Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung – durch die widerrechtliche Autonutzung

Mit der Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung bei widerrechtlicher Benutzung von Kraftfahrzeugen hatte sich aktuell der Bundesgerichtshof zu befassen:

Kraftfahrzeugsteuerhinterziehung – durch die widerrechtliche Autonutzung

Anlaß hierfür bot dem Bundesgerichtshof ein Fall, in dem der Angeklagte amtliche Kennzeichen von anderen Fahrzeugen abgeschraubt hatte, um sie an seinem nicht zugelassenen Kfz zu verwenden, mit dem er sodann am Straßenverkehr teilnahm.

Allein das Fahren mit einem unversteuerten Fahrzeug erfüllt nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO durch Hinterziehung von Kraftfahrzeugsteuer. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich ein Verstoß gegen eine gegenüber den Finanzbehörden bestehende Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen. Allein die bloße Nichtzahlung geschuldeter Steuern ist nicht tatbestandlich für § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Eine Tathandlung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begeht indes nur derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO kann danach nur derjenige sein, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist1.

Eine solche Erklärungspflicht bestand im hier entschiedenen Fall für den Angeklagten im Tatzeitraum nicht. Auf die Frage, ob der Verstoß gegen eine solche Pflicht überhaupt von der Anklage als Teil der einheitlichen prozessualen Tat erfasst worden wäre, kam es daher nicht mehr an.

Da der Angeklagte mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen im Inland ohne die verkehrsrechtlich vorgeschriebene Zulassung gefahren ist, lag zwar eine widerrechtliche und damit steuerbare Benutzung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 5 KraftStG vor. Gemäß § 7 Nr. 3 KraftStG ist der Angeklagte als derjenige, der mit dem Fahrzeug gefahren ist, auch der Steuerschuldner der mit Beginn der Steuerpflicht entstehenden Kraftfahrzeugsteuer, § 6 KraftStG.

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Während die Kraftfahrzeugsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 4 KraftStG für inländische Fahrzeuge eine öffentlichrechtliche Erlaubnis zum Gegenstand hat und die Erklärungspflicht an diese Erlaubnis anknüpft (§ 3 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung [KraftStDV] in der bis zum 19.07.2017 gültigen Fassung), gilt das für den Ersatztatbestand der widerrechtlichen Benutzung nicht2. Eine an den Realakt der Benutzung als die Steuerpflicht auslösendes Moment anknüpfende Erklärungspflicht lässt sich weder dem Gesetz noch der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung der KraftStDV entnehmen. Die an der Einfuhr orientierte Steuererklärungspflicht nach § 11 KraftStDV a.F. betrifft nur ausländische Fahrzeuge, mithin den Steuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG, findet aber – auch über die sich nur auf die Festsetzung und Erhebung unter den Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 beziehende Verweisung des § 16 Abs. 1 Satz 2 der KraftStDV – keine Anwendung für die widerrechtliche Benutzung. Insoweit bestand zum Tatzeitpunkt eine Steuer, aber keine Erklärungspflicht3.

Eine solche Erklärungspflicht ist erst mit Wirkung zum 20.07.2017 – mithin nach den Taten – durch § 15 Abs. 1 KraftStDV statuiert worden, wonach bei widerrechtlicher Benutzung unverzüglich eine Steuererklärung abzugeben ist. Ob dies im Hinblick auf den Verordnungscharakter eine Pflicht im Sinne des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO begründen kann, war hier nicht zu entscheiden.

Mangels Erklärungspflicht hat der Angeklagte nicht den Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO verwirklicht und sich nach dieser Vorschrift nicht strafbar gemacht.

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An einer solchen Entscheidung der Rechtsfrage ist der Bundesgerichtshof auch nicht durch frühere Entscheidungen4 gehindert. Diese ergingen sämtlich noch zu §§ 396, 402, 404 Reichsabgabenordnung, wonach allein das Bewirken einer Steuerverkürzung schon tatbestandsmäßig war.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. August 2017 – – 1 StR 173/17

  1. BGH, Beschluss vom 10.08.2017 – 1 StR 573/16; Urteil vom 09.04.2013 – 1 StR 586/12, BGHSt 58, 218, 227, 231 mwN[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 27.06.1973 – II R 179/71, BFHE 110, 213[]
  3. Bruschke, Grüne Reihe: Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrssteuern, 7. Aufl., 3.05.5.1, S. 315; Mayer in Heinz/Kopp/Mayer, Verkehrssteuern, 4. Aufl., S. 317; Mößlang, NWB Nr. 51 vom 15.12 1986, Fach 8b, S. 290; Spatscheck/Fraedrich, Steueranwaltsmagazin 2007, 162, 166; Weyand, NZV 1988, 209, 211; a.A. Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 243. Lieferung, § 370 AO Rn. 310, freilich ohne Begründung[]
  4. BGH, Entscheidungen vom 13.11.1959 – 4 StR 301/59; vom 01.08.1962 – 4 StR 209/62, BGHSt 17, 399; vom 22.12 1959 – 5 StR 570/59; vom 06.12 1960 – 1 StR 520/60; und vom 04.02.1968 – 1 StR 276/68[]