist nicht der Fall, wenn er – wie vorliegend – die Verfügungsmöglichkeit zwar zunächst erlangt, diese jedoch durch die Sicherstellung wieder verliert. Denn aufgrund der Sicherstellung ist ein (weiteres) Inverkehrbringen und eine wirtschaftliche Verwertung der – der Steuer unterliegenden – Waren, auf das für die Verbrauchbzw. Warensteuern als Entstehungstatbestand allgemein abgestellt wird, ausgeschlossen3.
Soweit Tabaksteuer – wie im vorliegend vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – auf der Grundlage der Einfuhr aus einem Drittland in das deutsche Steuergebiet angefallen ist (§§ 19 Abs. 1, 21 Abs. 1 Satz 1 TabStG), kann für die insoweit außerdem angefallenen und hinterzogenen Einfuhrabgaben, mithin die Zollschuld (hier Art. 79 Abs. 1 lit. a UZK) sowie die Einfuhrumsatzsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 1 UStG), nichts anderes gelten, denn Bezug und Einfuhr der Tabakwaren bilden in diesem Fall tatsächlich und wirtschaftlich einen einheitlichen Vorgang, so dass die Frage des „erlangten Etwas“ im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB für die Hinterziehung der Einfuhrabgaben insgesamt (Art. 5 Nr.20 UZK) in gleicher Weise zu bestimmen ist.
Für diese parallele Wertung spricht insbesondere die Vorschrift des 15 Art. 124 Abs. 1 lit. e UZK, wonach die Zollschuld erlischt, wenn einfuhr- oder ausfuhrabgabenpflichtige Waren beschlagnahmt und gleichzeitig oder nachfolgend eingezogen werden. Denn die Anordnung des Erlöschens der (entstandenen) Zollschuld für Waren, die aufgrund der Einziehung zu keinem Zeitpunkt in den Wirtschaftskreislauf gelangt sind, verdeutlicht – unbeschadet der in Art. 124 Abs. 2 UZK vorgesehenen Fiktion des Fortbestehens der Zollschuld für Zwecke der Ahndung von Zuwiderhandlungen – in besonderer Weise die bei den Zöllen – wie bei den Verbrauchsteuern – bestehende Korrelation zwischen dem Besitz und Inverkehrbringen der Ware sowie der hierfür bestehenden pflichtigen Abgabe4.
Die Aufhebung und das Entfallen der Einziehungsanordnung war im hier entschiedenen Fall insoweit gemäß § 357 Satz 1 StPO auf den nicht revidierenden Mitangeklagten M. zu erstrecken5. Da es sich nach den Feststellungen um den Wert von Taterträgen für die Nichtzahlung der aufgrund des von beiden Angeklagten begangenen Schmuggels handelt, betrifft der Rechtsfehler auch den wegen derselben Tat verurteilten Mitangeklagten.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31. März 2020 – 1 StR 403/19
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 23.05.2019 – 1 StR 479/18 Rn. 10; vom 08.08.2019 – 1 StR 679/18 Rn. 9; und vom 22.10.2019 – 1 StR 199/19 Rn. 9 mwN sowie 1 StR 271/19 Rn. 14 mwN; Urteil vom 11.07.2019 – 1 StR 620/18, BGHSt 64, 146 Rn.20[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2019 – 1 StR 199/19 Rn. 9 mwN[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.10.2019 – 1 StR 199/19 Rn. 10 ff.[↩]
- vgl. Hübschmann/Hepp/Spitaler/Deimel, AO/FGO, Stand Februar 2017, Art. 124 UZK Rn. 43; Rüsken/Gellert, Zollrecht, Stand März 2020, Art. 124 UZK Rn. 10, 15; vgl. für die Einfuhrumsatzsteuer EuGH, Urteil vom 29.04.2010 – – C-230/08 – Dansk Transport og Logistik, Slg. 2010 I-3799 Rz. 84, 91 zu Art. 233 lit. d VO (EWG) Nr. 2913/92 – ZK[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 04.11.2014 – 1 StR 474/14 Rn. 7 mwN[↩]
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